dargeboten wurde, und sie bekleidete es alsbald mit den sinnlich greifbaren Formen der Volkstümlichkeit, welche massiven metallenen Gefäßen gleichen, die trotz ihres hohen Alters durch den steten Gebrauch immer glänzend geblieben sind. Alle die Götter und Götzen der alten und jetzigen heidnischen Völker beschäftigten sie durch ihre Geschichte und ihr äußeres Aussehen in den Abbildungen, hauptsächlich auch daher, daß sie dieselben für wirkliche lebendige Wesen hielt, welche durch den wahren Gott bekämpft und ausgerottet würden; das Spuken und Umgehen solcher halb überwundenen schlimmen Käuze war ihr ebenso schauerlich anziehend wie das grauenvolle Treiben eines Atheisten, unter welchem sie nichts anderes verstand und verstehen konnte als einen Menschen, welcher seiner Überzeugung von dem Dasein Gottes zum Trotz dasselbe hartnäckig und mutwillig leugne. Die großen Affen und Waldteufel der südlichen Zonen, von denen sie in ihren alten Reisebüchern las, die fabelhaften Meermänner und Meerweibchen waren nichts anderes als ganze gottlose, nun vertierte Völker oder solche einzelne Gottesleugner, welche in diesem jammervollen Zustande, halb reuevoll, halb trotzig, Zeugnis gaben von dem Zorne Gottes und sich zugleich allerlei mutwillige Neckereien mit den Menschen erlaubten.
Wenn nun am Abend das Feuer prasselte, die Töpfe dampften, der Tisch mit den soliden volkstümlichen Leckereien bedeckt wurde und Frau Margret behaglich und ansehnlich auf ihrem zierlich eingelegten Stuhle saß, so begann sich nach und nach eine ganz andere Anhängerschaft und Gesellschaft einzufinden, als die den Tag über in dem Gewölbe zu sehen gewesen. Es waren dies arme Frauen und Männer, welche, teils durch den Duft des gastlichen Tisches, teils durch die belebte Unterhaltung von höheren Dingen angezogen, hier mannigfache Erholung von den Mühen des Tages suchten und fanden. Mit Ausnahme einiger weniger heuchlerischer Schmarotzer hatten sonst alle ein aufrichtiges Bedürfnis, sich durch Gespräche und Belehrungen über das, was ihnen nicht alltäglich war, zu erwärmen und besonders in betreff des Religiösen und Wunderbaren eine gewürztere Nahrung zu suchen, als die öffentlichen Kulturzustände ihnen darboten. Nichtbefriedigung des Gemütes, ungelöschter Durst nach Wahrheit und Erkenntnis, erlebte Schicksale, hervorgerufen durch die versuchte Befriedigung solcher unruhigen Triebe in der sinnlichen Welt, führten diese Leute hier zusammen und überdies noch in mancherlei seltsame Sekten hinein, von deren innerm Leben und Treiben sich Frau Margret fleißig Bericht erstatten ließ; denn sie selbst war zu weltlich und bequem, als daß sie soweit gegangen wäre, dergleichen mitzumachen. Vielmehr tadelte sie mit scharfen Worten die Kopfhänger und wurde sarkastisch und bitter, wenn sie allzu mystischen Unrat merkte. Sie bedurfte das Wunderbare und Geheimnisvolle, aber in der Sinnenwelt, in Leben und Schicksal, in der äußern wechselvollen Erscheinung; von innern Seelenwundern, bevorzugten Stimmungen, Auserwählten und dergleichen mochte sie nichts hören und kanzelte ihre Gäste tüchtig herunter, wenn sie mit solchen Dingen auftreten wollten. Außer daß Gott als der kunst- und sinnreiche Schöpfer all der wunderbaren Dinge und Vorkommnisse für sie existierte, war er ihr vorzüglich in einer Richtung noch merk- und preiswürdig: nämlich als der treue Beiständer der klugen und rührigen Leute, welche, mit nichts und weniger als nichts anfangend, ihr Glück in der Welt selbst machen und es zu etwas Ordentlichem bringen. Deshalb fand sie ihre größte Freude an jungen Leuten, welche sich aus einer dunklen dürftigen Abkunft heraus durch Talent, Fleiß, Sparsamkeit und Klugheit in eine gute Stellung gearbeitet hatten und wohl gar hohe Protektion genossen. Das Heranwachsen des Wohlstandes solcher Schützlinge war ihr wie eine eigene Sache angelegen, und wenn dieselben endlich dahin gediehen waren, einen bescheidenen Aufwand mit gutem Gewissen geltend zu machen, so fühlte sie selbst die größte Genugtuung, ihrerseits reichlich beizusteuern und sich des Glanzes mitzufreuen. Sie war von Grund aus wohltätig und gab immer mit offenen Händen, den Armen und arm Bleibenden im gewöhnlichen abgeteilten Maße, denjenigen aber, bei welchen Hab, und Gut anschlug, mit wahrer Verschwendung für ihre Verhältnisse. Es lag meistens ganz in der Natur solcher Emporkömmlinge, neben ihren anderweitigen größern Beziehungen auch die Gunst dieser seltsamen Frau sorglich zu pflegen, bis sie durch einen jüngern Nachwuchs endlich verdrängt wurden, und so fand man nicht selten diesen oder jenen feingekleideten und vornehm aussehenden Mann unter den armen Gläubigen, der durch sein gemessenes Betragen dieselben verschüchterte und unbehaglich machte. Auch nahmen sie wohl, wenn er abwesend war, Veranlassung, der Frau Weltsinn und Lust an irdischer Herrlichkeit vorzuwerfen, was dann jedesmal lebhafte Erörterungen und Streitreden hervorrief.
Von ihrer Freude an gedeihlichem Erwerb und emsiger Tätigkeit mochte es auch kommen, daß mehrere Schacherjuden in den Kreis ihrer Wohlgelittenen aufgenommen waren. Die Unermüdlichkeit und stetige Aufmerksamkeit dieser Menschen, welche öfter bei ihr verkehrten und ihre schweren Lasten abstellten, volle Geldbeutel aus unscheinbarer Hülle hervorzogen und ihr zum Aufbewahren anvertrauten, ohne irgend ein Wort oder eine Schrift zu wechseln, ihre billige Gutmütigkeit und neugierige Bescheidenheit neben der unberückbaren Pfiffigkeit im Handeln, ihre strengen Religionsgebräuche und biblische Abstammung, sogar ihre feindliche Stellung zum Christentum und die groben Vergehungen ihrer Voreltern machten diese vielgeplagten und verachteten Leute der guten Frau höchst interessant und gern gesehen, wenn sie sich bei den abendlichen Zusammenkünften vorfanden, am Herde der Frau Margret Kaffee kochten oder sich einen Fisch buken. Wenn die fromm christlichen Frauen ihnen schonend vorhielten, wie es noch nicht gar zu lange her sei, daß die Juden doch schlimme Käuze gewesen, Christenkinder geraubt und getötet und Brunnen vergiftet hätten, oder wenn Margret behauptete, der Ewige Jude Ahasverus hätte vor zwölf Jahren einmal im Schwarzen Bären übernachtet und sie hätte selbst zwei Stunden vor dem Hause gepaßt, um ihn abreisen zu sehen, jedoch vergeblich, da er schon vor Tagesanbruch weitergewandert sei, dann lächelten die Juden gar gutmütig und fein und ließen sich nicht aus ihrer guten Laune bringen.
Da sie jedoch ebenfalls Gott fürchteten und eine scharf ausgeprägte Religion hatten, so gehörten sie noch eher in diesen Kreis, als man zwei weitere Personen darin vermutet hätte, welche allerdings irgend anderswo zu suchen waren als gerade hier; und doch schienen sie eine Art unentbehrlichen Salzes für die wunderliche Mischung zu sein.
Siebentes Kapitel.
Fortsetzung der Frau Margret
Es waren dies zwei erklärte Atheisten. Der eine, ein schlichter, einsilbiger Schreinersmann, welcher schon manches Hundert Särge gefertigt und zugenagelt hatte, war ein braver Mann und versicherte dann und wann einmal mit dürren Worten, er glaube ebensowenig an ein ewiges Leben, als man von Gott etwas wissen könne. Im übrigen hörte man nie eine freche Rede oder ein Spottwort von ihm; er rauchte gemütlich sein Pfeifchen und ließ es über sich ergehen, wenn die Weiber mit fließenden Bekehrungsreden über ihn herfuhren. Der andere war ein bejahrter Schneidersmann mit grauen Haaren und mutwilligem, unnützem Herzen, der schon mehr als einen schlimmen Streich verübt haben mochte. Während jener sich still und leidend verhielt und nur selten mit seinem dürren Glaubensbekenntnisse hervortrat, verfuhr dieser angriffsweise und machte sich ein Vergnügen daraus, die gläubigen Seelen durch derbe Zweifel und Verleugnungen, rohe Späße und Profanationen zu verletzen und zu erschrecken, als ein rechter Eulenspiegel das einfältige Wort zu verdrehen und mit dick aufgetragenem Humor in den armen Leuten eine sündhafte Lachlust zu reizen. Er besaß weder großen Verstand noch Pietät für irgend etwas, selbst für die Natur nicht, und schien einzig ein persönliches Bedürfnis zu haben, das Dasein Gottes zu leugnen oder wegzuwünschen, indessen der Schreiner sich bloß nicht viel daraus machte, hingegen auf seinen Wanderjahren die Welt aufmerksam betrachtet hatte, sich fortwährend noch unterrichtete und von allerlei merkwürdigen Dingen mit Liebe zu sprechen wußte, wenn er auftaute. Der Schneider fand nur Gefallen an Ränken und Schwänken und lärmenden Zänkereien mit den begeisterten Weibern; auch sein Verhalten zu den Juden, gegenüber demjenigen des Sargmachers, war bezeichnend. Während dieser wohlwollend und freundlich mit ihnen verfuhr als mit seinesgleichen, neckte und quälte sie der Schneider, wo er nur konnte, und verfolgte sie mit echt christlichem Übermute mit allen trivialen Judenspäßen, die ihm zu Gebote standen, so daß die armen Teufel manchmal wirklich böse wurden und die Gesellschaft verließen. Frau Margret pflegte alsdann auch ungeduldig zu werden und verwies den Dämon aus dem Hause; aber er fand sich bald wieder ein und wurde immer wieder gelitten, wenn er sein altes Wesen mit etwas Vorsicht und glatten Worten wieder