auf dem Buchenloo ausgespüret wurde, wo sie entkleidet auf ihrem Bußhabit an der Sonne saß und sich baß wärmete. Sie hatt’ ihr Haar ganz aufgeflochten und ein Kränzlein von Buchenlaub darauff gesetzet, so wie ein dito Scherpen um den Leib gehenkt, auch ein Quantum schöner Erdbeeren vor sich liegen gehabt, von denen sie ganz voll und rundlich gegessen war. Als sie unser ansichtig ward, wollte sie wiederum Reißaus nemen, schämete sich aber ihrer Blöße und wollte ihr Habitlein überziehen, dahero wir sie glücklich attrapiret. Sie ist nun krank und scheinet confuse zu seyn, da sie keine vernünftige Antwort giebet.«
»Mit dem Meretlein gehet es wiederum besser, jedoch ist sie mehr und mehr verändert und wird des Gänzlichen dumm und stumm. Die Consultation des herbeygeruffenen Medici verlautet dahin, daß sie irr-oder blödsinnig werde und nunmehr der medicinischen Behandlung anheim zu stellen sey; er offerirte sich auch zu derselbigen und hat verheißen, das Kind wieder auf die Beine zu bringen, wenn es in seinem Hause placiret würde. Ich merke aber schon, daß es dem Monsieur Chirurgo nur um die gute Pension benebst denen Präsenten von Madame zu thun seye, und berichtete derohalb, was ich für gut befunden, nemlich daß der Herr seinen Plan nunmehr an ein Ende zu führen scheine mit seiner Creatur und daß Menschenhände hieran Nichts changiren möchten und dürften, wie es in Wirklichkeit auch ist.«
Nach Überschlagung von fünf bis sechs Monaten heißt es weiter:
»Es scheinet dieses Kind in seinem blöden Zustande einer trefflichen Gesundheit zu genießen und hat ganz muntere rothe Backen bekommen. Hält sich nun den ganzen Tag in den Bohnen auf, wo man sie nicht siehet und weiter nicht um sie bekümbert, zumalen sie weiter kein Ärgernuß giebet.«
»Das Meretlein hat sich in Mitten des Bohnenplatz ein kleinen Salon arrangiret, so man entdecket, und hat dorten artliche Visites acceptiret von denen Baurenkindern, welche ihme Obst und andere Victualia zugeschleppet, so sie gar zierlich vergraben und in Vorrath gehalten hat. Daselbst hat man auch jenen kleinen Kindsschedel begraben gefunden, welcher längst abhanden gekommen und dahero dem Küster nicht restituiret werden konnte. Dergleichen auch die Spatzen und andere Vögel herbeygezogen und zahm gemacht, daß die den Bohnen viel Abbruch gethan und ich jedoch nicht mehr in die Bohnenstauden schießen können, von wegen der kleinen Insaß. Item hat sie mit einer giftigen Schlangen ihr Spiel gehabt, welche durch den Hag gebrochen und sich bei ihr eingenistet; in summa, man hat sie wieder ins Haus nemen und inne behalten müssen.«
»Die rothen Backen sind wiederum von ihr gewichen und behauptet der Chirurgus, sie werde es nicht mehr lang prästiren. Habe auch schon an die Eltern geschrieben.«
»Heut vor Tag schon muß das arme Meretlein aus seinem Bettlein entkommen, in die Bohnen hinauß geschlichen und dort verschieden seyn; denn wir haben sie alldort für todt gefunden in einem Grüblein, so sie in den Erdboden hineingewühlet, als ob sie hineinschlüpfen wollen. Sie ist ganz gestabet gewesen und ihr Haar so wie ihr Hemdlein feucht und schwer vom Thau, als welcher auch in lauteren Tropfen auf ihren fast röthlichen Wänglein gelegen, nicht anders denn auf einem Apfelblust. Und haben wir einen heftigen Schrecken bekommen und bin ich in große Verlegenheit und Confusion gerathen den heutigen Tag, dieweill die Herrschaft aus der Stadt angelanget, just wie meine Ehefrau verreiset ist nach K., um allda einiges Confect und Provision einzukaufen, damit die Herrschaften höflichst zu tractiren. Wußte derohalb nicht, wo mir der Kopf gestanden und war ein großes Rennen und Laufen, und sollten die Mägde das Leichlein waschen und ankleiden und zugleich für ein guten Imbiß sorgen. Endlich habe ich den grünen Schinken braten lassen, so meine Frau vor acht Tagen in Essig geleget, und hat der Jakob drei Stück von denen zahmen Forellen gefangen, welche noch hin und wieder an den Garten kommen, obgleich man die selige (?!) Meret nicht mehr zum Wasser hinauß gelassen. Habe zum Glück mit diesen Speißen noch ziemliche Ehre eingeleget und haben dieselbigen der Madame wohl geschmecket. Ist eine große Traurigkeit gewesen und haben wir mehr denn zwei Stunden in Gebeth und Todesbetrachtungen verbracht, desgleichen in melancolischen Reden von der unglückseligen Krankhaftigkeit des verstorbenen Mägdleins, da wir nun annemen müssen zu unserem vermehrten Trost, daß selbe in einer fatalen Disposition des Bluts und Gehirns ihren Ursprung gehabt. Daneben haben wir auch von den sonstigen großen Gaben des Kinds geredet und von seinen oftmaligen klugen und anmuthigen Einfällen und Impromptus und Alles nicht zusammenreimen können in unserer irdischen Kurzsichtigkeit. Morgens am Vormittag wird man dem Kind ein Christlich Begräbniß geben und ist die Präsenz der fürnehmen Eltern dazu kommlich, ansonsten die Pauren sich widersatzen mögten.«
»Dieses ist der allerwunderbarste und schreckhafteste Tag gewesen, nicht nur allein seit wir mit dieser unseligen Creatur zu schaffen, sondern der mir überhaupt in meiner ruhsamen Existenz aufgestoßen ist. Denn als die Stunde gekommen und es zehn Uhr geschlagen, haben wir uns hinter dem Leichlein her in Bewegung gesetzet und nach dem Gottesacker begeben, indessen der Sigrist die kleine Glocken geläutet, was er aber nicht mit sehrem Fleiße gethan, dieweil es fast erbärmlich geklungen und das Geläute zur Halbpart vom starken Winde verschlungen worden, der unwirsch gewehet hat. Und war auch der Himmel ganz dunkel und schwül, so wie der Kirchhof von Menschen entblößet außer unserer kleinen Compagnie, hergegen außerhalb denen Mauren die ganze Baursame vereiniget und hat neugierig die Köpfe herüber gerecket. Wie man aber so eben das Todtenbäumlein in das Grab hinunter senken wollen, hat man ein seltsamen Schrei gehört aus dem Todtenbäumlein hervor, so daß Wir auf das Heftigste erschrocken sind und der Todtengräber auf und davon gesprungen ist. Der Chirurgus aber, welcher auch herzugeloffen, hat schleunigst den Deckel losgemacht und abgehebt, und hat sich das Tödlein als lebendig aufgerichtet und ist ganz behende aus dem Gräblein gekrochen und hat uns angeblicket. Und wie im selbigen Moment die Strahlen Phöbi seltsam und stechend durch die Wolken gedrungen, so hat es in seinem gelblichen Brokat und mit dem glitzrigen Krönlein ausgesehen wie ein Feyen- oder Koboltskind. Die Frau Mama ist alsobald in eine starke Ohnmacht verfallen und der Herr v. M. weinend zur Erde gestürzet. Ich selbst habe mich vor Verwunderung und Schrecken nicht gerühret und in diesem Moment steif an ein Hexenthum geglaubt. Das Mägdlein aber hat sich bald ermannt und ist über den Kirchhof davon und zum Dorf hinauß gezwirbelt, wie eine Katz, daß alle Leute voll Entsetzen heimgeflohen sind und ihre Thüren verriegelt haben. Zu selbiger Zeit ist just die Schulzeit aus gewesen und ist der Kinderhaufen auf die Gaß gekommen, und als das kleine Zeugs die Sache gesehen, hat man die Kinder nicht halten können, sondern ist eine große Schaar dem Leichlein nachgelauffen und hat es verfolget und hintendrein ist noch der Schulmeister mit dem Bakel gesprungen. Es hat aber immer ein zwanzig Schritt Vorsprung gehabt und nicht eher Halt gemacht, als bis es auf dem Buchenloo angekommen und leblos umgefallen ist, worauf die Kinder um dasselbige herumgekrabbelt und es vergeblich, gestreichelt und caressiret haben. Dieses Alles haben wir nach der Hand erfahren, weill wir mit großer Noth in das Pfarrhaus uns salviret und in tiefer Desolation verharret sind, bis man das Leichlein wiederum gebracht hat. Man hat es auf ein Matraz gelegt und ist die Herrschaft darauf verreiset mit Hinterlassung einer kleinen Steintafell, worein Nichts als das Familienwappen und Jahrzahl gehauen ist. Nunmehr liegt das Kind wieder für todt und getrauen wir uns nicht, zu Bett zu gehen aus Furcht. Der Medicus sitzet aber bey ihm und meint nun, es sey endlich zur Ruh gekommen.«
»Heute hat der Medicus nach unterschiedlichen Experimenten erklärt, daß das Kind wirklich todt seye, und ist es nun in der Stille beigesetzt worden und nichts Weiteres arriviret usf.«
Sechstes Kapitel.
Weiteres vom lieben Gott. Frau Margret und ihre Leute
Ich kann nicht sagen, daß, nachdem Gott einmal die bestimmte und nüchterne Gestalt eines Ernährers und Aushelfers für mich gewonnen hatte, er mein Herz in jenem Alter mit zarteren Empfindungen oder tiefgehenden Gemütsfreuden erfüllte, zumal er aus dem glänzenden Gewande des Abendrotes sich verloren, um in viel späterer Zeit es wieder umzunehmen. Wenn meine Mutter von Gott und den heiligen Dingen sprach, so fuhr sie fort, vorzüglich im Alten Testamente zu verweilen, bei der Geschichte der Kinder Israel in der Wüste oder bei den Kornhändeln Josephs und seiner Brüder, bei der Witwe Ölkrug und dergleichen oder ausnahmsweise bei der Speisung der fünftausend Männer im Neuen Testamente. Alle diese Ereignisse gefielen ihr ausnehmend