mir Geld für das Material gespart habe, ein neues Häubchen machen.«
»Machen Sie gleich mehrere«, riet Mercedes. »Ich verkaufe sie für Sie – natürlich gegen eine kleine Provision für meine Mühe. Ich kann Ihnen sechs Dollar für jedes geben. Wir können ja immer noch darüber reden. Für das, was Sie an dem Geschäft verdienen, können Sie sich Material für ihr eigenes verschaffen und noch etwas dazu.«
*
Vier große Ereignisse trafen im Laufe des Winters ein. Bert und Mary heirateten und mieteten ein Häuschen in der Nähe von Saxon und Billy. Billys Wochenlohn wurde wie alle anderen Fuhrmannslöhne in Oakland herabgesetzt. Billy begann einen Rasierapparat zu benutzen. Und endlich hatte Saxon sich als schlechte Prophetin erwiesen und Sarah als eine gute. Saxon wollte ihrer Sache erst ganz sicher sein, ehe sie es Billy erzählte. Anfangs, als es nur ein Verdacht war, hatte sie sich bei dem Gedanken an das Neue, Unbekannte nicht von einer gewissen Unruhe und Angst befreien können. Dann hatten sich wirtschaftliche Sorgen gemeldet, und sie dachte an die unumgängliche Folge: vermehrte Ausgaben. Als sie aber allmählich ihrer Sache ganz sicher wurde, spülte eine warme Freudenwoge alle Sorgen fort. Ihr und Billys Kind! Der Satz tauchte immer wieder in ihren Gedanken auf, und jedes Mal gab es ihr vor Freude einen Stich im Herzen.
An dem Abend, als sie Billy die große Neuigkeit mitteilte, hielt er zurück, was er ihr von der Lohnherabsetzung hatte erzählen wollen, und war ebenso glücklich über das kleine Wesen, das bald kommen sollte.
»Was machen wir? Gehen wir zur Feier des Tages ins Theater?« fragte er, und seine Arme, die sie so hart gepresst hatten, lockerten sich so weit, dass sie antworten konnte. »Oder wollen wir zu Hause bleiben, nur du und ich und – und wir drei?«
»Lass uns zu Hause bleiben«, erklärte sie. »Du sollst mich nur festhalten und immer festhalten.«
Es lag Frost in der Luft, und Billy holte den großen Sessel und stellte ihn vor den Herd. Saxon kuschelte sich hinein, den Kopf an seiner Schulter, und er drückte ihre Wange an sein Haar.
»Wir haben doch nicht falsch gehandelt, dass wir uns heirateten, als wir uns erst eine Woche kannten«, sagte er nachdenklich. »Ja, weißt du, Saxon, wir sind beinahe verliebter ineinander als in der ersten Zeit – und jetzt – – lieber Gott, Saxon, es ist fast zu herrlich, um wahr zu sein. Der kleine Spitzbube! Ich möchte darauf wetten, dass es ein Junge wird! Und du kannst darauf schwören, dass ich ihn lehren will, seine Fäuste zu gebrauchen und sich durchzuschlagen. Und Schwimmen soll er auch lernen. Wenn er nicht schwimmen kann, ehe er sechs –«
»Aber wenn er nun ein Mädchen wird?«
»Sie muss ein Junge sein«, antwortete Billy.
Sie lachten beide, küssten sich und seufzten vor Zufriedenheit.
»Und jetzt werde ich das Geld festhalten«, erklärte er, als sie eine Weile in tiefe Gedanken versunken dagesessen hatten. »Keine Runde mehr für die Kameraden! Nein, jetzt halten wir uns an den Wasserwagen. Und der Tabak wird auch ein bisschen herabgesetzt. Hm, warum sollte ich mir nicht selbst meine Zigaretten drehen können? Das ist zehnmal billiger, als wenn man fertige kauft. Ich kann mir auch den Bart stehen lassen. Es ist eine Menge Geld, die der Barbier im Jahre aus einem herauszieht. Ja, für die Summe kann man sich direkt ein Kind halten.«
»Wenn Sie sich den Bart stehenlassen, Herr Roberts, lasse ich mich von Ihnen scheiden«, drohte Saxon. »Du bist so hübsch mit einem glattrasierten Gesicht. Ich liebe dein Gesicht zu sehr, als dass ich es mir verdecken lassen wollte. Oh, mein lieber, lieber Billy! Ich habe nie gewusst, was Glück ist, ehe wir heirateten.«
»Ich auch nicht.«
»Und so soll es bleiben, nicht wahr?«
»Darauf kannst du Gift nehmen«, versicherte er.
Und Billy verschwieg ihr hartnäckig die Lohnherabsetzung. Erst zwei Wochen später, als sie in Kraft trat, und er ihr die verminderte Summe in den Schoß schüttete, erzählte er ihr den Zusammenhang. Am nächsten Tage kamen Bert und Mary, die jetzt schon einen Monat verheiratet waren, zum Mittagessen und sprachen davon. Bert war sehr pessimistisch und machte unheilverkündende Andeutungen von einem bevorstehenden Eisenbahnerstreik.
»Wenn ihr nur den Mund halten wolltet«, sagte Mary scharf, »so würde alles gut gehen. Aber die Gewerkschaftsagitatoren machen die Eisenbahner ganz wild. Es ist direkt, um Krämpfe zu kriegen – wie sie die Leute aufputschen. Wenn ich Chef wäre, würde ich allen, die sie anhörten, die Löhne herabsetzen.«
»Aber du bist doch selbst Mitglied der Plätterinnengewerkschaft«, sagte Saxon mit mildem Vorwurf.
»Ja, weil ich musste – wenn ich Arbeit haben wollte.«
»Aber sieh doch, Billy«, fuhr Bert fort. »Die Fuhrleute haben nicht gemuckst, alles sieht schön und herrlich aus, und da, bums, auf einmal eine Herabsetzung von zehn Prozent. Zum Kuckuck, welche Möglichkeiten haben wir? Wir verlieren. Es ist kein Platz für uns in dem Land, das wir und unsere Väter und Mütter für uns geschaffen haben. Wir werden zerquetscht – und dabei sind wir der alte Stamm, Söhne und Töchter der weißen Leute, die sich von England losrissen, die die Sklaven befreiten, mit den Indianern kämpften und den ganzen Westen machten.«
»Aber was sollen wir denn dabei machen?« fragte Saxon besorgt.
»Kämpfen. Das ist alles. Das Land ist in den Händen einer Räuberbande. Seht die Süd-Pazifik-Bahn. Die regiert ganz Kalifornien.«
»Ach Unsinn, Bert«, fiel Billy ihm ins Wort. »Du läufst mit halbem Wind. Die Eisenbahn kann doch nicht Kalifornien regieren.«
»Du bist ein Esel«, sagte Bert spöttisch. »Und eines Tages, wenn es zu spät ist, werden du und die anderen Esel das erkennen. Es ist faul, sage ich dir. Es stinkt! Ja, wahrhaftig – jeder, der in das Parlament hinein will, muss nach San Franzisko fahren, auf dem Kontor der Süd-Pazifik antreten und demütig um Erlaubnis bitten. Ich sage euch, die Gouverneure von Kalifornien sind Direktoren der Eisenbahn gewesen und das schon, ehe du und ich geboren waren. Hu! Du kannst mir nicht widersprechen. Wir sind erledigt. Aber ich möchte gern helfen, einige von den dreckigen Dieben aufzuhängen, ehe ich selber flötengehe. Wisst ihr, was wir sind? Wir, der alte weiße Stamm, der im Kriege kämpfte, das Land schuf und es zu dem machte, was es ist? Soll ich es euch sagen? Wir sind die letzten Mohikaner.«
»Er ängstigt mich zu Tode mit seiner Heftigkeit«, sagte Mary mit einer Bitterkeit, die sie nicht zu verbergen suchte. »Es endet noch damit, dass er aus der Werkstatt rausgeschmissen wird. Und was sollen wir dann tun? An mich denkt er