Джек Лондон

Gesammelte Werke


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dach­te, wie viel sie für die klei­nen Be­dürf­nis­se des Hau­ses und ih­rer Per­son op­fer­te. Dazu war es das ers­te­mal, dass sie das Geld ei­nes an­de­ren ver­brauch­te. Seit ih­rer frü­he­s­ten Ju­gend war sie ge­wohnt ge­we­sen, nur ihr ei­ge­nes Geld zu ver­brau­chen, und jetzt hat­te sie dank Mer­ce­des wie­der Geld zur Ver­fü­gung und konn­te sich von ih­rem Ver­dienst noch teu­re­re und herr­li­che­re Wä­sche leis­ten.

      Mer­ce­des mach­te Vor­schlä­ge, und Sa­xon ver­fer­tig­te die hüb­schen Din­ge aus leich­ten Stof­fen und Spit­zen, zu­wei­len so­gar mit ge­wis­sen Ver­bes­se­run­gen, die sie selbst er­fand. Sie näh­te fei­ne Ba­tisthem­den mit ih­ren ei­ge­nen fei­nen Spit­zen und fran­zö­si­scher Sti­cke­rei auf Brust und Schul­tern; sie ver­fer­tig­te hand­ge­näh­te Kom­bi­na­ti­ons, auch aus Ba­tist, und Nacht­hem­den, so leicht und fein wie Spinn­we­ben, ge­stickt und mit Be­satz aus iri­schen Spit­zen. Auf Mer­ce­des’ Vor­schlag näh­te sie fer­ner ein ganz ent­zücken­des, sehr kom­pli­zier­tes Mor­gen­häub­chen, für das die alte Frau ihr zwölf Dol­lar be­zahl­te.

      Sie war glück­lich und ar­bei­te­te je­den Au­gen­blick des Ta­ges eif­rig, und auch die Aus­stat­tung des Kin­des wur­de nicht ver­säumt. Die ein­zi­gen Klei­dungs­stücke, die sie fer­tig kauf­te, wa­ren drei fei­ne klei­ne Strickja­cken. Al­les an­de­re ver­fer­tig­te sie mit ei­ge­nen Hän­den – klei­ne Win­deln ver­sah sie mit He­xen­stich, sie strick­te ein Jäck­chen und ein Häub­chen und Fäust­lin­ge, näh­te Mütz­chen, glat­te Prin­zeß­kleid­chen von sehr ver­nünf­ti­ger Län­ge, Hemd­chen mit win­zi­gen Pas­sen, mit Sei­de ge­stick­te Fla­nell­rö­cke; sie strick­te St­rümp­fe und hä­kel­te Schu­he, die sie bei der Ar­beit aus­ge­füllt sah von den klei­nen un­ru­hi­gen, ro­si­gen Ze­hen und den run­den Schen­kel­chen, und ver­fer­tig­te schließ­lich vie­le herr­li­che, wei­che, vier­e­cki­ge Mull­stücke. Et­was spä­ter lie­fer­te sie ihr Meis­ter­stück, ein Män­tel­chen aus wei­ßer Sei­de mit Sti­cke­rei. Wenn sie sich aber recht be­dach­te, wuss­te sie gut, dass die Lie­be, die sie in al­les ein­näh­te, eher Bil­ly ge­hör­te als die­sem ver­schwom­me­nen, un­fass­ba­ren klei­nen neu­en Le­ben, das sich trotz all ih­ren Ver­su­chen, es vor sich zu se­hen, doch nie fas­sen las­sen woll­te.

      »Hm«, sag­te Bil­ly, als er die gan­ze Gar­de­ro­be des klei­nen Ge­schöp­fes un­ter­sucht hat­te und auf die ge­strick­ten Jäck­chen zu­rück­kam, »die se­hen mehr als al­les nach ei­nem rich­ti­gen Jun­gen aus. Ich kann ihn schon in rich­ti­gem Männ­er­zeug se­hen.«

      Sa­xon, de­ren Au­gen sich plötz­lich mit Freu­den­trä­nen füll­ten, drück­te ei­nes der Jäck­chen an sei­ne Lip­pen. Er küss­te es fei­er­lich, aber sein Blick ruh­te in dem Sa­x­ons.

      Sa­x­ons Wohl­stand soll­te je­doch bald auf­hö­ren, und zwar auf eine sehr trau­ri­ge und de­mü­ti­gen­de Art. Ei­nes Ta­ges, als ei­nes der großen Wa­ren­häu­ser Aus­ver­kauf hat­te, fuhr sie über die Bucht nach San Fran­zis­ko, um Ein­käu­fe zu ma­chen. Als sie durch die Sut­ter Street ging, wur­de ihr Blick von ei­ni­gen Wa­ren ge­fes­selt, die in ei­nem klei­nen La­den­fens­ter aus­ge­stellt wa­ren. Sie woll­te zu­erst ih­ren Au­gen nicht trau­en, denn dort, auf dem Ehren­platz, stand das herr­li­che Mor­gen­häub­chen, für das Mer­ce­des ihr zwölf Dol­lar ge­ge­ben hat­te. Der Preis, der dar­an stand, be­trug acht­und­zwan­zig Dol­lar. Sa­xon ging hin­ein und sprach mit der Ge­schäfts­in­ha­be­rin, ei­ner ma­ge­ren Frau mitt­le­ren Al­ters mit ei­nem schar­fen Blick und von frem­der Ab­stam­mung.

      »Es ist nicht mei­ne Ab­sicht, et­was zu kau­fen. Aber ich ma­che fei­ne Hand­ar­bei­ten von der Art, wie Sie sie ha­ben, und ich möch­te gern wis­sen, was Sie da­für be­zah­len – zum Bei­spiel für das Mor­gen­häub­chen im Fens­ter.«

      Die Frau warf einen has­ti­gen, prü­fen­den Blick auf Sa­x­ons lin­ke Hand, be­merk­te die vie­len klei­nen Sti­che der Nähna­del in ih­rem Zei­ge­fin­ger und be­trach­te­te dann for­schend ihre Klei­dung und ihr Ge­sicht.

      »Kön­nen Sie so et­was ma­chen?«

      Sa­xon nick­te.

      »Ich habe der Frau, die das ge­macht hat, zwan­zig Dol­lar be­zahlt.«

      Sa­xon schnapp­te un­will­kür­lich nach Luft, be­zwang sich aber und dach­te einen Au­gen­blick über die Sa­che nach. Mer­ce­des hat­te ihr zwölf Dol­lar ge­ge­ben, Mer­ce­des hat­te also acht Dol­lar in die ei­ge­ne Ta­sche ge­steckt, wäh­rend sie, Sa­xon, Ma­te­ri­al und Ar­beit ge­lie­fert hat­te.

      »Wol­len Sie so freund­lich sein und mir an­de­re Hand­sti­cke­rei­en zei­gen – Nacht- und Taghem­den und der­glei­chen und mir sa­gen, was Sie da­für be­zah­len?«

      »Kön­nen Sie so et­was ma­chen?«

      »Ja.«

      »Und wol­len Sie es mir ver­kau­fen?«

      »Selbst­ver­ständ­lich«, ant­wor­te­te Sa­xon. »Des­halb bin ich ja hier.«

      »Wir be­rech­nen uns eine klei­ne Pro­vi­si­on von dem, was wir ver­kau­fen«, fuhr die Frem­de fort. »Wir müs­sen ja Licht und Mie­te und der­glei­chen be­zah­len und schließ­lich auch et­was dar­an ver­die­nen – sonst könn­ten wir das Ge­schäft nicht be­trei­ben.«

      »Das ist nicht mehr als bil­lig«, räum­te Sa­xon ein.

      Un­ter den schö­nen Din­gen, die Sa­xon jetzt sah, fand sie ein Nacht­hemd und eine Kom­bi­na­ti­on, die sie selbst ver­fer­tigt hat­te. Für das Nacht­hemd hat­te Mer­ce­des ihr acht Dol­lar ge­ge­ben, wäh­rend es hier acht­zehn kos­te­te und die La­den­in­ha­be­rin vier­zehn be­zahlt hat­te; für das an­de­re Stück hat­te Sa­xon sechs Dol­lar be­kom­men, es war mit fünf­zehn aus­ge­zeich­net und mit elf be­zahlt.

      »Dan­ke sehr«, sag­te Sa­xon und zog sich die Hand­schu­he an. »Ich wer­de Ih­nen gern et­was von mei­ner Ar­beit zu den Prei­sen ver­kau­fen.«

      »Und es wird mir ein Ver­gnü­gen sein, es zu kau­fen – wenn es gut ge­nug ist.« Die Frem­de sah sie streng an. »Aber ver­ges­sen Sie nicht: es muss eben­so gut sein wie dies hier. In die­sem Fall kann ich Ih­nen oft Be­stel­lun­gen zu­kom­men las­sen.«

      Mer­ce­des war nicht im ge­rings­ten ver­le­gen, als Sa­xon ihr Vor­wür­fe mach­te.

      »Sie sag­ten, dass Sie sich nur eine Pro­vi­si­on be­rech­ne­ten«, sag­te sie an­kla­gend.

      »Das sag­te ich, und das habe ich auch ge­tan.«

      »Aber ich leis­te­te alle Ar­beit, kauf­te das gan­ze Ma­te­ri­al, und Sie ha­ben noch mehr dar­an ver­dient als ich. Sie ha­ben sich den Lö­wen­an­teil ge­nom­men.«

      »Ja, warum soll­te ich das nicht, Kind­chen? Ich war Zwi­schen­händ­ler. So ist nun mal der Gang der Welt. Der Zwi­schen­händ­ler be­kommt den Lö­wen­an­teil.«

      »Das fin­de ich sehr un­ge­recht«, sag­te Sa­xon, mehr, weil es sie schmerz­te, als weil sie böse dar­über war.

      »Be­kla­gen Sie sich über die Welt, nicht über mich«, ant­wor­te­te Mer­ce­des scharf, schlug aber wie ge­wöhn­lich eben­so plötz­lich um und füg­te sanf­ter hin­zu: »Wir wol­len uns nicht strei­ten, Kind­chen, dazu habe ich Sie viel zu gern. La la, was be­deu­tet das für Sie, die Sie jung und stark sind und einen jun­gen und star­ken Mann ha­ben. Und der alte Bar­ry