Ödön von Horváth

Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth


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fordert, für die bewaffnete Aktion den günstigsten Augenblick abzupassen.

      HAUPTMANN

      Ich warte.

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Wir haben zwar die Ministerliste, aber die Führer der Verbände müssen noch manche Frage bereinigen.

      HAUPTMANN

      Ich warte.

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Die sind sich noch nicht einig, Nord und Süd!

      HAUPTMANN

      Ich warte. Vorerst!

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Das wissen wir. Deshalb bin ich da.

      HAUPTMANN

      Freut mich!

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Umso besser! Sie sind ein Mensch, dem man ab und zu seine Lage klar machen muß. Sie samt Ihren Soldaten unterstehen einer maßgebenden Stelle, die die geheime, gegen alle außenpolitischen Verpflichtungen erfolgte Aufstellung Ihrer Armee vor der Republik mit dem Schutze vor äußeren Feinden begründet, in Wahrheit aber die nationale Diktatur erstrebt. Offiziell muß die maßgebende Stelle republikanisch tun, um inoffiziell die Republik unterhöhlen zu können. Offiziell tragen Sie die Verantwortung, inoffiziell befiehlt die maßgebende Stelle. Sie können praktisch nur bestehen, weil und solange Sie offiziell nicht bestehen. Vorerst existieren Sie überhaupt nicht.

      HAUPTMANN

      Danke. Die maßgebende Stelle ist feig. Sie betet um die nationale Revolution, aber drückt sich vor jedem festen Entschluß. Das liegt an der Berliner Luft.

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Und der preußischen Regierung.

      HAUPTMANN

      Es muß kommen, wie in Ungarn.

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Die Diktatur. Plebs bleibt Plebs. Gäbs keine Neger am Rhein und keine Inflation, fühlten sich unsere lieben Deutschen in Schwarzrotdreck sauwohl.

      HAUPTMANN

      Nie. Ich glaube an den zweiten Befreiungskrieg. Mit dem Sturze der Republik stürzt auch Versailles.

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Kaum.

      HAUPTMANN

      Oho!

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Kaum, Hauptmann. Unsere Truppen und vor allem unsere Waffen reichen wohl zur Niederschlagung des inneren, aber niemals des äußeren Feindes. Die nationale Diktatur wird die Erfüllungspolitik der Rathenau und Genossen weiterführen müssen. Predigen wir das Gegenteil, so nur als Propaganda. Wir lügen dabei nicht, denn zu guter Letzt ist alles möglich.

       Stille.

      HAUPTMANN

      Ich sehe, man treibt mit mir wieder ein unehrliches Spiel. Ich glaube, die maßgebende Stelle wäre sogar imstande, mich dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik auszuliefern.

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Wenn Sie ohne Erlaubnis anfangen wollten zu existieren, ja.

      HAUPTMANN

      Wenn alles mißglückt, jederzeit. Dann wird an meine nationale Treue appelliert, damit ich alles allein verantworten darf. Auch meine Justiz.

      DER BUNDESSEKRETÄR

      Was für Justiz?

      HAUPTMANN

      Spielen Sie nicht die unberührte Jungfrau, Feigling. Leute wie Sie sollten politisch links stehen. Sagen Sie der maßgebenden Stelle einen schönen Gruß, und wenn sich die vertrottelten Oberlehrer und verkalkten Exzellenzen in den Bünden und Verbänden, Orden und Parteien nicht bald einigen, dann fange ich an zu existieren! Die nationale Bewegung wäre ein Debattierklub ohne meine Arbeit! Ich habe die Truppen gesammelt, ich habe die Gewalt, ich bin die Macht! Ich marschiere auch allein! Die nationale Revolution bin ich! Ich und meine Kameraden, der Landsknecht hat schon einmal einen Staat gerettet, wir haben Spartakus erschlagen, im Baltikum gekämpft, in Oberschlesien – und?! Wir lassen uns nicht wieder vogelfrei vertreiben, verachtet, verspottet, verdreckt! Der Bundessekretär lächelt sarkastisch; verbeugt sich steif und rasch ab. Hauptmann allein; starrt ihm nach; geht auf und ab. Trompetensignal. Hält und lauscht; grinst; knurrt. Ich marschiere, ich marschiere –

      HALEF

      kommt: Hauptmann!

      HAUPTMANN

      Was gibts?

      HALEF

      Der Salm läßt fragen, was mit dem Kerl geschehen soll, den der Posten gestern beschlagnahmt hat – der drunten liegt. Er hat soeben gestanden, daß er uns für fünfzig Dollar an die Interalliierte Kontrollkommission verraten wollte.

      HAUPTMANN

      Das hat er gelogen. Der verrät nichts für fünfzig Dollar, das habe ich gleich gesehen. Hinter dem steht eine andere Macht. – Man muß ihn mit besonderer Vorsicht verhören.

      HALEF

      Soll er noch geprügelt werden?

      HAUPTMANN

      Wer hat ihn geprügelt?

      HALEF

      Ich nicht.

      HAUPTMANN

      Wer?

      HALEF

      Rübezahl.

       Stille.

      HAUPTMANN

      Du. Ist das wahr, daß dieser Rübezahl gedroht hat, mich für den Fall, daß er kein Geld von mir bekommt, glattweg niederzuknallen?

      HALEF

      Er war besoffen.

      HAUPTMANN

      Besoffen oder nüchtern! Du hast das gehört?

      HALEF

      Ich war dabei.

      HAUPTMANN

      Ich muß darauf bestehen, daß mir dergleichen sofort gemeldet wird!

      HALEF

      Ruhe, Herr General! Ruhe. Wagst du, einen derart verdienstvollen Mann zu bestrafen, und wenn ja, kannst du es denn? Nein. Du kannst dich nur lächerlich machen. Sonst nichts.

      RÜBEZAHL

      erscheint: Majestät. Ich hab soeben gehorcht. Er grinst.

      HAUPTMANN

      Du bekommst deinen Teil.

      RÜBEZAHL

      Das klingt komisch.

      HAUPTMANN

      Abtreten.

      RÜBEZAHL

      Drohst du mir? Du? Mir?

      HAUPTMANN

      Nein. Denn ich habe Angst, daß du mich niederknallst.

      RÜBEZAHL

      grinst: Fürchte dich nicht, Liliputaner!

      HAUPTMANN

      Zurück! Hinaus!

      RÜBEZAHL

      Bell nicht, Pintscher! Bell nicht, sonst schlag ich dir die Koppel um das Maul, daß dir das Gott-mit-uns in der Fresse steht! Hauptmann fixiert ihn; beherrscht sich; rasch ab.

      VI. IMMER NOCH UNTER DER ERDE