Kathrin Singer

Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman


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verständnislos an.

      »Nun, dass es zwischen dir und Franzi aus ist. Du brauchst nicht mehr zu ihr zu gehen, sie hat eingesehen, dass ihre Liebe zu dir ein Irrtum war.«

      Korbinian, groß und kräftig, stand mit einem Ruck auf, dass sein Stuhl polternd umfiel. »Hast du den Verstand verloren?«, herrschte er seinen Bruder an.

      Der lachte voll Genuss. »Ja, so ein bissel hat mir die Franzi schon den Verstand genommen. Ich bin in sie so verliebt, wie du es nie warst. Nun wirst du dir eine andere Bäuerin suchen müssen. Das wird dir nicht schwerfallen. Der Hoferbe von diesem stattlichen Anwesen findet bei jedem Madel offene Türen. Ich sag’s noch einmal, die Franzi und ich sind uns einig. So bald wie möglich werde ich zu Onkel Albert hinübergehen und das in Ordnung bringen, was zu unserem Streit führte. Er hat keinen Erben, also wird er mir den Hof übergeben, wie es ja seit Langem vorgesehen war. Dann hol’ ich die Franzi zu mir. Du brauchst gar nicht versuchen, sie umzustimmen. Das würde dir nämlich nicht gelingen. Die Franzi ist in mich verschossen.«

      Korbinian stemmte beide Fäuste auf den Tisch. »Verschossen!«, sagte er verächtlich. »Wie du es schon bei vielen anderen fertig gebracht hast. Du warst von Anfang an darauf aus, mir die Franzi wegzunehmen.« Er wandte sich an seinen Vater. »So sprich doch du mal ein Machtwort, auch wenn du Uli bis jetzt seinen Leichtsinn nachgesehen hast. Diese Zwietracht auf unserem Hof kannst du doch nicht dulden. Uli und ich könnten nie mehr miteinander auskommen, wenn …«

      Der Vater unterbrach ihn. »Nun reg dich nicht so auf, sei ein Mann und nicht ein Gockel, der einer Henne nachkräht, die er nicht kriegen kann. Wenn sich die Franzi und der Uli mögen, wirst du nichts daran ändern können.«

      Korbinian sah noch einmal von einem zum anderen, dann ging er hinaus, im tiefsten Herzen getroffen. Es konnte jetzt nur einen Weg für ihn geben, den zu Franzi in den Rehwinkel. Er musste von ihr selbst hören, wie sie zu ihm stand.

      Auf dem Weg dahin sagte er sich immer wieder: Nein, das kann nicht sein. Franzi ist mir treu geblieben.

      Als er auf den kleinen Bergbauernhof zuging, schichtete Franzi Holz auf, das ihr Vater hackte. Korbinian ging schnell auf sie zu und griff nach ihrem Arm. Er konnte jetzt nicht diplomatisch vorgehen, er platzte gleich heraus: »Sag, dass Uli lügt. Er hat behauptet, dass es zwischen dir und mir aus ist!«

      Josef Festauer, Franzis Vater, ließ seine Axt sinken und ging ins Haus. Er wollte bei diesem Gespräch nicht dabei sein, weil er schon ergebnislos auf seine Tochter eingeredet hatte, sich nicht von Korbinian zu trennen. Den nämlich schätzte und mochte er, Ulis leichtfertige Art aber durchschaute er schon seit Langem.

      »Gib mir eine Antwort«, drängte Korbinian, als Franzi nur den Blick senkte.

      »Es kann doch nicht sein, dass du alles vergessen hast, was zwischen uns war. Wir wollten heiraten, Franzi.«

      Da sah Franzi auf. Ihre Stimme zitterte. »Aber dazu kann ich jetzt nicht mehr stehen, Korbinian. Ich liebe Uli, und ich will mit ihm gehen.« Sie stockte.

      »Ich hab’ dich so sehr gern, und das wird immer so bleiben, aber bei Uli …« Sie konnte nicht weitersprechen, ihre Stimme erstickte.

      Korbinian richtete sich steif auf. »Dann weiß ich jetzt genug. Hoffentlich rennst du mit meinem Bruder nicht in dein Unglück. Er ist nicht so wie ich. Vielleicht kommt die Zeit, in der du es bereuen wirst, dich so entschlossen zu haben.« Er ging ein paar Schritte zurück, und dann war von ihm nur noch zu hören: »Ich werde dich immer lieb haben.«

      Franzi sah ihm nach, wie er mit schweren Schritten den Hang hinunterging. Sie hatte Tränen in den Augen, aber sie machte keine Anstalten, ihn zurückzuhalten.

      *

      Uli blieb nur mehr eine Woche auf dem Stettnerhof und war viel bei Franzi, dann rüstete er sich für den Weg übers Gebirge, um zu dem Hof seines Onkels zu gehen. Das war ein gewaltiger Marsch, den er aber nie scheute. Franzi versprach er, zurückzukommen, sobald er mit seinem Onkel wieder im Reinen war. Dass er das schaffte, traute er sich ohne Weiteres zu. Es gelang ihm meistens, andere für sich zu gewinnen. Leichten Herzens nahm er von Franzi Abschied.

      Sie begann bald auf seine Rückkehr zu hoffen. Es bedrückte sie jetzt nur noch, dass sie so weit von ihrem Vater weggehen wollte, wenn Uli sie auf den Hof seines Onkels holte. Nun musste wirklich eine Wirtschafterin ins Haus, damit der Vater nicht allein war.

      Als sich Uli nach einer Woche noch nicht gemeldet hatte, wurde Franzi unruhig. Wenn er länger im Österreichischen drüben blieb, als vorgesehen gewesen war, hätte er ihr doch einen Brief schreiben können, oder wenigstens anrufen. Doch das geschah auch in der nächsten Woche nicht.

      Dafür kam nach dieser Zeit Korbinian in den Rehwinkel. Als ihm Franzi auf den Hof zukommen sah, erschrak sie. Was sollte das bedeuten? Sie hatte Korbinian nicht wiedergesehen, seitdem er damals so niedergeschlagen fortgegangen war.

      Er kam auf sie zu. Seine Stimme klang belegt, als er sagte: »Grüß dich, Franzi. Komm, setzen wir uns dort auf die Bank, ich habe etwas mit dir zu reden.«

      »Willst du noch einmal versuchen, mich von Uli wegzubringen?«, fragte Franzi. Sie wirkte plötzlich unendlich traurig. »Es tut mir leid, Korbinian, aber …«

      »Sprich nicht weiter«, unterbrach er sie. Sie hatten sich inzwischen auf die Bank gesetzt. »Es geht um etwas anderes. Hast du eine Nachricht von Uli bekommen?«

      »Nein.«

      »Wir auch nicht. Deshalb hat mein Vater an seinen Bruder drüben geschrieben. Telefon hat der Onkel noch nicht. Heute ist die Anwort gekommen.« Korbinian machte eine Pause, ehe er weitersprach. »Uli ist bei unserem Onkel nicht angekommen.«

      Franzi sprang auf, doch sie ließ sich gleich wieder auf die Bank sinken, weil sie das Gefühl hatte, dass ihre Beine sie nicht mehr trugen. »Das kann nicht sein«, stieß sie hervor.

      »Es sind schon vierzehn Tage vergangen, seitdem sich Uli auf den Weg gemacht hat.«

      Korbinian nickte. »Ja, vierzehn Tage. Es muss ihm unterwegs etwas passiert sein. Ich war immer dagegen, dass er den gefährlichen Weg übers Gebirge nimmt, aber er war ja so sicher, dass ihm nichts passieren kann.«

      »Irgendwo abgestürzt?« Das fragte Franzi mit zitternder Stimme.

      »Anders kann es wohl nicht sein. Vater und ich haben die Polizei alarmiert, damit sie nach Uli sucht. Es tut mir leid, dass ich dir eine so schlechte Nachricht bringen musste, aber du wirst ja auch schon auf Ulis Rückkehr gewartet haben.«

      »Ja, von Tag zu Tag mehr.« Plötzlich griff Franzi nach Korbinians Händen. »Mein Gott, wenn Uli gleich am ersten Tag irgendwo abgestürzt ist, Korbinian, dann besteht doch jetzt keine Hoffnung mehr … Ach, ich kann es nicht zu Ende denken, geschweige aussprechen.«

      Korbinian stand auf. Er sah sehr hilflos aus. »Sobald wir etwas hören, sage ich dir Bescheid. Grüble nicht zu viel.« Er wandte sich ab und ging den Steig hinunter.

      Franzi lief zu ihrem Vater und berichtete ihm das, was sie von Korbinian hatte hören müssen.

      Der Vater nahm sie in die Arme. »Mir war schon die ganze Zeit so, als sei da etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen. Madl, wie soll ich dich trösten? Du hättest dich nie mit Uli einlassen sollen, dann bräuchtest du jetzt nicht um sein Leben zu zittern. Es war nicht recht von dir, mit Korbinian so einfach Schluss zu machen.«

      »Wirf mir doch das nicht gerade jetzt vor, Vater.« Über Franzis Wangen liefen Tränen. »Uli darf nichts passiert sein. Er ist so fröhlich und zuversichtlich hier weggegangen.«

      Es fiel Josef Feistauer schwer, seine Tochter etwas zu beruhigen. Sie konnte kaum ihrer Arbeit nachgehen, so verwirrt und beunruhigt war sie. Sie wartete auf Korbinian und hatte doch Angst vor seinem Kommen. Immer weniger glaubte sie daran, dass noch ein Wunder geschehen und Uli auftauchen könnte.

      Als drei Tage vergangen waren, rief der Vater sie, als sie gerade im Stall arbeitete. Draußen stand Korbinian. Sie forschte in seinem Gesicht, dann senkte sie den Kopf. »Du bringst keine gute Nachricht.« Ihre Stimme klang müde.