Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


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bedauernd, »weil ich von dem, was mein Onkel mir hinterlassen hat, auch nicht das kleinste Stück veräußern möchte. Aber vermieten will ich es gern«, setzte er rasch hinzu, als er die sichtliche Enttäuschung des alten Herrn bemerkte. »Sie können darin wohnen, solange es Ihnen gefällt, können ganz wie in Ihrem Eigentum darin schalten und walten. Nur eben, daß es später wieder an Waldwinkel zurückfällt.«

      Da hellte sich das Gesicht Hungolds wieder auf, und Frau Hungold, die um ihren Mann schon Angst ausgestanden, griff nach der Hand des Schloß­herrn.

      »Was sind Sie doch für ein guter Mensch, Herr Baron«, sagte sie leise. »Sie haben meinem Mann die Lust zum Leben wiedergegeben. Es sah trostlos bei uns aus.«

      »Mutterchen, nun sprich nicht mehr davon, das ist alles gewesen«, winkte der Gatte lebhaft ab. »Wir müssen jetzt erst über die Zahlungsbedingungen einig werden. Also, lieber Baron, ich zahle Ihnen freiwillig hundertfünfzig Mark Monatsmiete für das verwunschene Waldschlößchen; einverstanden?«

      »Na, hören Sie mal, Herr Hungold«, lachte Hellersen herzlich auf, »ich bin doch nicht etwa unter die Wucherer gegangen. Fünfzig Mark Monatsmiete und nicht einen Pfennig mehr.«

      »Das ist aber doch der reinste Hohn!« entfuhr es Hungold. »Für meine jetzige Stadtwohnung, die doch nur ein armseliger Steinkäfig im Vergleich zu dem Waldhause ist, zahle ich einhundert Mark im Monat und habe dafür nur die bloße Wohnung, nicht noch einen Stall und zwei Morgen Land dazu.«

      »Dafür wohnen Sie auch in der Stadt und nicht auf dem Lande, wo die Wohnungen immer billiger sind. Ich kann Ihnen doch nicht mehr abnehmen, als mir zukommt, Herr Hungold; da mache ich mich ja strafbar«, erklärte der Baron fest. »Also wer wird da wohl nachgeben müssen?«

      Papa Hungold brummte etwas vor sich hin, ging dann aber auf die Forderung ein.

      »Aber die Instandsetzung des Hauses bezahle ich«, behielt er sich vor, und damit war der Baron einverstanden. Man plauderte dann noch eine Weile, bis Hellersen seine Gäste in seinem Auto wieder zur Stadt bringen ließ.

      Edna verabschiedete sich bald.

      Die drei Herren saßen noch ein wenig zusammen.

      »Sag mal, Swen, was für ein sonderbares Benehmen zeigte Herr Hungold eigentlich wäh­rend der Vorstellung?« wollte Bolko wissen.

      »Das wirst du begreifen, wenn ich erkläre, daß Herrn Hungolds Tochter die geschiedene Frau des Alf von Unitz ist.«

      »Donnerkiel!« entfuhr es Bolko verblüfft. »Nun wird mir vieles klar. Man macht Gerswint dafür verantwortlich, daß die Ehe unglücklich wurde?«

      »So ähnlich.«

      Swen erzählte nun alles, was er vor einigen Stunden von Hungolds erfahren hatte. Als er geendet, schüttelte Bolko sich wie ein begossener Pudel.

      »Brrr, mir ist tatsächlich so zumute, wie dem Reiter nach einem Bodenseeritt. Das ist ja eine nette Gefahr, der meine Schwester und ich da entronnen sind. Weißt du, Swen, zum erstenmal bin ich froh, daß Onkel Leopold uns nicht zu seinen Erben eingesetzt hat. So sind wir den Netzen der Geschwister Unitz wenigstens entglitten. Aber meiner lieben Mama, die uns ja durchaus mit ihnen verheiraten wollte, das Geschick der Familie Hungold so recht ausführlich zu schildern, das soll mir eine Wonne sein.«

      *

      »Gnädige Frau, vor der Haus­tür stehen ein paar Leute, die durchaus zu uns kommen wollen!« meldete die biedere Frieda ganz aufgeregt; aber Frau von Hellersen sah sie mißbilligend an.

      »Frieda, daß Sie doch immer noch so unbeholfen sind. Wer sind sie denn, die mich zu sprechen wünschen?«

      »Ich denke, die aus dem Nachbarhaus.«

      »Und wo sind sie?«

      »Na, draußen vor der Tür.«

      »Es gibt Dinge, die Sie nie begreifen werden«, sagte Frau Elisa seufzend und beauftragte die bestürzte Frieda, die Besucher ins Wohnzimmer zu führen. Frieda war als Ersatz für Anna eingestellt worden.

      Einige Minuten später begrüßte sie dann die Familie Hungold, die gekommen war, um ihren Antrittsbesuch zu machen. Gern taten sie es zwar nicht; sie hatten hin und her überlegt, ob das überhaupt nö­tig wäre. Aber die Häuser lagen so dicht beieinander, daß ein Begegnen unausbleiblich war, also hieß es sich überwinden. Wenn die Familie Hellersen einem durchaus nicht zusagte, brauchte man ja keinen Verkehr zu pflegen.

      Und daß sie das nicht tun würden, stand sofort bei ihnen fest, als Frau Elisa ihnen gegenübertrat. Nein, das war keine Frau, mit der man warm werden konnte.

      Die junge Dame, die nun eintrat, mußte wohl Gerswint sein. Man begriff nicht, wie Alf von Unitz an so viel eisiger Unnahbarkeit hatte Gefallen finden können.

      Entzückend war das kleine Mädchen, das sich an die Mutter schmiegte. Aber das war ja auch noch ein Kind. Wenn es erwachsen war, würde es sicherlich genauso hochnäsig sein wie Mutter und Schwester.

      Es wurden die üblichen höflichen Redensarten gewechselt; ob man den Umzug gut überstanden, sich in die neuen Verhältnisse schon ein wenig eingelebt hätte, wie ihnen der neue Wohnsitz zusage und andere Dinge mehr. Die Besucher empfahlen sich bald.

      *

      Bolko von Hellersen trabte auf seinem Gaul gemächlich dahin. Es war ein heißer Tag im Juni und die Heuernte in vol­lem Gange. Es ging daher hoch her in dem Betriebe. Man hatte so stramm zu tun, daß man kaum zur Besinnung kam. Das war sehr schwer für Bolko; oft mußte er die Zähne zusammenbeißen, um durchhalten zu können; denn in sein Nichtstuerleben zurückkehren wollte er jetzt noch weniger als zu Anfang seiner Lehrzeit. Zu sehr noch hatte er die zermürbende Langeweile in Erinnerung. Die war noch schwerer zu ertragen als hetzende Arbeit. Außerdem machte er so gute Fortschritte, daß der wirklich nicht leicht zufriedenzustellende Gort kürzlich zu Swen geäußert hatte, sein Eleve wäre so rasch vorangekommen, daß er schon zur Not einen landwirtschaftlichen Betrieb leiten könnte, leichter und besser jedenfalls als mancher Landwirt. Bolko hatte es gehört. Das war ein Ansporn gewesen, der ihm die Arbeit leichter werden ließ. Und schließlich – die anderen arbeiteten doch auch und machten gar kein Aufhebens davon. Ihnen war die Arbeit überhaupt eine Selbstverständlichkeit. Swen war der Tüchtigste von allen, arbeitete unverdrossen tagaus, tagein und fühlte sich noch wohl dabei. Wie würde er wohl vor ihm dastehen, wenn er mutlos die Arbeit hinwerfen wollte? Nein, dann lieber weitergeschuftet; die Lehrjahre würden ja auch einmal ein Ende nehmen, dann kamen auch leichtere Tage für ihn.

      Er ritt zum Gutshof hin, wo er absaß und nach dem Schloß und in sein Zimmer eilte. Er mußte sich mit dem Umkleiden sehr beeilen, damit er zur Mittagstafel nicht zu spät kam; er war knapp fertig, als auch schon der Gong das Schloß durchhallte.

      Im Speisesaal war es angenehm kühl, und die vortreffliche Frau Widding ließ nur solche Speisen auftragen, die an heißen Tagen angebracht waren. Und nicht nur Edna allein sog nach Tisch mit großem Behagen durch den Halm an ihrem Eiskaffee, sondern auch die Herren ließen ihn sich gut schmecken, weil er sie erfrischte.

      Nach dem Essen bat Edna den Baron um ein Gespräch.

      »Schau, ich finde es so schön auf dem Lande, daß ich nicht mehr in der Stadt leben möchte. Wenn es durchaus nicht anders geht, dann müßte ich es ja. Aber glücklich und zufrieden könnte ich mich dort nimmermehr fühlen.«

      »Wer mir das vor einem halben Jahr gesagt hätte, dem hätte ich glatt ins Gesicht gelacht«, erklärte Hellersen kopfschüttelnd. »Aber ich freue mich über dich, Mädel, unbeschreiblich.«

      »Na, siehst du, Swen«, lachte sie verlegen. »Und daher wirst du verständig sein, wenn ich dir nun erkläre, daß ich umsatteln und mich als Wirtschaftslehrling unter Frau Minnas und auch Frau Widdings Fittiche begeben möchte. Nicht, weil ich meiner bisherigen Arbeit überdrüssig bin, sondern weil es die einzige Möglichkeit ist, was lernen zu können. Kannst du mir diesen Wunsch nicht erfüllen, dann will ich ohne Murren eine Lehrstelle in der Stadt annehmen. Alles will ich tun, Swen, alles, nur nicht wieder in die Ungemütlichkeit des Waldhauses zurückkehren.«