Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


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es sich mit Gerswint recht gut leben lassen würde. Launen schien sie nicht zu kennen; sie war immer gleichmäßig freundlich und entgegenkommend, war überhaupt eine vorbildliche Gattin. Bei ihr machte sich eben überall die Erziehung der Mutter bemerkbar, in der Selbstbeherrschung erstes Gesetz gewesen war. Wohl war sie von großer Zurückhaltung und ließ ihn nie einen Blick in ihr Inneres tun. Aber das wollte er ja auch gar nicht. Und wenn Gerswint immer so blieb, wie sie in den ersten sechs Wochen ihrer Ehe gewesen, dann wollte er wohl zufrieden sein.

      Es konnte sogar vorkommen, daß er seine zweite Frau mit der ersten verglich – und er konnte sich nicht helfen, der Vergleich fiel zugunsten Gerswints aus. Er wollte es zuerst kaum fassen, aber es war tatsächlich so: Die stolze Gerswint war anspruchsloser, als es die schlichte Ilse gewesen war. Mit allem, was er vorschlug und tat, war sie einverstanden; sie machte ihm auch nie Vorwürfe, wenn ein Unternehmen mißlang, kannte keine Ermüdung und hielt stets mit ihm Schritt, wenn er auch noch so große Strapazen von ihr forderte.

      Doch heute erhob sie sich, schritt zu dem Toilettentisch, blieb jedoch auf halbem Wege stehen – und sank mit einem Wehlaut zusammen.

      Ganz furchtbar erschrocken war der Mann, der nun zusprang, die weiße Gestalt auf seine Arme hob und sie auf den Diwan legte. Er holte Kölnisch Wasser und rieb ihr damit die Schläfen, da schlug sie die Augen wieder auf.

      »Gerswint, Liebstes, was machst du mir nur für Sorge!« sagte er angstvoll. »Ich werde sofort veranlassen, daß ein Arzt herkommt.«

      »Laß nur, Swen«, wehrte sie und hielt ihn am Ärmel zurück. »Ich brauche keinen Arzt, ich bin nicht krank. Nur so ein wenig müde und matt. Es wird ja bald vorüber sein. Verstehst du mich nicht, Swen?«

      Ja, jetzt verstand er, und in seinen Augen leuchtete es auf. Er setzte sich zu ihr, griff nach ihrer Hand, die sie ihm jedoch sogleich entzog.

      Sie sah ihn an – lange, unentwegt. Er wußte sich den Blick nicht zu deuten.

      Hörte auf nichts, was er sprach, so daß er schließlich ärgerlich wurde und das Zimmer verließ.

      *

      »Swen, was sollen wir eigentlich noch auf Reisen, wenn du mir alles und jedes verbietest«, sagte einige Tage später Gerswint zu dem Gatten, mit dem sie nach dem Essen noch ein wenig zusammensaß. »Du gestattest mir keine weiten Spaziergänge, besuchst keine Feste mit mir; ich weiß vor Langeweile überhaupt nicht mehr, was ich anfangen soll.«

      »Das klingt aus dem Munde einer jungen Frau, die sich auf der Hochzeitsreise befindet, ziemlich merkwürdig«, versetzte er spöttisch. »Es gibt doch noch genug Dinge, die dich unterhalten und dir nicht schaden können.«

      »Ich bin doch aber auf Reisen gegangen, um etwas zu sehen und mitzumachen. Im Schneckentempo spazierengehen, im Zimmer sitzen und lesen, auf dem Diwan liegen, das kann ich zu Hause alles doch besser und bequemer.«

      »Also willst du nach Hause fahren?«

      »Ja.«

      »Zehn Wochen wollten wir unsere Hochzeitsreise ausdehnen; jetzt sind gut sechs Wochen vergangen. Man wird sich zu Hause über unsere schnelle Rückkehr den Kopf zerbrechen.

      Na, egal, wie du willst. Ich will dich gewiß nicht zu etwas zwingen, das du nicht magst.«

      Er sprach höflich und kühl, wie auch seine ganze Haltung ihr gegenüber jetzt schon seit Tagen war. Gerswint jedoch war sich gleichgeblieben.

      »Du langweilst dich doch auch, Swen; gib es doch zu!« sagte die junge Frau lächelnd.

      »Gewiß, ich langweile mich.«

      »Na, also! Das ist ja auch kein Wunder. Für dich, der du an strenge Tätigkeit gewöhnt bist, muß es doch eine Qual sein, nichts weiter zu tun, als mir Gesellschaft zu leisten.«

      »Ich habe mich noch nie darüber beklagt, Gerswint.«

      »Nein, und wirst es auch nicht, soweit kenne ich dich nun schon. Zu Hause hast du deine Arbeit, und auch ich werde dort Beschäftigung finden.«

      »Gut, dann fahren wir morgen. Aber langsam und mit größeren Unterbrechungen.«

      »Einverstanden, du Tyrann«, lachte sie hellauf, was sehr selten geschah, ihn jedoch immer über die Maßen entzückte, weil es so ein weiches, von Herzen kommendes Lachen war.

      Am nächsten Tage reisten sie ab. Swen achtete scharf darauf, daß die Gattin nicht überanstrengt wurde; nach einigen Stunden Fahrt ordnete er immer eine Rast an. Gerswint wußte ganz genau, daß seine übertriebene Sorge nicht ihr galt; trotzdem aber widersprach sie nie, sondern fügte sich seinen Anordnungen ohne Murren.

      Nach drei Tagen langten sie zu Hause an und wurden von den Angehörigen freudig begrüßt. Hauptsächlich Ilsetraut war selig, ihre Mutter wieder bei sich zu haben, und Harras gebärdete sich wie toll über die Heimkehr Herrchens.

      »Du bist blaß und schmal, mein Kind«, sagte Frau Elisa, als sie die Tochter begrüßte. »Und Swen sieht aus, als hätte er eine Krankheit überwinden müssen. Ihr wart sicherlich zu eifrig, habt keine Sehenswürdigkeiten der bereisten Orte unbesehen lassen wollen und habt euch weder Ruhe noch Rast gegönnt.«

      »So wird es wohl sein, Mama«, gab Gerswint gelassen zur Antwort. »Jedenfalls bin ich glücklich, wieder zu Hause zu sein.«

      Wenn Gerswint jedoch angenommen hatte, daß der Gatte sich in Waldwinkel weniger um sie kümmern würde als auf der Reise, dann irrte sie sich. Er umsorgte sie in zarter Weise und wachte ängstlich über ihre Gesundheit. Gleich in den ersten Tagen nach ihrer Rückkehr hatte er Sanitätsrat Melch nach Waldwinkel gerufen. Der hatte die junge Frau untersucht und bestätigt, was die Gatten schon wußten. Hatte Verhaltungsmaßregeln erteilt, und nun wachte der Baron darüber, daß diese auch gewissenhaft befolgt wurden. Er nahm seine Pflichten sehr ernst.

      Soeben betrat der Baron das Wohnzimmer der Gattin. Sie saß an dem zierlichen Schreibtisch und war dabei, die Haushaltungsbücher zu prüfen. Bei seinem Erscheinen schob sie diese, wie bei einem Unrecht ertappt, hastig zur Seite und ging ihm mit gewohnter Gelassenheit entgegen.

      »Also, Gerswint, ich komme aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus«, bekannte er überwältigt. »Ich habe geglaubt, ein zimperliches Mäd­chen zu heiraten, das jeder Arbeit im großen Bogen aus dem Wege geht, und nun muß ich die Feststellung machen, daß du dich um alles kümmerst und dich als regelrechter guter Hausgeist entpuppst. Kind, wo hast du das bloß her?«

      »Angeboren, Swen«, gab sie schulterzuckend zurück.

      »Hm, ja, das ist ja alles ­hübsch und gut, ich freue mich auch riesig über deine Betätigung, bin aber dadurch in eine unangenehme Lage geraten.

      Schau mal, Gerswint, bevor ich dich näher kannte, habe ich natürlich angenommen, daß es dir nicht einmal im Traum einfallen würde, hier Hausfrauenpflichten und Mutterpflichten zu übernehmen. Und als mich Frau Widding kurz vor der Hochzeit fragte, ob sie sich nicht nach einer anderen Stellung umsehen müßte, da Waldwinkel ja nun in Kürze eine Herrin bekäme, da habe ich sie um ihr Bleiben gebeten.

      So ähnlich war es mit der alten Barbe. Die meinte, sie wäre jetzt, da Ilsetraut nun eine Mutter bekäme, doch ganz überflüssig hier geworden, und trug sich daher mit dem Gedanken, in ein Stift zu gehen. Nun hängt die Alte aber sehr an dem Kinde; ich weiß nicht, wie sie eine Trennung ertragen würde.

      Ach, Gerswint, ich weiß nicht, ob du mich verstehst?«

      »Nur zu gut, Swen. Und ich weiß nicht, warum du dich mit Dingen herumquälst, die doch so einfach zu lösen sind. Meinst du wirklich allen Ernstes, daß ich den Mut haben könnte, die alte Barbe von dem Kinde zu trennen? Ach, Swen, wie wenig kennst du mich doch! Ich werde schon den richtigen Ton der Alten gegenüber finden; da kannst du ganz ruhig sein. Ich werde ihr auch zu erklären wissen, wie nötig Ilsetraut sie immer noch hat. Ich kann mich ja nicht ständig um das Kind kümmern, und das kann wiederum bei seiner Lebhaftigkeit nicht ohne Aufsicht bleiben. Fräulein Herta kann sich auch nicht immer mit der Kleinen beschäftigen, da sie ja in erster Linie Elkes Lehrerin ist. Also wird es immer die alte Barbe sein, die das