Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


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die Mama dir etwa noch eine Summe zur Aussteuer mitgegeben?«

      Gerswint zögerte einen Augenblick lang, doch dann trat ein entschlossener Zug in ihr Gesicht.

      »Das nicht gerade«, versetzte sie ruhig. »Ich bekomme aber von Mama ein monatliches Taschengeld.«

      »So! Und warum, wenn ich fragen darf?«

      »Warum? Mein Gott, Swen, du mußt nicht so tun, als ob du so schwer von Begriff wärest. Muß ich denn wirklich in Worte kleiden, was nicht nur wir allein wissen, sondern was ein offenes Geheimnis ist?«

      »Ich bitte darum, da ich tatsächlich nicht weiß, was du meinen könntest.«

      »Swen, dir ist durch den Willen des Onkels eine Frau aufgehalst worden, die du dir aus eigenem Willen heraus nie und nimmer erwählt hättest. Trotzdem bist du gut und ritterlich zu dieser Frau, und dafür ist sie dir von Herzen dankbar.

      Ich hätte mich gegen das Gebot des Onkels ja auflehnen können; aber ich tat es nicht, weil wir Ortleffs ein stark ausgeprägtes Pflichtgefühl besitzen – wie ja die Hellersen auch.

      Ich wurde also deine Frau und habe damit Pflichten übernommen, denen ich auch gerecht werden möchte. Ich be­mühe mich, deinem Hause die Herrin zu sein, deinem Kinde die Mutter zu ersetzen, ich werde Waldwinkel den Erben schenken.

      Aber mein Leben, so mein eigenes, tiefinnerliches, das möchte ich doch allein leben. Und dazu gehört auch mein eigenes Geld.«

      Er taumelte auf, als habe sie ihn geschlagen. Sein Gesicht war aschfahl. Sie standen sich gegenüber wie Feinde.

      »Also, das bist du – richtig du, Gerswint Hellersen«, sagte er sehr langsam, sehr schwer. »Gut, daß ich nun weiß, woran ich bin. Wenn du dich auch in einem Jahr sehr verändert hast, hochmütig bist du geblieben.«

      »Warum hochmütig? Ich bemühe mich doch redlich, meine Pflicht zu tun, wie du auch.«

      »Pflicht, Pflicht und noch mal Pflicht!«

      Er starrte sie sekundenlang an, dann wandte er sich ab und stürmte hinaus. Eilte unverweilt in seine Zimmer, die er zuerst wie ein Wilder durchlief, um zuletzt in seinem Arbeitszimmer wie vernichtet in einen Sessel zu sinken.

      Das war es also, woran er herumgerätselt hatte! Kurz, knapp und klar war ihm die Lösung nun ins Gesicht geschleudert worden: Pflicht!

      Natürlich, das war ja so einfach zu erklären. Auch daß ihm darüber das Herz fast in Stücke gehen wollte. Das war ja so einfach.

      Jetzt erst wurde ihm zur Gewißheit, was er zuerst mit ungläubigem Staunen unklar gefühlt hatte. In dieser Minute erst wurde es ihm mit vernichtender Deutlichkeit klar, jetzt, da ihm alles zerschlagen war: Er liebte seine schöne, spröde Frau, liebte sie mit aller seiner Mannessehnsucht. Er hatte sich an ihrer Schönheit, an ihrer köstlichen Reinheit Herz und Seele verbrannt.

      Stöhnend barg er das Gesicht in den Händen.

      *

      Man aß heute zeitig, denn schon um 15 Uhr sollte die Trauung in der Kapelle stattfinden. Von der standesamtlichen Trauung war das junge Paar schon zurück, und Ellen befand sich im Hause ihrer Eltern, aus dem Bolko sie zum Altar führen wollte.

      Es hatte niemand so rechten Appetit, weil sie alle erregt waren.

      Man hatte Edna den Sekretär als Brautführer gegeben.

      Es wurde wirklich eine unvergleichlich stimmungsvolle Trauung. Der nur mit weißem Christbaumschnee geschmückte Baum sah aus, als hätte man eine schneebedeckte Tanne aus dem Walde geholt, in die Kapelle gestellt und mit Kerzen besteckt. Die Braut davor sah in ihrem schneeigen Hochzeitskleide wie ein Weihnachtsengel aus.

      Nach der Trauung gab es nur ein kleines Essen und hinterher die Bescherung der Gutsleute. Zwischendurch wurde ein Imbiß gereicht; anschließend kam dann die Bescherung im engsten Kreise.

      Die ganzen Vorbereitungen dazu hatte Gerswint getroffen, nur den Diener Christian hatte sie dabei zur Hilfe gehabt. Aber was sie da in dem großen Saale geschaffen, übertraf jede Erwartung.

      Die hohe Tanne, die hier stand, war im Gegensatz zu der weißgeschmückten in der Kapelle von köstlicher Buntheit. Gerswint hatte an die beiden Kinder gedacht, als sie den Baum schmückte, und Dinge darangehängt, die ein Kinderherz und -auge entzücken mußten.

      Da gab es leuchtendbunte Schaumkugeln, glitzernde Ketten, Lametta und Engelshaar, rotwangige Äpfel, vergoldete Nüsse, Naschwerk aller Art und Kerzen, Kerzen ohne Zahl.

      Dazu war der Saal weihnachtlich geschmückt, und die Geschenke waren geschmackvoll aufgebaut.

      Nicht nur Elke und Ilsetraut standen beim Betreten des Saales wie gebannt da, auch die Erwachsenen fühlten sich von einer wundersamen Stimmung ergriffen. Ihre Blicke hingen an Gerswints weißgekleideter Gestalt am Harmonium. Sie wirkte heute überaus zart und holdselig.

      Mit so viel Andacht hatte man selten das alte Weihnachtslied gesungen, und erst der Jubel der Kinder, mit dem sie ihre Geschenke begrüßten, brachte die andern in die Wirklichkeit zurück. Auch bei der Auswahl der Geschenke hatte Gerswint sich selbst übertroffen. Sie hatte Lieblingswünsche erlauscht und sie zu erfüllen versucht, soweit es nur in ihrer Macht stand. Sie konnte sich jetzt kaum des Dankes, mit dem die Beschenkten sie überschütteten, erwehren, hatte wieder ihr entzückendes Schelmenlächeln im Gesicht, das alle bezauberte.

      Eben stand sie bei Roger Wieloff und lächelte zu ihm auf.

      »Nun, Herr Wieloff, hoffentlich habe ich das Rechte für Sie getroffen?«

      »Frau Baronin, ich bin einfach überwältigt. Ich weiß nicht, womit ich so viel Gunst verdient habe. Meine sämtlichen Lieblingswünsche sind erfüllt.«

      Voll Verehrung beugte sich der schmale Männerkopf über die feine Hand.

      Gerswint schritt weiter, blieb bei dem Gatten stehen, der ihr mit so seltsam flimmerndem Blick entgegensah. In seinen Augen stand keine Freude.

      »Mach ein anderes Gesicht, Swen! Es paßt nicht zu all der Freude ringsum«, lächelte sie. »Du und Edna, ihr zeigt wahre Trauermienen. Und heute ist doch nicht nur Weihnachten, sondern auch Hochzeit. Oder habe ich irgend etwas verkehrt gemacht? Dann ließe sich deine Verstimmung allerdings erklären.«

      »Ich habe noch nie ein so stimmungsvolles Weihnachtsfest verlebt, Gerswint.«

      »Dann bin ich zufrieden, Swen. Du weißt, ich bin stets bestrebt, dir dein Heim so behaglich wie möglich zu machen. Um so ein wenig die Dankesschuld abzutragen, die ich dir gegen­über habe.«

      Sie lächelte ihn an, schritt weiter, und er sah ihr mit düsteren Blicken nach. Dankbarkeit und Pflicht – das waren zwei Dinge, die diese Frau sehr ernst nahm. Er sollte eigentlich froh sein, daß es so war, sollte sich nicht mit unsinnigen Wünschen zerquälen. Das Leben erfüllt nun mal nicht alle Wünsche. Und er konnte sich doch wahrlich nicht beklagen, daß er vom Schicksal vernachlässigt wurde. Ihm fiel doch förmlich alles in den Schoß, was andern Sterblichen nie zuteil wurde.

      Seufzend wandte er sich wieder seinen reichen Geschenken zu. Aber ihm selbst unbewußt, irrte sein Blick gleich wieder ab und suchte die Gattin, die jetzt bei Edna stand. Sie hatte den Arm um die Schultern der Schwester gelegt, die den Kopf tief gesenkt hielt. Langsam trat der Baron zu den Schwestern heran und bemerkte jetzt auch, wie blaß das Mädchen war.

      »Edna, Kind, bist du krank?« fragte er besorgt. Doch sie schüttelte den Kopf.

      »Nein, Swen. Ich weiß nicht, was ihr von mir wollt. Eben hat Gerswint mir die gleiche Frage gestellt.«

      »Ja, Mädel, wenn eine so miesepetrig aussieht wie du, dann muß man doch wohl annehmen, daß dir irgend etwas fehlt. Anstatt daß deine Augen heute mit den Kerzen um die Wette strahlen…«

      »Das tun die des jungen Paares schon für mich mit«, spottete sie, und Swen mußte lachen.

      »Allerdings, da hast du recht. Schrecklich verliebt sind die Leutchen. Ich glaube, sie sehen nur sich, alles andere