in Hand bummelten die Verliebten durch Freiburgs Gassen, in denen sich an diesem schönen Sommerspätnachmittag die Menschen aneinander vorbeidrängten. Immer wieder mussten sie anderen ausweichen. Dann drückte Christian seine Traumfrau schnell noch fester an sich, und sie lachten, wenn sie dabei beide das Gleichgewicht verloren.
Genervt von dem Besucherstrom, fuhren sie schließlich mit Christians Wagen in ein Gartenlokal, das in den Wiesen vor den Toren Freiburgs lag. Hier ging es wesentlich ruhiger zu, und die Luft war angenehm leicht. Eine freundliche Kellnerin bediente sie, das einfache Essen schmeckte köstlich, und sie unterhielten sich, ohne dass Langeweile zwischen ihnen Platz gehabt hätte. Lange blieben die beiden auf der Bank sitzen und vergaßen die Zeit. Angela lehnte den Kopf an Christians Schulter, mit geschlossenen Augen. Sein Atem strich durch ihr Haar.
Allein seine bloße Anwesenheit schon flößte ihr Staunen ein. War das die Liebe, von der die Romane oder Filme erzählten? Bei seinen Berührungen erschauerte sie. Der Sturm tief in ihr, die Empfindlichkeit, die köstlichen Spannungen in ihrem Bauch, das schmerzliche Verlangen nach ihm … Welch neue köstliche Gefühle. Sie konnte kaum atmen. Es war, als würde sie durch den Nebel ihrer Träume und Wünsche gleiten, hinter dem die Erfüllung ihrer Hoffnungen wartete. Tief atmete sie den Duft der Blumen in den Kästen am Gartenzaun ein, sah der untergehenden Sonne zu, deren Licht langsam von der Dunkelheit verschluckt wurde, entdeckte die ersten Sterne am Himmel und dachte, dass es nun Zeit sein würde, sich auf den Heimweg zu begeben.
»Hast du Lust, noch mit zu mir zu fahren?«, fragte Christian mit weich klingender Stimme in ihren Gedankenflug hinein.
»Auf den berühmten Kaffee?« Verschmitzt lächelte sie an.
Sein Lachen klang warm und kam tief aus seinem Bauch. »Kaffee und Briefmarken habe ich tatsächlich anzubieten, aber eigentlich möchte ich dir nur zeigen, wo und wie ich lebe.«
Sie wusste inzwischen, dass er nach dem Tod seiner Großeltern väterlicherseits in deren altes Schwarzwaldhaus außerhalb der Stadt gezogen war. Und dass er dieses aufwendig restauriert hatte.
»Liegt es weit von hier?«, erkundigte sie sich, wieder mit der Uhr vor ihrem inneren Auge. Am nächsten Morgen musste sie früh aufstehen.
»Schau mal …« Christian zog sie näher zu sich heran, legte seine Wange an ihre und zeigte mit dem Arm über die Wiesen. In dem schwindenden Licht des Tages konnte sie in der Ferne am Wiesenrand gerade noch ein Haus entdecken.
»Dort hinten?«, fragte sie erstaunt. »Das Haus am Wald, das ganz allein dort steht?«
Er nickte mit stolzer Miene und meinte mit seinem Naturburschencharme: »Alles mein.«
Sie lachten.
»Ja, das möchte ich mir gern ansehen, auch wenn es schon spät ist.«
»Du kannst auch bei mir übernachten«, bot er ihr an. »Ganz züchtig. Ich habe zwei Gästezimmer.«
Sie lächelte ihn an mit all der Herzlichkeit, die sie für ihn empfand. »Nein, danke, ich muss morgen in der Früh wieder zu Hause sein.«
»Vielleicht doch lieber noch ein bisschen früher, oder?« Verschmitzt zwinkerte er ihr zu. »Von Claudia weiß ich, dass du deiner Schwester vor der Schule das Frühstück machst und die Tankstelle schon früh öffnest.«
Christian hatte ihre Aufgaben zu Hause ganz sachlich erwähnt. Und dennoch. Zum ersten Mal wurde ihr so richtig bewusst, dass Jenny sich ihr Frühstück durchaus selbst machen und ihr Vater die Tankstelle auch mit einem Arm aufschließen konnte. Zumal sie ja nur einen kleinen Betrieb besaßen, ohne frische Brötchen oder sonstige Snacks, die hätten vorbereitet werden müssen.
Diese Erkenntnis traf sie so schlagartig, dass sie nicht wusste, was sie auf Christians Feststellung erwidern sollte.
»Ich weiß nicht …«, sagte sie schließlich. Dann schüttelte sie energisch den Kopf. »Nein, ich kann heute Abend nicht so einfach wegbleiben. Ich müsste vorher Bescheid sagen.«
Christian nickte mit verständnisvoller Miene, strich ihr zärtlich über die Wange und liebkoste mit liebevollem Blick ihr Gesicht.
»Möchtest du trotzdem auf dem Weg zurück zum Parkplatz einen Schlenker über mein Zuhause machen?«
*
Angelas erster Eindruck beim Betreten des ehemaligen Bauernhauses war, dass sie sich in Christians Heim wohlfühlte. Und ihr zweiter: Hier würden Kinder ein Paradies auf Erden haben.
Es gab viel Raum unter dem für Schwarzwaldhäuser typischen tief gezogenen Dach. Die Einrichtung war gemütlich, aber noch ein bisschen spärlich, was einer Frau wiederum Möglichkeiten bot, einen eigenen Stil hineinzubringen. Rundum in Wiesen eingebettet, strahlte Christians Haus Ruhe und Idylle aus. Und Sicherheit für Kleinkinder, anders als bei ihr zu Hause in Ruhweiler direkt an der Landstraße.
»Wunderschön hast du es hier«, sagte sie zu dem Hausherrn, nachdem er ihr sein Reich gezeigt hatte.
Sie standen im Flur neben einer alten, kunstvoll geschnitzten Truhe.
»Ich freue mich, dass es dir gefällt.« Sein sanfter Tonfall brachte sie fast um den Verstand und ließ ihre guten Vorsätze, schnell wieder zu fahren, dahinschmelzen.
Sie schmiegte sich an ihn. Im nächsten Moment presste er die Lippen auf ihre, sodass sie nicht protestieren konnte. Er küsste sie so verführerisch, dass sie die Zeit vergaß. Unter ihren Händen spürte sie seine Muskeln und seine samtweiche, schön getönte Haut. Ihr Herz pochte schneller bei dem Ansturm der Gefühle, der in ihrem Innern tobte. Sie nahm nur noch Christians frischen Duft wahr, seine Körperwärme, seine Leidenschaft. Während er sie in seinen Armen hielt, war ihr zumute, als würde sie sich in Schwindel erregender Höhe befinden, jedoch dort oben an einem sicheren Ort, wo ihr nichts passieren konnte. Christians Arme würden sie halten.
Dieses gewaltige Glücksgefühl machte sie stumm. Außerdem waren da seine Lippen, die wieder mit ihren zu spielen begannen. Sie seufzte und erwiderte voller Sehnsucht seine Küsse. Dabei durchflutete sie das Gefühl tiefster Verbundenheit und Nähe.
Mitternacht war längst vorbei, als Angela die serpentinenreiche Straße hinauf nach Ruhweiler fuhr. Sie fühlte sich so gut wie lange nicht mehr. Doch je näher sie ihrem Zuhause kam, desto lauter meldete sich tief in ihr eine Stimme, die sie fragte: Und wie soll das jetzt weitergehen mit euch beiden? Hast du überhaupt Zeit für eine feste Beziehung? Was werden deine Eltern dazu sagen, falls du irgendwann einmal zu Christian nach Freiburgs ziehen möchtest?
Sie befahl dieser Stimme zu schweigen. Mit den Antworten auf diese Fragen wollte sie sich frühestens morgen auseinandersetzen. Jetzt war sie nur noch müde, herrlich glücklich und vollkommen beschwerdefrei.
Ihr letzter Gedanke kurz vorm Einschlafen galt dem Landdoktor.
Sie beschloss, ihn am nächsten Tag aufzusuchen.
*
»Angela!«, rief Matthias Brunner erstaunt aus, als Schwester Gertrud ihm die junge Frau als erste Patientin an diesem Morgen in sein Sprechzimmer führte. »Ist etwas mit deiner Mutter?«
Sofort bereute er diese Frage.
Als ob im Hause Häferle alles nur um Monika Häferle gehen musste. Das blasse Gesicht der jungen Frau verriet ihm, dass Angela dieses Mal nicht bei ihm war, um ein Rezept für ihre Mutter zu holen. Heute Morgen ging es um sie selbst.
»Setz dich.« Er zeigte auf den Patientenstuhl vor seinem Schreibtisch. »Was kann ich für dich tun?«
»Also …« Sie holte sichtbar tief Luft. »Ich bin nicht wegen Mutti hier, sondern wegen mir«, leitete sie das Gespräch ein. »Obwohl es zu Hause schon Krach deswegen gegeben hat, weil ich, statt in der Tankstelle an der Kasse zu stehen, zu Ihnen gefahren bin«, fuhr sie mit wehem Lächeln fort, um dann gleich darauf hinzuzufügen: »Aber das wird ja nicht lange dauern.«
Er lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück.
»Das werden wir sehen«, entgegnete er, froh darüber, dass die junge