Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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im Jenseits nicht vergessen werden.«

      Nach diesen Worten legte er die Hände wie zum Segen auf den Scheitel Witikos.

      »Hoher Herr«, sagte Witiko, »ich danke Euern Worten. Was ich getan habe, das habe ich nicht des Lohnes wegen getan, sondern weil ich meinte, daß es gut sei. Und darum habe ich es mit Liebe getan, die sich zur Liebe gegen Euch gesellte. Jedes Glück, das mich findet, ist eine Gnade des Herrn, und das Glück im Walde ist meinem Herzen lieber als das Glück anderswo.«

      »Lasse die Liebe zu mir dauern, Witiko, wie die meinige zu dir dauert«, sagte Zdik, »genieße die Ruhe nach dem Ritte, und zeige mir morgen wieder dein Angesicht.«

      Dann wendete er sich zu den Dienern, und sagte: »Weise einer dem Ritter seine Schlafstelle.«

      Ein Diener schickte sich zum Gehorchen an.

      »Habt gute Ruhe, hochehrwürdiger Herr«, sagte Witiko.

      »Du auch, mein Sohn«, sagte Zdik.

      Darauf ging Witiko mit dem Diener aus dem Gemache.

      Der Diener führte ihn über den erleuchteten Gang, dann über eine Treppe hinauf zu einer großen Eichentür.

      Sie gingen durch die Tür in ein Vorgemach. In dem Vorgemache saßen zwei Diener und Raimund.

      »Diese Männer sind zu Euern Diensten, hoher Herr«, sagte der, welcher Witiko geleitet hatte, und entfernte sich.

      Die Diener in dem Vorgemache erhoben sich.

      Witiko sagte zu Raimund: »Folge mir.«

      Raimund erhob sich auch von seinem Sitze.

      Witiko ging mit ihm von dem Vorgemache in ein zweites kleineres Vorgemach, in welchem ein Lager bereitet war, das er als das Nachtlager Raimunds erkannte. Dann gelangte er in ein Speisezimmer, in welchem der Tisch zum Abendessen gerüstet war. Aus dem Speisezimmer kamen sie in ein Gemach, in welchem Waffen und schöne Kleider waren. Und neben diesem Gemache befand sich das Schlafzimmer für Witiko. In allen Gemächern brannten Lichter.

      »Nun hast du unsere Wohnung gesehen, Raimund«, sagte Witiko, »jetzt folge mir in den Stall.«

      Er lehnte das Geleite eines Dieners ab, und führte Raimund in den Stall.

      Dort sahen sie nach den Pferden, und gingen dann wieder in ihre Gemächer.

      Witiko ging mit Raimund in das Kleiderzimmer, dort setzte er sich nieder, nahm die Lederhaube von seinem Haupte, und strich sich die blonden Haare zurück.

      »Siehe, Raimund«, sagte er, »nun ist die Mühsal überstanden. Sie haben uns in dieser kirchlichen Burg schöne Zimmer gegeben, und werden auf den Tisch bald Speisen stellen, die uns wohltun werden, und auf den guten Lagern wird die Ruhe gut sein.«

      »Über mich aber wird harte Strafe kommen«, sagte Raimund.

      »Warum wird Strafe kommen?« fragte Witiko.

      »Ich habe dem hochwürdigsten Bischofe mein Pferd zu halten gegeben, und habe ihm gar den Strick des Diebes in die Hand gegeben«, antwortete Raimund. »Ihr habt mich nicht belehrt, und ich habe ihn nicht gekannt; denn das braune Gewand ist schlechter gewesen, als die weiten Gewänder, die sie im innern Lande tragen, es ist auch schlechter gewesen als das andere braune Gewand, das der Mann angehabt hatte, der Euch den Schwertgürtel des Herzogs und Eure andern Dinge in den obern Plan gebracht hat. In der großen Stadt Nürnberg hat der hochehrwürdigste Bischof ein veilchenblaues Kleid gehabt und eine goldene Kette und ein goldenes Kreuz und eine schöne Haube und einen gekräuselten Bart. So hätte ich ihn gekannt. Und in dem Hause, wo wir zur Nachtherberge waren, habe ich ihm die besten Speisen weggegessen.«

      »Und was hättest du denn getan, wenn du ihn gekannt hättest?« fragte Witiko.

      »Ich wäre auf die Knie gefallen, und hätte zu Martin und Lucia gesagt, daß sie auch auf die Knie fallen«, antwortete Raimund.

      »Und hättest ihn verraten«, sagte Witiko, »du hast ihm gedienet, weil du ihn nicht gekannt hast. Der Herr des Waldhauses, in welchem wir eine Nacht gewesen sind, hat ihn gekannt, hat ihn unter die Knechte gesetzt, und hat ihm so geholfen; denn der hochehrwürdige Bischof mußte auf der Flucht aus unsern Ländern sein, weil ihm dort Menschen nach Leib und Leben trachten.«

      »Und trifft diese nicht ein fallender Baum oder die Strafe Gottes?« fragte Raimund.

      »Es kann sein«, antwortete Witiko, »es kann aber auch sein, daß ihnen noch Frist gegeben werde.«

      »Mir wird der hochwürdige Bischof alles nachtragen, was ich gegen ihn getan habe«, sagte Raimund.

      »Er wird dir es nachtragen, daß er dir einen Lohn gibt«, antwortete Witiko, »du aber gedenke, wenn du wieder mit deinesgleichen bist, daß du ihnen nicht die besten Speisen wegissest.«

      »Ich bin so hungrig gewesen«, sagte Raimund, »er wird immer daran denken.«

      »Er denkt an vieles, aber an dieses nicht«, antwortete Witiko.

      »Sagt es ihm«, sprach Raimund.

      »Ich werde es tun«, antwortete Witiko.

      Nun schwieg Witiko, und Raimund blieb vor ihm stehen.

      Nach einer Zeit kamen Speiseknechte, brachten Speisen und Wein, und stellten alles auf den Tisch in dem Speisegemache.

      Witiko erhob sich, befahl Raimund, ihm zu folgen, und ging in das Speisegemach hinaus. In demselben setzte er sich an den Tisch, und hieß Raimund sich zu ihm setzen, und mit ihm essen, und der Herr und der Knecht aßen an dem Tische der Bischofsburg, und die Diener walteten an ihnen ihres Amtes. Als sie gegessen und getrunken hatten, stand Witiko auf, ließ die Speiseknechte die Reste des Mahles fort tragen, und sagte zu Raimund, daß er in seine Kammer schlafen gehe, zu den Dienern, daß sie in allen Gemächern außer in seinem Schlafgemache die Lichter auslöschten. Dann ging er in das Schlafgemach, schloß es zu, zündete die Nachtlampe an, löschte die andern Lichter aus, entkleidete sich, und legte sich auf sein Lager.

      Da es Morgen geworden war, sorgte Witiko mit Raimund für die Pferde, dann gingen sie wieder in ihre Wohnung, und verzehrten ein Frühmahl, das ihnen die Speiseknechte gebracht hatten.

      Als die Sonne an dem Himmel leuchtete, erschollen die Glocken in dem Münster der Bischofstadt. Witiko und Raimund gingen in den Hof der Burg, und von dort durch das offene Pförtchen in das Freie. Da waren viele Menschen, die harrten, den Bischof in die Kirche reiten zu sehen. Witiko und Raimund blieben unter den Menschen stehen.

      Da eine Zeit vergangen war, hörte man Stangen und Riegel an dem Tore der Bischofburg rasseln, und Hans, der schön gewappnet war, und andere schön gewappnete Männer öffneten die beiden Flügel des Tores, und blieben an ihnen stehen.

      Die Menschen drängten sich gegen die offene Wölbung. Odilo erschien mit seinen Untergebenen. Er war in schönen Gewändern, und trug einen schweren Stab in der Hand, mit dem er die Menschen zurück wies.

      Sie erzählten sich wechselweise, daß ein Kardinal aus Rom gekommen sei, daß in der Nacht der Schenke und der Marschalk gekommen seien, und daß ein sehr schöner Kirchengang sein werde.

      Da sie sprachen, kam der Zug vom Hofe durch das Tor heraus.

      Zuerst ritten bischöfliche Männer, dann ritten Männer, die nach Peilstein und Hagenau dienstbar waren. Dann ritten in hellen Platten und schönen Pelzverbrämungen die Herren Marquard von Wesen, der Schenk des Hochstiftes Passau, und Chunrat von Heichenbach, der Marschalk des Hochstiftes Passau. Ihnen folgten einige ihrer Dienstmannen. Dann ritten Dienstmannen anderer Herren. Dann kamen die zwei Bischöfe auf weißen Zeltern. Sie waren in veilchenblauen Gewändern, und die Kreuze waren aus Gold und Edelsteinen. Zdik ritt an der rechten Seite des Bischofes Regimbert. Das Volk warf sich auf die Knie, und die Bischöfe gaben den Segen. Hinter den Bischöfen kamen Priester und Herren, die in den bischöflichen Ämtern waren, dann priesterliche Schüler und Diener der Kirche. Dann wurde in einer Sänfte die Schwester des Bischofes von Passau getragen, die edle Frau Anna von Peilstein und Hagenau. Sie war in roten Sammet gekleidet, und neben