Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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      Als der Zug vorüber war, eilten die Menschen in die Kirche, um der heiligen Handlung beizuwohnen.

      Raimund erhob sich auch von der Erde, und Witiko ging mit ihm in die Kirche.

      Es sammelten sich in diesen Stunden noch mehrere Ritter und Männer des Bischofes in der bischöflichen Burg.

      Am Mittage war in dem großen Saale ein Mahl, und Herren und Ritter und Frauen und Jungfrauen und Priester und Dienstmannen waren an dem Tische. Witiko war auch dazu gerufen worden, und saß neben Rudolph dem Steiner.

      Nach dem Mittagmahle waren an dem Innflusse einige Waffenspiele.

      Am Nachmittage, da Witiko mit dem Knechte Raimund in seine Wohnung gegangen war, kam ein Diener des Bischofes zu ihnen, und sagte, er bringe von dem hochehrwürdigen Bischofe von Olmütz ein Geschenk an den Knecht des jungen Ritters. Er nahm bei diesen Worten ein Beutelchen von rotem Leder aus seinem Wamse, und reichte es an Raimund. Dann entfernte er sich wieder. Raimund öffnete das Beutelchen, und fand zehn Goldstücke darinnen. Witiko deutete ihm den Wert der Goldstücke, und sagte, er möge diese Menge des Geldes gut bewahren. Raimund versteckte das Beutelchen an der innern Seite seines Wamses, und band es dort an.

      Am Abende kam Rudolph der Steiner zu Witiko, führte ihn in eine Stube der Burg, und sie erfreuten sich dort mit andern jungen Rittern an Wein und an mancherlei Scherzen.

      Und alle Tage ritten nun die Bischöfe in die Kirche, um dort das Meßopfer zu feiern. Wenn Zdik zurückgekommen war, legte er in seiner Wohnung ein härenes Gewand an. Nach einiger Zeit kamen Dienstmannen des Bischofes Zdik nach Passau, und brachten auf Saumtieren Dinge, die zu dem Eigentume des Bischofes gehörten.

      An einem Tage wurde eine Jagd abgehalten. Dazu kamen Marquard von Wesen, der Schenk des Hochstiftes Passau, Otto von Aheim, der Kämmerer des Hochstiftes von Passau, Chunrat von Heichenbach, der Marschalk des Hochstiftes Passau, Heinrich von Tannenbach, der Truchseß des Hochstiftes Passau, dann Cholo von Wilheringen, Werinhart von Martspach, Calhochus von Valchenstein, und andere Ritter und Kriegsherren. Die Bischöfe ritten mit Hüfthorn und Speer auf dem linken Ufer der Donau hinunter. Witiko war im Geleite des Bischofes Zdik. Dienstmannen, Edelknechte, Knechte, Jagdmeister und Hundemeister waren am Ende des Zuges. Sie ritten an hohem Waldlande, das mit dichten Bäumen jäh von dem Wasser empor stieg, dahin.

      Der Bischof Zdik sagte zu Regimbert: »Das ist ein sehr schönes Gehege.«

      »Es geht viele Wegestunden an dem Strome bis Aschach dahin, wo die Brüder von Jugelbach die zwei Burgen bauen wollen«, antwortete der Bischof von Passau. »Der Wald da neben uns steigt hoch hinan, und geht dann in Absätzen immer höher bis zu dem Lande Böhmen fort, wie es an dem Wege ist, auf dem du zu mir gekommen bist. Oben ist es vielfach gereutet, und es stehen Ortschaften und Burgen da. Von den Burgen sind manche dem Hochstifte noch nicht unterworfen. Wir suchen aber zu erwerben, und die Kirche zu verstärken. Unser Gericht Velden ist vor kurzer Zeit wieder ausgedehnt worden. Dort sitzt der Gaurichter, und hält die Dinge zum Urteile. Wir geben den Insassen mehr Rechte als die weltlichen Herren. Füchse und Hasen darf sich jeder nehmen, für einen Marder und Iltis bekommen sie Geschenke, wer einen Wolf bringt, darf sich einen Hirsch erlegen, und die Bauern haben drei Haghackenwürfe weit von ihrem Felde in den Wald hinein das Holzrecht.«

      »Und wenn ihr noch manches zuwendet, so werden die Fluren ein höheres Gedeihen und einen größeren Reichtum gewinnen«, sagte Zdik.

      »Der Krummstab soll segenreicher sein als das Schwert«, entgegnete der Bischof von Passau.

      »Und möge sich im Glauben noch alles mehr mildern und sänftigen«, antwortete Zdik.

      Und als sie so gesprochen hatten, erscholl das Hüfthorn zur Versammlung, und sie ritten in den Wald empor zu der Jagd.

      Ein anderes Mal war ein Jagen auf dem Gebiete der Grafen von Formbach und von Neuenburg.

      Es war auch ein Kirchenfest bei Konrad, dem Erzbischofe von Salzburg.

      Als vierzehn Tage vergangen waren, seit Witiko sich in der bischöflichen Burg befand, meldete er sich zur Abreise. Er verabschiedete sich bei den Bischöfen und bei den älteren und jüngeren Herren der Burg. Die Bischöfe gaben ihm schöne Gewänder und Gold zum Geschenke. Er gab den jüngeren Rittern Geschenke, und sie gaben auch ihm Geschenke.

      Am anderen Tage, ehe noch die Menschen in der Stadt ihren Geschäften nachgingen, und die Tore und die Fensterläden geöffnet waren, ritt er mit Raimund über die schwache Anhöhe zu der Donau hinab. Saumpferde mit seiner Habe folgten. Auf dem Wasser stand an dem Ufer ein schöngebordetes Schiff. Es hatte eine grüne Farbe und einen roten Schnabel. Auf dem Schiffe stand ein Haus von einer andern grünen Farbe und mit roten Zieraten. Es wurden Güter auf das Schiff geladen, und Menschen gingen auf dasselbe. Witiko und Raimund ritten zu dem Schiffe, stiegen von den Pferden, führten die Pferde über eine Brücke in das Schiff, brachten sie dort in ein Gelaß, in dem Borne und Heuleitern waren, und halfterten sie an. Dann wurde Witikos Habe in das Schiff geladen. Hierauf setzten sich Witiko und Raimund auf eine Bank, die auf dem Dache des Schiffhauses nach der Länge dahin ging. Als die Güterladung vollendet war, und alle Menschen sich auf dem Schiffe befanden, wurde die Brücke abgetragen, die Taue gelöset, und die Schiffer drückten mit Stangen den Schnabel vom Ufer. Als der Schnabel von dem Fahrwasser gefaßt worden war, wendete sich das Schiff, und glitt auf dem Wasser hinunter. Die Steuermänner walteten auf ihrem Gerüste mit dem langen Baume des Steuers, und die andern Ruder wurden in das Wasser gesenkt, und trieben das Schiff vorwärts. Es fuhr an den Häusern der Stadt vorüber, an der Mündung der schwarzen Ilz vorüber, und in das breite Wasser hinunter, wo sich die Flüsse Inn und Donau berührten. Die Stadt Passau rückte zurück, der klippige Ilzberg rückte zurück, und das Schiff ging in die Waldschlucht nieder, in welche Witiko mit den Bischöfen zur Jagd geritten war. Es war lauter Wald ohne eine lichte Stelle. An den Ufern waren Streifen Wiesen und Felder, und es stand hie und da ein Haus. Auf den Waldhöhen war manche Burg. Die Augen aller Menschen sahen auf die Burg Martspach, in welcher der Ritter Werinhart wohnte. An dem andern Ufer stand in der Niederung auf einer grünen Wiese das Haus Marquards von Wesen, des Schenken des Hochstiftes Passau. Wo die obere und die untere Mihel in die Donau mündeten, waren feste Gebäude. Das rotschnablige Schiff fuhr beinahe den ganzen Tag in der Schlucht fort. Als die Sonne schon gegen den Abend neigte, kam es mittagwärts in ebnes Land hinaus. Man sah hier in der Ferne die Alpenberge, wie sie Witiko von dem Walde des heiligen Thomas erblickt hatte. Wo die Waldschlucht endigte, war der Ort Aschach. Es wurde hier das Schiff an das Ufer gelegt. Es wurde die Wassermaut gezahlt, es wurden Waren ausgeladen und eingeladen, und Menschen gingen aus dem Schiffe, und andere kamen wieder auf dasselbe. Dann fuhr man weiter gegen breite Auen hinab. Man fuhr zwei Stunden zwischen den Auen fort. Dann kamen wieder Berge an den Fluß. Auf dem linken Ufer waren waldige Höhen. Auf dem rechten stand ein finsteres Waldhaupt empor, und die Leute sagten, dort sei die Burg der Herren vom Kürenberge, die man aber nicht sehen könne. Witiko zeigte Raimund das Waldhaupt, und sagte, von da stamme der junge Ritter vom Kürenberge, der mit ihm ein Knabe des alten Bischofes Regimar gewesen sei, und damals schön gesungen und die Fiedel gespielt habe. Das Schiff fuhr eine halbe Stunde zwischen den Bergen, dann kam es wieder in freies Land, und auf dem rechten Ufer lag die Stadt Linz. Das Schiff wurde in dunkelm Abende an das obere Gelände der Stadt gelegt. Witiko und Raimund führten ihre Pferde über die errichtete Brücke auf das Land, und dort durch den Wasserturm in die Stadt. In der Wasserherberge fanden sie Unterkunft. Ehe sie aber die Ruhe suchten, rüsteten sie die Pferde, und ritten, damit die Glieder derselben bewegt würden, eine Strecke an der Donau abwärts, und dann in die Stadt. Sie ritten in der Stadt herum, und betrachteten, wo ein Schein aus den Häusern kam, die Gebäude und die wandelnden Menschen. Dann ritten sie in ihre Herberge, pflegten sich und die Pferde, und begaben sich zur Ruhe.

      Als am andern Tage das erste Morgenlicht an dem Himmel war, fuhr das Schiff wieder weiter abwärts. Witiko und Raimund saßen wieder auf der Bank des Daches. Das Schiff fuhr gegen Auen hinab, und zwischen Auen fort. Nach zwei Stunden sah man auf dem rechten Ufer die Zinnen und Mauern der Stadt Enns, an welcher Stelle die alte Stadt Lorch gestanden war. Die Donau wurde nun ein großer Strom, weil die Flüsse Traun und Enns hinzu gekommen waren. Und wieder nach zwei Stunden sah man auf dem nämlichen Ufer die große Burg der Herren von Walse.