Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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über zwanzig Jahre, ist aber jetzt auch tot. Eben so ist jener Markgraf von Meißen dahin gegangen, der so schnell gestiegen ist, und dessen Geschlecht dann so Unglückliches erlebte.«

      Agnes schwieg nun. Die Mutter Witikos nahm das Wort, und sagte: »Hohe Frau, lasse diese traurigen Dinge nicht in deinem Gemüte empor leben, sie sind vergangen, Gott hat sie geschehen lassen, und richtet über sie. Denke an die Gegenwart. Du bist verehrt wie eine der Frauen, die im Leben heilig gewandelt sind, das Volk in diesen Ländern heiligt das Andenken deines Gemahles, und du hast wohlgeratene Kinder. Der Kaiser Lothar, der Sachse, ist tot, und die Herrlichkeit der deutschen Königskrone ist auf das Haupt deines Sohnes Konrad gekommen, und auf die Königskrone wird die Kaiserkrone folgen. Das neue starke Geschlecht der Hohenstaufen wird von der Krone geziert, und ziert die Krone bis in Zeiten, die in der entfernten Zukunft sind. Dein Sohn anderer Ehe, Heinrich, herrscht als Markgraf in diesem schönen Lande, er hat sich die Witwe seines Feindes in Liebe verbunden, er wird den Herzoghut tragen, und die Österreicher werden mit den Hohenstaufen in Freundschaft des gleichen Weges gehen bis in die Zeiten, von denen ich gesagt habe.

      »O Wentila«, entgegnete Agnes, »die traurigen Dinge leben nicht in meinem Gemüte empor, sie leben in demselben immer fort, und wenn sie auch vergangen sind, und Gott über sie richtet, so ist die Vergangenheit doch in mir, und ich bin in ihr. Und heilig kann ich nicht wandeln, ich kann nur für meine Sünden büßen, und für die Lebenden und Toten beten. Die Macht und die Kronen aber sind Dinge, welche tauglich sind, mit ihnen Gutes zu tun, sonst sind sie nichtig.«

      »Und die Deinigen haben mit diesen Dingen schon Gutes getan«, sagte Wentila, »Konrad hat den wilden Krieg des trotzigen Mannes aus Bayern beendigt, er hat die Kraft des deutschen Landes viel befestigt, und wird sie noch mehr befestigen, und dann seine Augen auf Jerusalem und Bethlehem richten. Heinrich waltet in seiner Mark. Er wird der erste Herzog derselben sein, und die Dinge in den heiligen Ländern können durch ihn auch an Gedeihen gewinnen.«

      »Mögen die Hohenstaufen die Macht immer zum Guten wenden«, sagte Agnes, »und durch sie nicht in Verwirrung geraten, wie die, welche die Macht vor ihnen gehabt haben. Ich habe Taten genug gesehen, die gepriesen worden sind, und Übles gestiftet haben. Wer seine Ehefrau liebt, seine Kinder in Gott erzieht, seine Habe ehrbar mehrt, und seine Untertanen schützt und fördert, hat rechte Taten getan. Und wer weiß es, ob es nicht eine bessere Tat ist, wenn wir hier dieses Tuch zum Dienste der Kirche sticken, oder auch nur zum weichen Fußtritte eines Greises, als wenn wir Herzogtümer eroberten oder zertrümmerten.«

      »Hohe Frau«, sagte Wentila, »es sind der menschlichen Dinge unzählbare, wie es unzählbare Bäume und Kräuter gibt.«

      »Sie sind«, sagte Agnes, »und Gott leitet sie. Witiko, meine Schwiegertochter hat von dir geredet, mein Sohn hat von dir geredet, und deine Mutter hat mir erzählt, wie gut du bist. Ich habe dich gesehen. Gehe jetzt mit deiner Mutter in ihre Kammer, und redet, wie ihr redet, wenn ihr allein seid. Bleibe bei uns und deiner Mutter auf dem Kahlenberge, so lange du willst. Gehe zu meinem Sohne Heinrich, und gehe zu den alten und zu den jungen Rittern, und sage dann in der Heimat deinen Freunden, wie es bei uns ist. Hecila, melde Kunigunden, daß sie den Vogt anweise, Witiko seine Wohnung zu zeigen.«

      Eine von den zwei jungen Frauen erhob sich von ihrem Sitze, und ging aus dem Gemache.

      »Du beurlaubest uns, erlauchte Frau«, sagte Wentila, »und wir entfernen uns.«

      Sie stand von ihrem Sitze auf, und Witiko stand auch auf.

      Er sprach, da er stand: »Nehmet noch einmal den Dank für die gute Aufnahme, hocherlauchte Frau, und den für die Gewährung der Beherbergung, ich werde ihrer in Gemeinschaft mit meiner Mutter pflegen, und mich bestreben, sie zu verdienen.«

      »Genieße mit deiner Mutter«, sagte Agnes, »wie es ist, wenn Eltern und Kinder einig sind.«

      Die junge Frau, welche aus dem Gemache gegangen war, kam wieder zurück.

      »Du hast deinen Auftrag vollbracht, Hecila«, sagte Agnes.

      »Es ist geschehen«, antwortete die Frau.

      »Nun, so wollen wir, die wir zurück bleiben, wieder an die Arbeit gehen, und sie zu fördern suchen«, sagte Agnes.

      »Gehabe dich wohl, hohe Frau«, sagte Wentila.

      »Du auch«, entgegnete Agnes.

      Wentila und Witiko neigten sich vor Agnes, und verließen das Gemach.

      Sie gingen durch die Stube, in welcher die jungen Mädchen spannen, und als sie draußen waren, setzte Witiko die Lederhaube wieder auf sein Haupt.

      Wentila geleitete Witiko durch einen Teil des Ganges, und führte ihn zu einer Tür. Sie öffnete dieselbe, und sie traten in ein Gemach, in welchem ein Mädchen saß, und nähte.

      Das Mädchen stand auf, da die Mutter und der Sohn herein kamen.

      »Sei gegrüßt, Lutgart«, sagte Witiko.

      »Seid gegrüßt, hoher Herr«, antwortete das Mädchen.

      Es ging zu einer Tür, und öffnete sie in eine zweite Stube.

      »Sorge, daß wir nicht gestört werden«, sagte Wentila.

      »Ich werde es tun, hochverehrte Frau«, antwortete das Mädchen.

      Wentila führte Witiko in die zweite Stube, und das Mädchen schloß hinter ihnen die Tür.

      »Lege deine Haube auf diesen Tisch, Witiko, und lege dein Schwert dazu«, sagte Wentila.

      Witiko nahm seine Haube von dem Haupte, und legte sie auf den Tisch. Dann lösete er sein Schwert ab, und legte es zu der Haube.

      Hierauf sagte er: »Sei mir nun erst recht gegrüßt, meine liebe ehrwürdige Mutter.«

      »Sei mir gegrüßt, mein guter Sohn des guten Wok«, antwortete Wentila.

      Sie nahm ihn mit beiden Händen an dem Haupte, und küßte ihn auf die Stirne.

      Dann streichelte sie mit den Händen seine Wangen.

      »Setze dich zu mir auf eine dieser Bänke«, sagte sie darauf, »und genießen wir die Einigkeit, wie die Frau Markgräfin gesprochen hat.«

      Sie setzte sich auf eine gepolsterte Bank, und Witiko setzte sich zur ihr.

      Er nahm ihre Hand, und drückte seine Lippen ehrerbietig darauf.

      Sie sah ihn freundlich an, und sprach: »Wo hat dich denn mein Bote getroffen?«

      »Er ist nach Pric zu mir gekommen«, antwortete Witiko.

      »Als ich dir durch Smitan auf deine Botschaft zurück hatte sagen lassen, daß ich dir eine Kammer in Landshut richten werde«, sagte Wentila, »ritt Gerhard, der Marschalk Ottos, des Bischofes von Freising, nach Landshut, und meldete mir, daß mich Agnes, die verwitwete Markgräfin von Österreich, zu sich auf den Kahlenberg entbietet, weil ein Geschwader des Bischofes nach Wien geht, das mich geleiten würde. Ich willigte ein, und schickte dir gleich den alten Michael mit der Nachricht zu.«

      »Er ist über Plan nach Pric geritten«, sagte Witiko, »ich mußte nur vorher den Bischof Zdik nach Passau geleiten.«

      »Und auf einem Schiffe bist du von Passau nach Wien gefahren?« fragte Wentila.

      »Auf einem Schiffe«, antwortete Witiko.

      »Ich habe dich lange nicht gesehen«, sagte Wentila.

      »Es werden jetzt bald vier Jahre, seit ich von Passau über den Wald geritten bin«, entgegnete Witiko.

      »Vier Jahre sind eine lange Zeit«, sagte Wentila.

      »Mutter«, antwortete Witiko, »ich mußte manche Tage harren, ob sich etwas ereigne, daran ich mitwirken könnte, und ob ich auch etwas zu vollbringen vermöchte, zu dir kommen zu können; aber endlich wollte ich dich wieder sehen, und mit dir über verschiedene Dinge sprechen. Ich habe dir in manchen Zeiten Nachrichten geschickt.«

      »Ich habe sie empfangen, und habe dir Nachrichten zurück geschickt«, sagte Wentila.