Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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      »Und wann meinst du wieder nach Landshut zurückzukehren?« fragte Witiko.

      »Wenn es die hohe Frau, die mich auf diesen Berg geladen hat, anordnet«, entgegnete Wentila. »Es wird ihr Sohn Otto, der Bischof von Freising, kommen, und ich glaube, daß ich mit seinem Geleite nach Bayern zurückreisen werde.«

      »Ich habe auch Berthas willen das Lederkleid angelegt, weil sie mich zuerst darin gesehen hat«, sprach Witiko.

      »Ich denke es mir«, sagte die Mutter.

      »Und nun, Mutter«, sprach Witiko, »wie lebt denn der hochehrwürdige Vater Benno?«

      »Er lebt in Gesundheit«, antwortete Wentila, »er hält seinen Gottesdienst in der Kirche des heiligen Martin, er stellt Betrachtungen an, und schreibt in ein großes Buch die Dinge der Kaiser ein; denn er sucht alles zu ergründen, was einmal geschehen ist. Er hat mir aufgetragen, dir einen feierlichen Gruß von ihm zu sagen.«

      »Bringe ihm den Dank, wenn du heimkehrst«, sagte Witiko, »und bringe ihm meine Ehrerbietung.«

      »Ich werde es tun«, antwortete Wentila, »und es wird ihn freuen, weil er dich liebt, wie, da du noch ein Kind warest. Er sagt, daß die Bayern mit Sorge auf Österreich schauen, seit Konrad, der Halbbruder des Markgrafen Heinrich, in Deutschland herrscht, und seit der Markgraf die Witwe ihres verstorbenen Herzogs geheiratet hat.«

      »Wird er denn auch wieder einmal nach Pric kommen?« fragte Witiko.

      »Pric erweckt ihm seit dem Tode deines Vaters Traurigkeit«, antwortete Wentila, »aber er wird schon kommen.«

      »Die Leute dort lieben ihn«, sagte Witiko.

      »Die Leute aller Orten lieben ihn«, entgegnete Wentila.

      »Und wie lebt denn die Base Hiltrut?« fragte Witiko.

      »Sie ist fromm«, antwortete Wentila, »genießt der Gesundheit des Leibes, sorgt in dem Hause, und denkt deiner, wie sie dachte, da sie dich noch in den Windeln pflegte.«

      »Ich möchte ihr recht viel Gutes tun«, sagte Witiko.

      »Das tust du«, entgegnete Wentila, »da du ihr beständig die guten Grüße schickest, die ihr angenehm sind.«

      »Mir ist es auch angenehm, Grüße zu schicken«, antwortete Witiko; »bringe ihr wieder einige, wenn du hier fort gehst.«

      »Sie bedarf ja nichts als Zuneigung«, sagte Wentila.

      »Und diese empfängt sie von uns reichlich«, antwortete Witiko.

      »Du bist in Plan zu den Leuten in ihre Stuben gegangen«, sagte Wentila.

      »Ja, Mutter«, entgegnete Witiko.

      »Wir haben es auch immer so gepflegt, wenn wir dort lebten«, sagte Wentila, »sie sind gut, ernsthaft und treu.«

      »Sie sind dieses alles in ihrer Armut und in der Härte und Stärke ihres Körpers«, sagte Witiko. »Sie haben in dem vergangenen Kriege der Gerechtigkeit zur Entscheidung geholfen, sind meine Gefährten geworden, und ich bin ihr Gefährte geworden.«

      »Du hast sie auch in deiner Stube versammelt«, sagte Wentila.

      »Ja, sie haben dort Brot und Salz gegessen«, antwortete Witiko.

      »Es ist gut so«, sagte Wentila, »das Land des Waldes ist vielen Menschen noch unbekannt; aber es ist sehr bedeutsam. Was wirst du denn nach der jetzigen Zeit tun, Witiko?«

      »Ich werde wieder nach Plan und Pric gehen«, antwortete Witiko, »dann werde ich nach Prag zu dem Herzoge reiten. Im Frühlinge wird der Krieg gegen die mährischen Fürsten beginnen, und ich werde in ihm sein.«

      »Du wirst tun, was dir obliegt, mein Sohn Witiko«, sagte Wentila, »und du wirst klug und vorsichtig sein.«

      »Ich werde tun, wie ich es nur immer als gut und recht einsehe«, entgegnete Witiko.

      »Und Gott wird das Gute und Rechte schützen«, antwortete Wentila, »und nach dem Kriege werde ich mit der Base Hiltrut nach Pric kommen.«

      »Ich werde euch von Landshut holen und nach Pric geleiten«, sagte Witiko.

      »Bleibe jetzt eine Weile auf diesem Berge, mein Sohn«, sagte Wentila, »Agnes, die hohe Frau, ist gegen mich und dich gut gesinnt. Siehe nur, welch ein schönes Gemach mit den gepolsterten Gesiedeln und der Aussicht in das ganze Land sie mir gegeben hat. Ihr Sohn Heinrich hält seinen Hof in Wien, und um ihn sind die Herren der Kirche und die Männer des Rittertumes und der Künste, und befleißigen sich zierlicher Sitten. Du wirst zu ihm gehen, und wirst manches sehen, was dir gut ist.«

      »Ich bleibe bei dir, und werde öfter nach Wien gehen«, antwortete Witiko, »es müßte nur sein, daß ich in unserem Lande nötig werde, dann reite ich schnell in dasselbe.«

      »Es wird sich alles erweisen«, sagte Wentila. »Jetzt, Witiko, ruhe. Lasse dir deine Kammer zeigen, und wenn es dich gemahnt, dann komme wieder zu mir. Richte dich hier ein, und möge es dir gefallen.«

      Sie stand bei diesen Worten auf, Witiko auch.

      Er setzte seine Haube auf das Haupt, und befestigte sein Schwert an seiner Seite.

      Dann machte sie ein Kreuz auf seine Stirne, und er küßte ihre beiden Hände.

      Hierauf verabschiedeten sie sich. Witiko verließ die Stube, sie blieb in derselben zurück.

      Als Witiko in das Vorgemach gekommen war, in welchem das Mädchen Lutgart saß, sah er auch einen Mann auf einem Stuhle sitzen. Es war der nämliche Mann, welcher ihn in das Gemach der spinnenden Mädchen geführt hatte.

      Der Mann stand auf, und sagte: »Ich bin der Hausvogt der hocherhabenen Frau Markgräfin, Ezelin, und bin von der hohen Frau Markgräfin befohlen, Euch, edler Witiko, in Eure Herberge in dieser Burg zu geleiten.«

      »So geleitet mich, edler Vogt Ezelin«, sagte Witiko.

      Die zwei Männer verließen nun die Vorstube.

      Der Vogt führte Witiko über eine Treppe empor in ein Gemach, an welchem noch eine zweite Stube war.

      »Hier sollet Ihr mit Euerm Diener wohnen«, sagte er, »und der Speisemeister und der Gewandmeister und der Meier und der Marschalk sind angewiesen, Euch zu gehorchen, wie Ihr wünschet.«

      »Ich danke Euch für Euer Geleite, edler Vogt«, sagte Witiko, ich bedarf zu dieser Zeit keines andern Dinges als der Stube.«

      »So verabschiede ich mich«, sagte der Mann.

      »Gehabt Euch wohl«, entgegnete Witiko.

      Der Mann entfernte sich, und Witiko stand allein in dem Gemache.

      Dasselbe war nicht groß, hatte weiße getünchte Wände, und es standen starke Geräte aus Eichenholz darinnen. Durch die zwei schmalen Fenster, welche spitzige Bögen hatten, sah Witiko auf einen Wald und dann auf ebenes Land, das gegen Morgen hin ging, und in welchem die Donau floß. Die zweite Stube war kleiner, war auch weiß, und hatte auch Eichengeräte.

      Witiko verließ diese Herberge wieder, und ging in das Wartezimmer um Raimund. Raimund war nicht in dem Zimmer. Darauf ging Witiko in den Stall. In dem Stalle stand Raimund bei den Pferden. Witiko führte ihn in die Herberggemächer, und zeigte sie ihm. Dann sagte er: »Rüste dein Pferd, reite in die Stadt Wien hinab, und lasse unsere Habe in die Burg herauf bringen.«

      Raimund schickte sich an, den Befehl Witikos zu vollführen. Er verließ das Zimmer, und nach einer halben Stunde ritt er in dem Walde des Berges hinunter.

      Witiko aber blieb in seinem Gemache, ging an ein Fenster, und sah auf das Land Österreich hinab. Der Wald des Berges trug nicht wie die Wälder, die an den Ufern der jungen Moldau stehen, die dunkle Tanne, die grüne Buche, die leuchtende Birke, den langarmigen Ahorn, die Eibe, die Ulme, die Esche, die Erle und den zackigen Wacholder, sondern gleichartiges Laubwerk der Buche, Esche, Eibe, des Haselstrauches und das Dämmer der Föhre und andern Nadelgehölzes. In der Donau waren breite und gestreckte Inseln,