Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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abwärts. Nach einer Weile standen sie an dem oberen Rande einer Felswand, welche in fallrechter Richtung nieder ging, und zu ihren Füßen einen finstern See hatte, der zwischen Felsen und Wäldern wie in einer Höhle unten lag. Der Wald faßte ihn ein, und seine Oberfläche zeigte nichts Lebendiges. Die Ufer an der Wand waren von herabgestürzten Bäumen gesäumt. Der junge Reiter trat auf eine Steinplatte, welche von der Wand weg gleichsam über den See vorragte, und schaute eine geraume Zeit hinunter. Nachdem er seinem Schauen ein Ende gemacht hatte, kehrte er wieder um, und schickte sich zum Gehen an.

      Die Männer gingen nun gegen Mittag von der Seewand gerade in der Richtung hinunter, in der das Haus sein mußte, in welches sie wollten. Nach einer Stunde kamen sie auf einen breiteren Pfad, und in kurzem an den Rand der Felder, auf dem Heinrichs Haus stand.

      Da sie über diese Felder dem Hause zugingen, wollte Witiko seinem Führer eine Belohnung geben. Dieser schlug sie aus, und sagte: »Von Euch nehme ich nichts.«

      »Wenn du alles Geld ausschlägst, dann bekommst du nie ein Pferd«, sagte Witiko.

      »Denkt nur einmal daran, daß wir heute mit einander gegangen sind«, entgegnete Wolf, »dann ist es schon recht.«

      »Ich werde daran denken«, sagte Witiko, »und auch daran, daß du ein sehr guter Führer bist.«

      »Und ich, daß Ihr so gut im Walde geht, wie sehr wenige«, antwortete Wolf.

      »Ich habe es wohl gelernt«, sagte Witiko.

      Indessen waren sie bei dem Hause angekommen, Witiko reichte dem Führer seinen Stock, und sagte: »So danke ich dir recht schön, Wolf, und ich werde nicht vergessen, wie getreulich du heute gegen mich gewesen bist.«

      »Das wird das Schönste sein«, sagte Wolf.

      Mit diesen Worten nahm er den Stock, und ging um die Ecke des Hauses. Witiko trat bei der Eisentür ein, und ging in den Saal. Dort war Heinrich mit seiner Gattin und Bertha, und es war jetzt auch das Mädchen mit den lichtgelben Zöpfen da, welche die Singgespanin Berthas war. Man bot Witiko einen Stuhl. Er setzte sich. Eine Magd brachte Wein und Brot.

      »Ich hoffe, daß Ihr einen guten Weg gemacht habt, und daß sich mein Führer bewährt hat«, sagte Heinrich.

      »Ich habe einen guten Weg gemacht, und Euer Führer ist sehr trefflich«, antwortete Witiko.

      »Jetzt nehmt etwas zu Eurer Erholung, und ruht ein wenig aus«, sagte Wiulfhilt.

      »Ich will etwas nehmen, geehrte Frau«, entgegnete Witiko, »aber mit dem Ausruhen kann ich nicht einstimmen. Der zurückgelegte Weg ist nicht so arg, daß er eine Ruhe nötig machte, und die Zeit drängt mich, daß ich zur Pflege meines Pferdes in meine Herberge gehe.«

      Er brach hierauf ein weniges von dem Brote, und aß es, dann tat er einen Trunk des Weines. Da dieses geschehen war, erhob er sich, und sagte zu Heinrich: »Ich danke Euch nun für die gute Aufnahme, und ich werde an Euch ein Gleiches tun, wenn es einmal geschehen kann.«

      »Ich werde Euch noch ein Stück geleiten«, sagte Heinrich.

      »Und Euch, vielwerte Frau«, sprach Witiko zu Wiulfhilt, »sage ich Dank für jede Sorge und Mühe.«

      »Gesegn« Euch Gott den Aufenthalt bei uns, Witiko, und möge er Euch Glück und Ehre verleihen«, sagte die Frau.

      Dann wendete sich Witiko zu Bertha, und sagte: »Lebet wohl, Bertha, und bleibet heiter und fröhlich.«

      »Ihr auch, Witiko«, sagte das Mädchen, »und reitet mit Glück.«

      »Vielleicht höre ich Euch doch wieder einmal singen, wenn ich wieder einmal komme«, sagte Witiko.

      »Kann sein, wenn Ihr denkt, und singt wie der Wald«, entgegnete sie.

      »Ich habe gejauchzt«, sagte er, »singen kann ich nicht aber denken wie der Wald.«

      Dann neigte er sich gegen Trude, und sagte: »Lebet wohl, und habt Dank für den Gesang, den ich auch gegen Euren Willen gehört habe.«

      »Lebet wohl«, sagte das Mädchen, und errötete.

      Nach diesen Worten schickte sich Witiko an, den Saal zu verlassen. Er sah noch auf Berthas Kranz.

      Heinrich ging mit ihm auf die Gasse, und von da weiter bis zur roten Kapelle. Dort sagte er: »Jetzt trennen wir uns. Wandert wohl, und wenn Ihr wieder einmal in diese Gründe kommt und das weiße Haus sehet, so besuchet es.«

      »Wenn es der Himmel fügt, so werde ich nicht vorüber gehen«, antwortete Witiko.

      »Und wir werden Euch freundlich aufnehmen, wenn wir hier sind«, sagte Heinrich.

      »Noch einmal Dank«, entgegnete Witiko.

      »Mit Gott«, antwortete Heinrich.

      Sie trennten sich, Heinrich ging mitternachtwärts, Witiko mittagwärts. Der breite Weg hörte mit der Wiese auf, und Witiko ging auf dem schmalen Pfade, der folgte, zur Mihel hinab. Da er in dem Köhlerhause ankam, sah er sogleich nach seinem Pferde. Dann war ein Abendessen wie am Tage zuvor, und dann ruhte Witiko in demselben Bette.

      Am andern Morgen, ehe die Sonne aufging, saß er in seinen Unterkleidern am Tische im Zimmer der Köhlerhütte. Der Köhler reinigte seine Kleider. Er aber ging zuweilen mit den hölzernen Schuhen des Köhlers in den Stall, um an der Pflege seines Pferdes zu sein, dann kleidete er sich an, und hierauf aßen alle eine aus Milch und Mehl bereitete Suppe.

      »Und nun habet Dank, ihr lieben Leute, für eure freundliche Aufnahme«, sagte Witiko.

      »Wenn Eure Mutter meinen Vater wieder einmal an Euch sendet«, sagte der Köhler, »so eröffnet ihm, daß wir Euch hier aufgenommen haben.«

      »Ich werde es tun«, sagte Witiko.

      »An der Mihel geht der Saumpfad fort«, sprach der Köhler. »In vier Stunden langsamen Reitens seid Ihr im Aigen. Am ersten Hause mit den roten Balken wird Euch der Ohm Florian erwarten. Er wird für Euch und Euer Pferd sorgen, und Euch nach dem Friedberge führen.«

      »Es ist gut«, sagte Witiko.

      Dann streichelte er den Kindern die Wangen, und gab jedem einen glänzenden Pfennig.

      Dann verlangte er sein Pferd.

      Der Köhler führte es vor die Tür.

      »Erlebet recht große Dinge«, sagte die Frau.

      »Wie Gott will«, entgegnete Witiko, und gab ihr die Hand.

      Er reichte auch dem Manne die Hand.

      Dann prüfte er die Rüstung des Pferdes, sagte: »Ich danke euch noch einmal«, und schwang sich hinauf.

      »Reitet mit Gott«, riefen die Leute.

      Witiko ritt an die Mihel, durchritt die Furt, und ritt auf dem Saumpfade gegen Morgen weiter.

      Wenn er rechts blickte, sah er das lange waldige Dach des breiten Berges, links den Wald der drei Sessel, des Blöckensteines und die ferneren gegen Morgen. Die Mihel rauschte neben ihm, bald war er an ihrer Seite, bald war er weiter von ihr entfernt. Es kamen auch Anhöhen, über welche er sein Pferd hinüber schreiten lassen mußte.

      Er ritt an einem spitzigen bewachsenen Berge vorbei, welcher den Namen des schwarzen Berges führte, über einen Hügel, welchen man den Berg des heiligen Huldrik nannte, und er hatte dann links den großen Wald neben sich, welchen sie Hochficht hießen.

      Ehe noch der Mittag gekommen war, ging das Tal am Walde auseinander, es wurden Wiesen und Felder, und er kam zu einem Hause, das an dem Pfade stand. Das Haus war aus Holz, und hatte stark hervorragende Dachbalken, welche rot bemalt waren. Er hielt ein wenig an. Da kam ein Mann mit grauem Gewande und weißem Barte aus dem Hause.

      »Heißt es hier in dem Aigen?« fragte Witiko.

      »Ja, und ich bin Florian, der Ohm Margarethens, des Weibes des Köhlers Mathias«, antwortete der andere.

      »Und ich bin der, den du erwartest«, sagte Witiko, stieg von dem