weißes Haus. Hinter dem Hause stieg der Wald empor, und war ein breites mächtiges Band. Seinen Sesselfes konnte man wegen der Nähe nicht sehen, gegen Morgen aber waren andere starke Steinrippen im Bande. Die Wiese war von Gestrippe und Steinen gereinigt. Bertha lenkte nun auf einen Pfad ein, der in der Wiese auf das Haus zuging. Der Pfad war geordnet und so breit, daß selbst ein Wagen auf ihm hätte fahren können. Als sie auf dem Pfade so weit fortgegangen waren, daß sie noch einige hundert Schritte zu dem Hause gehabt hätten, kamen sie zu der Betstelle des roten Hüttchens. Es stand an dem Wege, mit seiner Öffnung gegen Morgen dem Pfade zugekehrt. Unten war es geschlossen, oben hatte es eine Öffnung, in welcher das Bild der heiligen Mutter stand, es war in Gold in roten blauen und anderen Farben. Vier Ebereschenbäume hinter dem Hüttchen waren hoch empor gewachsen. Bertha kniete an einem Bänklein nieder, und tat ein Gebet. Witiko kniete neben sie, und betete auch. Dann standen sie auf, und gingen weiter. Das Rauschen des Wassers tönte aus der Schlucht herauf, und auch nicht weit vor dem Hüttchen kam ein Wasser aus dem Grase der Wiese, und schoß flüchtig nach abwärts.
»Ihr habt hier klare fröhliche Quellen«, sagte Witiko.
»ES sind noch mehrere, rechts und links«, antwortete Bertha, »sie kommen von den drei Sesseln und von dem Blöckensteine.«
»Und das ist euer Bild, von dem Ihr mir gesagt habt?« fragte er.
»Das ist das Bild«, antwortete sie.
»Und dort ist euer Haus?« sagte er.
»Dort ist das Haus«, erwiderte sie.
Nach kurzem Wandeln an den Reihen der Ebereschen kamen sie an das Haus.
An demselben war gegen Morgen ein Sandplatz, gegen Mittag ein Garten. Das Haus war sehr lang. Es war aus Stein gebaut, und weiß übertüncht. Die Fenster, welche in einer geordneten Reihe hingingen, waren mit eisernen Stäben verwahrt. Es hatte nur ein Erdgeschoß, welches aber hoch war, und auf welchem sich ein flaches Dach befand, das viele und große Steine deckten. Die schmale Seite des Hauses, welche dem Sandplatze zugekehrt war, hatte eine eisenbeschlagene Tür. Durch die Tür, welche nicht geschlossen war, sondern einem leichten Drucke wich, führte Bertha Witiko in das Haus. Sie kamen hinter der Tür in einen geräumigen Vorsaal, von dem ein Gang durch die Länge des Hauses fort lief, und von dem Vorsaale traten sie links wieder in einen Saal. Derselbe war groß, und hatte gegen die Schmalseite des Hauses vier, gegen dessen Langseite sechs Fenster. Der Fußboden war von Tannenbrettern, die Wände waren weiß getüncht, und die Decke war eine starkbalkige Diele von braungebeiztem Tannenholze, an den Wänden hingen Waffen, und in den Ecken lehnten auch einige. In der Mitte des Saales stand ein sehr langer Buchentisch.
An dem oberen Ende des Buchentisches saß ein Mann von etwa vierzig bis fünfzig Jahren. Er hatte ein weitfaltiges schwarzes Oberkleid an, von dem die lichtbraune Unterbekleidung hinab ging. Auf das Oberkleid fielen lange braune Locken hinab. Vor ihm standen zwei andere Männer, mit denen er sprach.
»In die Glurwiese geht ihr um fünf Uhr«, sagte er, »dann könnt ihr mit der Hälfte fertig werden.«
»Ja«, sagte einer der Männer.
»Ihr müßt im Scherholze an der Sonnenseite schlichten, und die Eckstöße fest machen«, sprach er weiter.
»Ja«, sagte der andere der Männer.
»So, jetzt geht, und berichtet mir, wenn es geschehen ist«, sagte er.
Die Männer entfernten sich, und gingen zur Tür hinaus.
Der Mann an dem Buchentische sah nun mit zwei großen blauen Augen auf Bertha und Witiko.
Bertha ging einige Schritte gegen den Mann und sagte: »Vater, da ist einer in den Wald gekommen, der nach seinem Glücke geht, und sich ein Schicksal machen will. Weil heute Sonntag ist, so ruhet er, und hat in dem Walde gebetet. Ich habe auf der Sperwiese mit ihm gesprochen, und bringe ihn dir.«
Der Mann mit den braunen Locken stand auf, ging gegen Witiko, und sagte: »Seid mir willkommen.«
»Ich nehme das Willkommen an«, sagte Witiko, »und wollet mein Eindringen entschuldigen.«
»Meine Tochter hat Euch gebracht, und Ihr seid willkommen«, sagte der Mann, »und Ihr wäret auch willkommen, wenn Ihr allein gekommen wäret; denn mein Haus ist gastlich.«
»Ich heiße Witiko von Pric, sagte Witiko.
»Ich Heinrich«, antwortete der Mann.
»Der Reiter will heute auf die drei Sessel steigen«, sagte Bertha.
»Weil Ihr auf dem Wege nach gutem Dienste in mein Haus gekommen seid, Witiko«, sagte Heinrich, »so nehmet ein Mittagessen bei mir, ich werde Euch dann einen Mann geben, der Euch zu den Sesseln geleiten soll. Jetzt biete ich Euch einen Stuhl, und wenn es nicht gegen Eure Sitte ist, so schnallt Euer Schwert ab, daß Ihr ungehinderter seid.«
»Ich nehme die Einladung zum Mittagessen und zu einem Stuhle dankbar an, das Schwert kann ich aber nicht abschnallen, weil ich mir den Brauch auferlegt habe, es immer, wo es tunlich ist, zu tragen, daß es mir nicht einmal fehlt, wenn ich es brauche«, sagte Witiko.
»Daran tut Ihr nicht unrecht«, sage Heinrich, »und wenn Ihr von den drei Sesseln zurückkommt, werdet Ihr die Nachtherberge bei uns nehmen?«
»Ich reite morgen wieder weiter«, entgegnete Witiko, »habe mein Pferd bei den Köhlern an der Mihel, und muß heute wieder dahin zurückkommen.«
»So werden wir die Zeit so einrichten, daß Ihr es könnt«, sagte Heinrich.
Nach diesen Worten wendete er sich gegen den Tisch, rückte zwei Stühle zurecht, wies auf einen, und er und Witiko setzten sich nieder.
Dann sagte er zu Bertha: »Gehe zur Mutter, und verkündige ihr, daß wir einen Gast haben.«
Bertha ging gegen einen Fensterpfeiler, und hing ihren Kranz mit Rosen an einen Nagel.
»Warum hängst du denn dein Goldreiflein zu den Waffen?« fragte der Vater.
»Lasse die Rosen heute bei den Waffen hängen«, antwortete Bertha.
Dann ging sie durch eine Tür in das weitere Innere des Hauses.
Nach einigen Augenblicken kam sie mit der Mutter bei dieser Tür wieder heraus. Die Mutter hatte wie Bertha braune Haare und Augen. Sie hatte feine Hände und Glieder. An ihrem Körper war ein enges blaues Wams mit Silberrändern, die Vorderärmel und das weite Unterkleid waren aus blaßgelber Wolle. Die Haare deckte ein weites Netz mit Goldfädlein.
»Wiulfhilt«, sagte Heinrich, »der junge Reiter Witiko von Pric, der Sohn Woks und Wentilas, ist unser Gast.«
» So habt Ihr meinen Vater gekannt?« fragte Witiko.
»Ich habe Euern Vater gekannt, mein junger Reitersmann, und kenne Eure Mutter«, sagte Heinrich.
»Wir kennen die feine gute Wentila«, sagte die Frau, welche eingetreten war, »und wenn Ihr der Sohn derselben seid, so heiße ich Euch in unserem Hause willkommen.«
»Ich bin der Sohn derselben«, sagte Witiko, welcher aufgestanden war, »und so bin ich in einem Hause, in welchem meine Eltern gewesen sind.«
»In diesem Hause sind sie nie gewesen«, sagte Heinrich, »wohl aber in einem andern.«
»So seid Ihr uns in diesem Hause gegrüßt«, sagte Wiulfhilt.
»Ich freue mich des Grußes, edle Frau«, entgegnete Witiko, »und verzeiht, wenn ich Eure Sorge mehre.«
»Meine Sorgen für das Haus sind meine Freude«, sagte die Frau, »und für einen Gast doppelte Freude.«
»Wenn ich es nur verdiene«, entgegnete Witiko.
»Ihr verdient es, weil Ihr der Sohn Eurer Eltern seid«, antwortete Wiulfhilt, »und werdet es auch außerdem verdienen. Und wenn es auch nicht wäre, so wäret Ihr der Gast.«
»Wiulfhilt«, sagte Heinrich, »der Reiter will heute noch auf den Sesselfels gehen, und abends zu den Köhlern im Klaffergrunde zurückkehren.