Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


Скачать книгу

ich befehle etwas«, sagte Witiko, »melde Huldrik, daß er niemanden mehr herauf schickt, ich werde selber bald in den Wangetschlag kommen.«

      »Ich werde es vermelden«, sagte Jakob.

      »Und nun gehe«, sprach Witiko.

      »Ich gehe, und gehabt Euch wohl«, antwortete Jakob.

      »Gehabe dich wohl, und grüße Huldrik«, sagte Witiko.

      »Ich werde es tun«, entgegnete Jakob.

      Darauf reichte er an Raimund seine Hand, verließ die Stube, und begab sich auf seinen Weg nach dem Wangetschlage.

      Witiko aber ging von der Herbergstube in seine Kammer.

      Als der Morgen des anderen Tages gekommen war, untersuchte er den Weg, der von der unteren Moldau durch den Wald zu der Stelle des heiligen Thomas empor führte. Der Pfad war nirgends zu erkennen. Der Schnee war hoch über ihn gebreitet, wie er über alle andern Gründe gebreitet war.

      Dann untersuchte er die anderen Wege, welche in verschiedenen Richtungen von der unteren Moldau durch den Wald nach abwärts führten.

      Nun begannen die Männer in der unteren Moldau und im Rathschlage und im Reutschlage und an dem schwarzen Bache und auf der Mugrauer Heide und in Friedberg und in der Friedau und in der Steinleithe und gegen die Waldhäuser des Heurafels und weiter hinab aus Eschen oder Ahornen oder anderem zähen Holze Lanzenschäfte und Keulen zu machen, Lanzenspitzen und Schwerter zu schmieden, Riemzeug zu schneiden, Bogen und Armbruste, Pfeile und Bolzen zurecht zu richten, Stiefel zu machen, aus Filz und aus Wolltuche Hauben und Gewänder zu nähen, und auf Pferden, wo sie vorhanden waren, zu reiten.

      Als diese Dinge geschahen, bestieg Witiko in der Herberge der unteren Moldau sein Pferd, und ritt mit Raimund in den Wangetschlag.

      Dort ritt er gegen sein Häuschen. Auf dem flachen Dache lag der Schnee, und man konnte es von dem Schnee in den Gefilden kaum unterscheiden. Ein dünner blauer Rauch ging von dem Schornsteine empor.

      Als die zwei Männer an dem Häuschen angekommen waren, standen Huldrik und Jakob und Regina vor dem Tore, sie zu empfangen.

      »Wir haben nach Euch ausgeschaut«, sagte Huldrik, »und haben Euch kommen gesehen. Weil Ihr die Gebühr, daß ich nach Euern Befehlen fragen lasse, verboten habt, konnten wir den Tag Eurer Ankunft nicht wissen. Seid gegrüßet, Witiko. Ihr seid in dem Kriege gewesen, Ihr seid in mehreren Ländern gewesen, und müsset wieder zu Euerem Hause in den Wangetschlag kommen.«

      »Ich bin gekommen, dich wieder zu sehen, und die Unsrigen hier zu sehen, und unser Haus zu sehen«, sagte Witiko.

      »Ihr seid gekommen, weil es so ist«, entgegnete Huldrik, »und ich habe schon Sorge getragen, daß Eure Pferde in einen guten Stand gelangen, so wie das Pferd Jakobs, das er im Kriege erhalten hat, auf einem guten Stande ist. Wir haben dieses Jahr an dem Gelasse gemauert. Stützet Euch nur auf mich, Witiko, daß Ihr bei dem Absteigen nicht auf dem Eise gleitet, wohin Regina immer das Spülwasser gießt.«

      »Ich werde mich nicht auf dich stützen«, sagte Witiko, »sondern es trete Jakob herzu.«

      »Jakob, diene dem Herrn«, rief Huldrik, »ich aber werde den Zügel halten.«

      Jakob ging an die Seite Witikos, um ihm zu helfen; Huldrik aber faßte den Zügel des Pferdes.

      Witiko stieg mit einem leichten Tritte von dem Pferde, und stand auf dem glatten Boden des Eises.

      Raimund stieg auch von seinem Pferde.

      »Nun führet die Pferde durch das Tor hinein«, sagte Huldrik, »aber haltet euch rechts, daß die Eiszapfen des Daches die Sättel nicht streifen.«

      Raimund und Jakob führten die Pferde durch das Tor in den Hof. Witiko ging nicht durch die Tür in das Haus, sondern folgte den Pferden. In dem Hofe wurden die Pferde gegen einen Zubau geführt, der an den Stall angefügt worden war.

      Witiko sah, daß vier Pferde in diesem Raume stehen konnten.

      »Es ist gut, Huldrik«, sagte er, »daß du diese Sorgfalt getroffen hast.«

      »Es mußte für diese Zeit Sorge getragen werden, bis alles fertig ist, und sich alles vollendet«, erwiderte Huldrik.

      Sie brachten die Pferde in den Stall, und begannen, sie zu versorgen.

      Dann ging Witiko in die Stube.

      Die Wände der Stube waren frisch getüncht worden, daß sie ganz weiß glänzten, die Fensterscheiben waren gereinigt, daß das Licht, so hell es der Winter geben konnte, herein schien, der Fußboden war gewaschen, und der Buchentisch war so gescheuert, daß keine Makel an ihm war.

      »Die Stube ist ja wie an einem hohen Festtage«, sagte Witiko.

      »An der unteren Moldau ist nur eine Herberge«, antwortete Huldrik; »das aber hier ist Euer Eigen, in dem Ihr seid, und das dauert, und immer anders wird, bis sich die Zeiten erfüllen.«

      »Mögen die Zeiten immer Gutes bringen«, sagte Witiko.

      »Sie werden Gutes bringen«, antwortete Huldrik, »lasset es Euch hier gefallen, wie es sich wandelt, bis alles geschehen ist.«

      Witiko nahm seine Haube von dem Haupte, und setzte sich an den Buchentisch.

      »Regina wird Euch ein Mittagessen bereiten«, sagte Huldrik; »es wird aber heute eine längere Zeit vergehen, bis es fertig wird, als sonst.«

      »Ich dränge Regina nicht«, antwortete Witiko.

      »Wir suchen die Dinge wahrzunehmen, wie es sein kann«, sagte Huldrik.

      Witiko ging indessen noch einmal zu den Pferden.

      Als die Speisen bereitet waren, brachte sie Regina auf den Tisch. Sie waren gebratenes Wild und Fische. Dazu wurde Wein gestellt.

      Witiko verlangte, daß auch die Speisen der andern auf den Tisch gestellt würden, und daß dann alle mit einander das Mittagmahl verzehrten.

      »Weil Ihr es befehlt, so muß es sein«, sagte Huldrik.

      Die Speisen wurden auf den Tisch gebracht, und Witiko und Huldrik und Raimund und Jakob und Regina setzten sich zu denselben.

      »Du mußt das Gebet sprechen, Huldrik«, sagte Witiko.

      Huldrik tat es.

      Dann wurde das Mahl eingenommen, und Witiko teilte jedem von seinen Speisen und seinem Weine mit. Nach dem Mahle sprach Huldrik wieder das Gebet.

      Da sie noch an dem Tische blieben, sagte er: »Eure Vorfahrer haben die Ihrigen geliebt, und sind von ihnen wieder geliebt worden. Und so geschieht alles. Da der erste Witiko in den Wald geritten ist, sind Gold und Edelsteine an den Zügeln seines Pferdes gewesen, und Ihr seid auch zu diesem Hause geritten.«

      »Die Zeiten sind ungewiß«, sagte Witiko, »wer weiß es, wann ich wieder kommen kann.«

      »Ihr werdet kommen«, sagte Huldrik; »denn Ihr habt Milch und Honig an dem Buchentische gegessen. Und es werden viele da sein, Euch zu sehen.«

      »Deine Gedanken bringen Menschen in die Einsamkeit des Waldes, Huldrik«, sagte Witiko.

      »Die Rosen haben in Rom herrlich geblüht«, erwiderte Huldrik, »die Rosen sind hieher gebracht worden, und haben hier auch zur Lust geblüht, und die Rose wird Dinge und Kleinodien aus Welschland bringen.«

      »Die Rose möchte erst ihre Blätter öffnen«, sagte Witiko.

      »Ihr werdet noch oft in Euerm Schlößlein da sein, wie es sich verwandelt«, antwortete Huldrik, »wo das Schloß voll Pracht gestanden ist, wo das Jagdschloß gewesen ist, wo die goldne Burg sein wird, und wo die fünf roten Blätter allen Raum bedecken werden.«

      »Du siehest in seltsame Zeiten, Huldrik«, sagte Witiko.

      »Ihr habt Männer gesammelt, und seid in den Krieg gegangen«, entgegnete Huldrik, »sie sehen auf Euch, und die Jungfrau aus dem starken und großen Geschlechte wandelt schon