diesen Schall erhob sich ein Geschrei der Männer, die zurück blieben, der Frauen, der Mädchen und der Kinder. Es war zum Teile ein Geschrei der Ermutigung, zum Teile der Freude, zum Teile des Schmerzes.
Der Zug setzte sich in Bewegung. An der Spitze waren die Reiter, welche ihre Pferde in langsamem Schritte gehen ließen. Dann kamen die Fußgänger. Am Ende waren die Säumer, dann die Frauen, welche mancherlei Arbeiten bei dem Kriegszuge zu verrichten hatten, und verschiedene Knechte.
Man zog in der Richtung gegen den Morgen. So viele Menschen, als aus dem Orte Plan und aus den umliegenden Waldhäusern und aus größeren Entfernungen herbei zu kommen vermocht hatten, gingen mit dem Zuge. Man kam an dem steinernen Hause Witikos vorüber, man gelangte unter die Föhren, welche in der Richtung gegen Morgen von Plan weg dahin standen, man gelangte auf die Höhenscheide der Föhren, von der man noch das Tal von Plan und die Moldau sehen konnte, und ging jenseits der Scheide hinunter. Mehrere Haufen der Menschen, die den Zug begleiteten, sonderten sich ab, und gingen zurück. Man zog über die Talschlucht des Waldes, in welcher der Bach rieselte, und ging dann in dem Waldesdickichte sachte gegen die Mugrauer Heide empor. Als man auf die Heide gekommen war, hatten sich alle Begleiter umgewendet, und hatten den Rückweg angetreten. Andere kamen dafür aus verschiedenen Gegenden herzu, sahen den Zug an, und mehrere begleiteten ihn eine Weile.
Gegen den Mittag langten die Männer bei dem Turme Rownos an. Da blieben sie stehen. Witiko ritt mit einem Geleite in den Turm. Rowno stand in dem Hofe, ihn zu begrüßen. Witiko und seine Begleiter stiegen von den Pferden, und gingen in die große Stube. Dort waren mehrere Sippen Rownos versammelt. Es wurde der Empfangstrunk gereicht. Dann sagte Rowno: »Es ist gut, Witiko, wie du es versprochen hast, sei gegrüßt, und wir werden nicht säumen.«
»Ich komme, dir nur den Gruß zu bringen«, antwortete Witiko, »es ist, wie wir gesagt haben.«
»Es ist so«, entgegnete Rowno, »meine Männer ziehen heran. Es können dich nicht alle meine Sippen begrüßen, sie sind zu den Jungfrauen geritten, sich weissagen zu lassen.«
»Es ist gut«, sagte Witiko.
In dieser Frist öffnete sich die Tür, und Ludmila, die Ehefrau Rownos, und Dimut, seine Schwester, traten herein. Ludmila war in einem grauen Gewande mit einem goldgewirkten Gürtel, Dimut trug ein dunkles Kleid, wie sie es in der Verteidigung Prags gehabt hatte, und das Kleid war mit Silber gegürtet.
Ludmila ging zu Witiko, reichte ihm die Hand, und sprach: »Seid gegrüßt, edler Mann Witiko, Ihr ziehet wieder auf die Felder zum Schutze des Reiches, und möge der höhere Schutz des Himmels Euch geleiten. Wir zu Hause wünschen es, und bringen unseren Anteil an dem Gebetschemel des Schlafgemaches dar.«
»Seid gegrüßt, verehrungswürdige Frau«, sagte Witiko, »es ist wahrhaftig der Schutz des Reiches, und es wird wahrhaftig der höhere Schutz nicht fehlen, um den gerechte Frauen bitten.«
Nun ging Dimut zu Witiko, reichte ihm gleichfalls die Hand, und sagte: »Sei gegrüßt, Witiko, du gehest wieder so, wie du im vorigen Jahre gegangen bist, und wirst wieder finden, die du in dem vorigen Jahre gefunden hast. In Prag werden die Heiligtümer aufgerichtet, und wenn sie fertig sind, werden die kommen, die sich des Werkes freuen, und werden darin beten. Und ihr werdet das Reich aufrichten, und wenn das Rechte geschieht, wie es auf Erden und im Himmel gilt, werden die kommen, die sich dessen freuen.«
»Sei gegrüßt, edle Jungfrau«, entgegnete Witiko, »du hast Worte gesagt wie im vergangenen Jahre. Mögen sie sich auch so erfüllen.«
»Sie werden sich erfüllen«, sagte Dimut.
Darauf sprach Witiko zu Ludmila: »Beurlaubet mich, hohe Frau, meine Männer stehen draußen in dem Schnee. Gehabet Euch wohl.«
»Gehabet Euch wohl, Witiko«, sagte Ludmila.
»Lebe wohl, Dimut«, sprach Witiko.
»Behalte die Freude, mit der du ziehst«, antwortete Dimut.
»Ich werde sie behalten«, sagte Witiko.
Darauf sprach er zu Rowno: »Lebe wohl.«
Rowno antwortete: »Lebe wohl.«
Dann rief Witiko zu den Männern, die in der Stube waren: »Seid gegrüßt, ihr Krieger, und gehabet euch wohl. Wir werden bald wieder auf dem nämlichen Boden stehen.«
»Sei gegrüßt, und lebe wohl«, riefen die Männer.
Dann ging Witiko aus der Stube. Rowno und mehrere Männer geleiteten ihn. Da er in dem Hofe war, bestieg er sein Pferd, und seine Begleiter bestiegen ihre Pferde. Desgleichen setzten sich Rowno und seine Männer auf ihre Pferde, und da Witiko durch das Tor und über den Damm hinaus ritt, gaben sie ihm das Geleite, bis er bei seinem Zuge angekommen war. Dort grüßten ihn Rowno und die Seinigen noch mit kriegerischer Ehre, und wandten sich dann zu dem Turme zurück. Witiko aber gab das Zeichen, die Hörner ertönten, und der Zug setzte sich wieder in Bewegung.
Er ging in dem Tale an dem Bache dahin, der gegen den Morgen floß.
Hie und da begegneten ihm Männer, die zu Rowno zogen.
Als der Mittag schon vorüber war, gelangte der Zug in die krumme Au. Von dort ging er zwischen den Felsen und der Moldau hinaus in freieres Land. Auf diesem Lande machte er ein Lager. Mehrere Männer saßen auf Steinen, mit denen die Äcker eingefaßt waren, andere saßen auf Stellen, welche schon der Schnee verlassen hatte, oder auf Dingen, die aus dem Schnee hervor ragten, und viele standen, und stützten sich auf ihre Lanzen. Sie nahmen Nahrung hervor, und erquickten sich. Die Frauen und manche Männer, die ihnen halfen, machten aus Holz, das sie gesammelt oder aus Dingen umher gewonnen hatten, zahlreiche Feuer, daran man sich wärmen, und Speisen bereiten konnte. Den Pferden wurde ihre Nahrung gereicht, und ihr Trank aus der Moldau geholt.
Da dieses geschah, ritt eine Zahl von Männern von der krummen Au her gegen das Lager. Als sie an demselben angekommen waren, und man sie gefragt hatte, was sie wollten, sagten sie, Diet von Wettern sende sie, und sie müßten mit Witiko sprechen. Sie wurden zu Witiko geführt, und er sprach eine Zeit mit ihnen. Dann ritten sie auf dem Wege, auf dem sie gekommen waren, wieder zurück.
Als die Menschen und Tiere gerastet hatten und gesättiget waren, ging der Zug wieder gegen Morgen weiter. Er ging zwischen Feldern und Wiesen und kleinen Wäldchen und zerstreuten Wohnungen hindurch, er ging an dem Orte Welešin vorüber, und kam gegen den Abend nach Daudleb. Als er dort auf den Feldern stehen blieb, ritt eine große Zahl von Männern über die Brücke zu ihm heraus. An der Spitze dieser Männer war der alte Lubomir, dann war Rastislaw, dann war Widimir, dann war Wentislaw, dann war Kodim, und es waren Momir und Diš. Witiko erkannte unter den Männern auch Slawa und Radim und Hostiwil und andere. Hinter allen ritt der Priester in dem dunkeln Gewande, der bei der Verteidigung von Prag gewesen war. Witiko war vor seinen Männern auf seinem Pferde. Hinter ihm waren die Reiter, und hinter den Reitern waren in einem großen Bogen die Fußgänger. Alle richteten ihre Angesichter gegen die, welche kamen.
Als die Reiter zu Witiko gelangt waren, hielten sie an. Lubomir saß auf einem schwarzen Rosse. Er hatte ein dunkles faltiges Gewand an, das von einem silbernen Gürtel gehalten wurde, auf dem blaue Steine waren. Sein Haupt trug eine schwarze Haube aus Sammet, von der aus einem großen blauen Steine eine kurze weiße Feder emporragte. Unter dem Rande der Haube waren die weißen Haare zu erblicken. Das Pferd hatte eine dunkle Ausrüstung und Zäumung, die mit Silber besetzt war.
Als nach seiner Ankunft einen Augenblick Schweigen gedauert hatte, hob er seine rechte Hand empor, fuhr mit ihr in einem Bogen gleichsam über die Männer, hielt sie dann ruhig aus dem faltigen Ärmel gestreckt, und rief: »Lubomir, der Zupan, begrüßt die Männer auf dem Boden seiner Zupanei, und seine Sippen begrüßen die Männer. Die Krieger wird er morgen begrüßen, wenn seine Krieger versammelt sind.«
Dann ließ er die Hand wieder nieder sinken.
Dann rief er: »So viele die Zupenburg beherbergen kann, sind geladen, sich zu erquicken. Es werden Speisen und Getränke und Decken und Lagerzeuge und Geschirre und Pferdebedürfnisse auf das Feld hinaus geschafft werden, und so mein Wort gilt, werden die Türen der Häuser des Burgfleckens geöffnet werden.«