Eva-Marie Horn

Mami Staffel 5 – Familienroman


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schon war Julia mit Sarah auf dem Arm verschwunden.

      Felix stand nun vor Corinna und schaute sie ernst an.

      »Wie geht es dir? Du siehst wunderbar aus.«

      »Mir… geht es gut. Und… dir?«

      »Jetzt auch sehr gut. Ich habe dich vermißt.«

      »Du hättest dich doch melden können«, antwortete Corinna und merkte, daß sie damit mehr von ihren Gefühlen verriet, als sie vorgehabt hatte.

      »Ich wollte dir Zeit lassen. Aber ich glaube, das war genug Zeit, oder?«

      »Ich…«

      Ja was? Corinna schloß den Mund wieder. Sie hätte fast gesagt, »Ich weiß nicht«, aber konnte sie das jetzt noch? Sie wußte, sie fühlte sich so stark zu Felix hingezogen, daß die Luft zwischen ihnen zu knistern schien.

      Er legte ihr die Arme auf die Schultern. Sicher wollte er sie an sich ziehen, doch leider platzten in diesem Moment andere Gäste in den Raum. Corinna trat einen Schritt zurück, und Felix wirkte ausgesprochen ärgerlich.

      »Da bist du ja, Felix. Ich wollte dich bitten… Willst du mir die junge Dame nicht vorstellen?«

      Corinna drehte sich um. Hinter ihr stand ein älterer, sehr gutaussehender Mann, ohne Zweifel der Vater von Julia und Felix.

      »Das ist Corinna Schmale, Vater. Corinna, mein Vater.«

      Er reichte ihr die Hand und schaute sie so aufmerksam an, daß Corinna ganz unbehaglich zumute wurde. Sie kam sich vor wie unter einem Mikroskop.

      »Sie sind das also.«

      Er klärte sie nicht darüber auf, was diese Bemerkung bedeuten sollte. Felix räusperte sich.

      »Bitte, Vater, laß das…«

      »Schon gut, schon gut. Aber ich glaube, diesmal bin ich mit deinen Entscheidungen mehr als einverstanden. Ach, übrigens, das ist Alfred Kerner, Bernds Nachfolger in der Firma.«

      Der andere Mann hatte ruhig abgewartet, bis er vorgestellt wurde. Corinna sah jetzt eine Chance, den Raum zu verlassen. Sie brauchte dringend einen Moment Erholung. Die Bemerkung Herrn Thomsens konnte eigentlich nur auf sie abgezielt haben. Hatte man so deutlich gemerkt, was Felix und sie füreinander empfanden? Wem wollte sie dann noch etwas vormachen?

      Felix folgte ihr kurze Zeit später, und war im Laufe des Abends meistens an ihrer Seite, auch wenn sie nicht dazu kamen, noch ein persönliches Wort zu wechseln. Corinna bedauerte das sehr, denn jetzt war sie es plötzlich, die viele Fragen an ihn gehabt hätte. Erst beim Abschied beugte er sich nah an ihr Ohr.

      »Wir sehen uns morgen in der Kirche, Corinna, schlaf schön. Ich freue mich auf dich.«

      »Ich… mich auch«, gab sie zurück.

      Im Taxi bestürmte Melanie sie mit Fragen.

      »Was hat er gesagt? Willst du mir eigentlich immer noch erzählen, daß da nichts zwischen euch gefunkt hat?«

      »Nein, das will ich nicht mehr. Es hat, glaube ich, tatsächlich gefunkt«, antwortete Corinna verträumt. Am liebsten hätte sie jetzt gar nicht gesprochen, sondern sich jede Minute des Abends in Erinnerung gerufen. Wenn Felix sie wie zufällig berührt hatte, wenn er sie angesehen oder angesprochen hatte, immer umgeben von anderen Gästen, war es ihr vorgekommen, als wären sie allein in einem eigenen kleinen Universum.

      Die letzte Frage, die sie sich stellte, bevor sie endlich einschlafen konnte, war die, wie er wohl küßte.

      *

      Alle Gäste waren in der Kirche versammelt, als die Braut und der Bräutigam unter den brausenden Orgelklängen das Hauptschiff betraten und durch den Mittelgang schritten. Die Braut trug ein bodenlanges Seidenkleid mit weitem Rock und einen langen Schleier, den zwei kleine Mäd-chen trugen. Vorweg gingen zwei weitere Kinder, die nach der Zeremonie Blumen streuen würden. Die Körbchen hielten sie fest in der Hand, sich ganz ihrer würdevollen Aufgabe bewußt.

      Corinna stiegen die Tränen in die Augen. Würde sie wohl auch einmal so einen wunderschönen Moment erleben?

      Sie schaute zu Felix hinüber, der seitlich neben dem Altar stand und auf seine Schwester wartete. Er sah jetzt zu Corinna hinüber. Ihre Blicke trafen sich. Corinna durchzuckte ein solches Glück, daß sie einen leisen Seufzer ausstieß. Er lächelte ihr zu…

      Corinna versuchte, sich wieder auf Julia und Sven zu konzentrieren. Die Zeremonie war schlicht und schön. Der Pastor fand sehr persönliche Worte, denn er hatte Julia bereits getauft und konfirmiert.

      Als die Hochzeitsgesellschaft vor der Kirche für die Fotos Aufstellung nahm, fühlte sich Corinna plötzlich am Arm gezogen. Sie drehte sich um.

      »Komm her, Corinna. Wir gehö-ren neben das Brautpaar.«

      »Aber ich…«

      »Bitte…«

      Felix legte ihr leicht den Arm um die Schulter. Corinna wußte, wie es auf dem Foto wirken mußte. Sie atmete ganz tief ein, um diesen Moment ohne wackelnde Knie zu überstehen.

      Alle gratulierten dem Paar. Julia war überglücklich, ihr Sven ebenso. Sie umarmte Corinna fest.

      »Ich hoffe, du magst ihn«, flüsterte sie, so daß es niemand hören konnte außer Corinna.

      »Ich… ja. Ich mag ihn sehr.«

      »Er verdient es genauso wie du.«

      Stunden später hielt Felix Corinna im Arm, als die anderen Gäste zu dem Brautpaar auf die Tanzfläche traten. Er zog sie dicht an sich. Es wurde ein langsamer Walzer gespielt, und Corinna hatte das Gefühl, über das Parkett zu schweben. Sie vergaß die Menschen um sich herum und gab sich ganz der Musik und der Bewegung hin. Felix’ warmer Atem streifte ihren Nacken, und als er sanft ihr Ohrläppchen küßte, lief ihr ein Schauer heftig über den Rücken. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr lange warten zu können. Wann war sie endlich mit ihm allein…

      Ihm erging es nicht anders. Den ganzen Abend wich er nicht mehr von ihrer Seite. Die Spannung zwischen ihnen war so groß, daß Corinna glaubte, unter Strom zu stehen. Als Kind hatte sie einmal einen Zaun berührt, der eine Kuhwiese begrenzte. So ähnlich war das Gefühl jetzt auch.

      Leider fand sich auch heute keine Gelegenheit, wirklich allein zu sein. Sie würden warten müssen, bis sie wieder in Hamburg war. Diesmal würde er sie nicht warten lassen.

      Dann kam der Moment, wo Julia ihren Strauß in die Menge werfen wollte, denn sie und Sven hatten jetzt vor, ihr Brautgemach, eine große Suite im Hotel, aufzusuchen. Alle nahmen Aufstellung. Corinna wurde von Felix zur Treppe dirigiert. Dann schob er sie noch ein Stück nach rechts, bis sie seiner Meinung nach richtig stand.

      »Was machst du mit mir? Es ist doch egal, wo ich stehe…«

      »Nein, das finde ich nicht. Ich möchte, daß du auf dem Videofilm richtig herauskommst. So hat dich der Fotograf am besten im Auge.«

      »Achtung!« rief Julia. Dann drehte sie sich mit dem Rücken zu den Gästen, die alle gespannt warteten. Einige Frauen streckten schon die Arme in die Höhe.

      »Und… jetzt!«

      Der Strauß flog direkt auf Corinna zu. Fast hätte noch eine ältere Frau zugegriffen, doch Felix war gewappnet. Er war größer und gab ihm einen kleinen Schubs in die richtige Richtung. Corinna konnte gar nicht anders, als ihn aufzufangen.

      »Bravo! Bravo, da haben wir die nächste Braut«, riefen einige Gäste. Alle begannen zu klatschen, einige jüngere Frauen wirkten leicht säuerlich. Corinna war ganz rot geworden, weil sich ihr alle zuwandten. Melanie klatschte am lautesten.

      »Wirst du es sein?« fragte Felix.

      »Was?«

      Sie wußte genau, was er meinte, aber für einen Moment nahm ihr der eigene Mut den Atem.

      »Meine Braut.«

      »Ja…