wegst dich mit einer Anmut, die mich fasziniert«, raunte er schmeichelnd.
Gudrun reagierte auf solche Äußerungen skeptisch. Sie wußte zwar, daß sie eine gute Figur hatte und ein hübsches Gesicht, doch sie vergaß auch nie, daß die Fabrik, die sie von den Eltern geerbt hatte, für Udo Braun Anreiz genug war, ihr etwas vorzuschwindeln.
»Wie sind die Verhandlungen mit dem Kaufhauskonzern gelaufen?« lenkte Gudrun ab. Sie hatte Braun als Geschäftsführer eingestellt und ihm alle nötigen Vollmachten übertragen, um genügend Zeit für ihr jetzt neunjähriges Töchterchen Cornelia zu haben. Sie wollte das Kind nicht von Fremden betreuen lassen. Die Leitung der Firma einem Geschäftsführer zu übertragen, erschien ihr als das kleinere Übel.
»Alles bestens«, prahlte Udo. Selbstbewußt hob er den Kopf mit den perfekt gestylten dunkelblonden Locken. »Noch in diesem Frühjahr beliefern wir sämtliche Filialen mit unseren Gartenmöbeln. Der Manager hat versucht, den Preis zu drücken. Aber er hat schnell eingesehen, daß so etwas bei mir nicht geht. Zehn Prozent Nachlaß und keine Mark mehr. Dafür erhält er Eschenbach-Qualität und nicht ein No-Name-Produkt aus Taiwan. Der Abschluß ist beachtlich, aber ich würde mit dir trotzdem lieber über andere Dinge sprechen. Über unsere ganz persönlichen Beziehungen zum Beispiel.« Udo lächelte Gudrun gewinnend an. Er gab ihr das gefüllte Glas in die Hand.
»Auf unsere Freundschaft, unsere Liebe.« Udo hielt diesen Augenblick für sehr wichtig, denn Gud-run gab ihm nur selten Gelegenheit zu einem Beisammensein unter vier Augen.
»Krieg’ ich auch ein Glas?« piepste es da von der Tür her.
Erschrocken fuhr Udo herum. Er hatte die Stimme der kleinen Cornelia zwar sofort erkannt, hatte aber nicht damit gerechnet, daß das Kind auftauchen könnte. Seiner Ansicht nach störte Conny, wie die Tochter der Chefin allgemein genannt wurde, immer, jetzt aber ganz besonders.
Gudrun, die das Kind kommen sah, war weniger überrascht. Sie wußte, daß Conny den Geschäftsführer nicht besonders mochte, und dies war wohl auch der Grund dafür, daß die Kleine zu so später Stunde aus dem Bett kam und hier auftauchte.
»Hey, Prinzessin«, grüßte Udo mit der ihm eigenen Falschheit. Er haßte das Kind, das bis heute jedes intime Zusammensein mit Gudrun vereitelt hatte. Doch er durfte sich seine Abneigung nicht anmerken lassen, weil Gudrun dieses vorlaute Kind abgöttisch liebte. Wer ihr näherkommen wollte, durfte nicht gegen Conny sein.
»Ich glaube, das ist nicht der richtige Schlummertrunk für dich.«
Conny bot in ihrem langen Nachthemdchen und mit offenen blonden Haaren den Anblick eines unschuldigen Engelchens. Doch Udo wußte, daß es die Kleine faustdick hinter den Ohren hatte. Und ihr Einfluß auf Gudrun war nicht zu unterschätzen.
»Warum nicht?« Conny hielt das Köpfchen schief. Instinktiv spürte sie, daß sich die Erwachsenen nicht nur über geschäftliche Dinge unterhalten würden, und das paßte ihr nicht.
»Das ist Alkohol und würde dir ohnehin nicht schmecken«, versicherte Gudrun, der die Störung auch nicht angenehm war. Sie hatte sich lange Gedanken darüber gemacht und war zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Verbindung zwischen Udo und ihr vernünftig war. Immerhin führte er seit fünf Jahren zuverlässig den Betrieb, konnte ihn sogar erheblich vergrößern. Er sagte ihr immer wieder, daß er sie liebte, und langsam begann sie ihm zu glauben.
»Darf ich mal kosten?« Conny tapste auf bloßen Füßen näher. »Die Sabine hat schon ganz oft Sekt getrunken«, behauptete Conny und streckte bittend die Hand aus. Sabine war ihre beste Freundin, ein bißchen altklug, aber sehr anhänglich.
»Aber bitte nur einen Schluck.« Gudrun überließ der kleinen Tochter ihr Glas.
Conny nippte nur. Sie mochte den Geschmack nicht, lobte ihn aber trotzdem. »Hm, fein.« Mit der Zungenspitze fuhr sie sich über die Lippen. Dabei bemerkte sie Gudruns bittenden Blick, der nur eines bedeuten konnte: schnell zurück ins Bett! »Kommst du noch, Mami?« bettelte die Kleine, daran gewöhnt, daß ihr nichts abgeschlagen wurde.
Doch heute schüttelte Gudrun den Kopf, daß das kinnlange blonde Haar nur so schaukelte. »Es ist zu spät, mein Schatz. Du solltest schlafen.«
Schmollend zog Conny ab, und Udo atmete auf. Endlich konnte er mit Gudrun anstoßen.
»Möchtest du meine Frau werden?« fragte er nach dem ersten hastigen Schluck. »Es ist mein größter Wunsch, immer in deiner Nähe zu sein, für dich zu sorgen und dich zu verwöhnen, schöne Gudrun.« Udo war voll Unruhe, denn er mußte befürchten, daß Conny erneut störte.
Seine düstere Ahnung erfüllte sich, noch bevor seine Chefin antworten konnte.
»Mami, ich hab’ wieder Halsschmerzen«, meldete die Kleine in weinerlichem Ton.
Nicht nur Udo wußte, daß die Beschwerden frei erfunden waren. Auch Gudrun ahnte es. Ihre kleine Tochter störte ganz bewußt die Unterhaltung mit Udo Braun. Vielleicht war es gut so, denn auf diese Weise hatte sie, Gudrun, Gelegenheit, sich die Antwort nochmals zu überlegen.
»Entschuldige«, murmelte sie zu Udo gewandt. »Ich gebe Conny ihre Tropfen und komme gleich zurück.«
Geduld gehörte nicht zu Udos Stärken. Er war verärgert und konnte es nur schwer verbergen. »Ich glaube, das war nicht der richtige Zeitpunkt. Ich sollte besser gehen. Wir sehen uns morgen in der Firma. Vielleicht kannst du mir dann sagen, wie du über meinen Vorschlag denkst.« Udo Braun, von seiner ersten Frau wegen Untreue geschieden, hatte eigentlich nicht mehr heiraten wollen. Ihm gefiel das freie Leben als Single, doch sein Gehalt als Geschäftsführer reichte nicht aus, dieses Leben zu finanzieren. Als Gudruns Ehemann würde er nicht nur über die Geschäftskonten, sondern auch über das Privatvermögen der Familie verfügen. Das war der Anreiz, für den er die Freiheit aufgeben wollte.
»Ja«, antwortete die blonde Frau etwas bedrückt. Sie wußte nicht, ob sie traurig oder froh sein sollte, daß dieser Abend so abrupt endete.
*
Für Conny stellte sich diese Frage nicht. Sie war überglücklich, ihre Mami wieder ganz für sich allein zu haben. Mit einem mächtigen Satz hüpfte die Kleine in ihr Bett, zog sich die Decke über den Kopf und kicherte vergnügt. Wieder einmal hatte sie dem ungeliebten Udo eins ausgewischt!
Gudrun kam mit den Tropfen, die der Kinderarzt dem kleinen Mädchen gegen Halsschmerzen verschrieben hatte. Sie waren bitter, und Conny nahm sie deshalb nur, wenn es sich wirklich nicht umgehen ließ. Jetzt blinzelte sie ein bißchen schuldbewußt hoch.
»Es ist schon… schon viel besser, Mami«, versicherte sie und forschte in Gudruns vertrautem Gesicht. War die Mami ärgerlich oder vielleicht sogar böse?
Um jeder Verstimmung vorzubeugen, richtete sich Conny auf und schlang beide Arme um Gud-runs Hals. »Mami, ich bin froh, daß er weg ist.«
»Du hast also geschwindelt«, stellte Gudrun fest, was sie eigentlich von Anfang an gewußt hatte. »Warum?«
Conny antwortete mit einer geflüsterten Gegenfrage. Kummer und Sorge schwangen in der leisen Kinderstimme mit. »Magst du ihn?«
Gudrun zögerte einen Augenblick. Damals, als sie sich von ihrem Mann trennte, weil er sie belogen hatte, hatte sie sich geschworen, zu ihrem Kind immer ehrlich zu sein. Daran hielt sie sich streng. »Ich weiß es nicht«, seufzte sie. Es war die Wahrheit, und Gudrun ahnte, daß ihre kleine Tochter das nicht verstehen würde.
»Und warum hast du ihm dann einen Kuß gegeben?« forschte die Kleine, hob den Kopf und schaute Gudrun ernst an.
Sie waren sich sehr ähnlich, die beiden. Cornelia hatte Gudruns volles blondes Haar geerbt, auch ihre hellen Augen. Allerdings schimmerten sie bei ihr blau, während die der Mutti grün waren wie das Wasser eines Bergsees im Sonnenlicht. Auch Gudruns klare, ebenmäßige Gesichtszüge und den auffallend hübschen Mund hatte Conny geerbt. Dazu die braungetönte Haut ihres Vaters, der mexikanischer Abstammung war.
»Ach, das hast du gesehen«, murmelte Gudrun etwas beschämt. Er war nicht ehrlich gewesen,