Zeichen, dass diese Bemerkung nicht ganz ernst gemeint und sein Selbstbewusstsein nicht so unerschütterlich war, wie er es gern hätte.
Verwundert legte Anneka den Kopf schief.
»Hallenfußball? Ich dachte, das spielst du nie wieder, weil du dich doch neulich verletzt hast.«
»Ach, du meinst die Muskelschmerzen?«, winkte Felix unbeirrt ab. »Dank Mums wunderbarer Behandlung haben sie sich in Luft aufgelöst. Liebe ist halt doch immer noch die beste Medizin«, fügte er mit so treuherzigem Augenaufschlag hinzu, dass sich Anneka geschlagen gab.
»Also schön. Dann werde ich mal sehen, was ich für dich tun kann«, gab sie sich schließlich diesem Ausbund an männlichem Charme geschlagen und stand auf, um gemeinsam mit Felix den Tisch abzuräumen.
Gut erzogen, wie sie waren, halfen die Geschwister Lenni noch beim Aufräumen und heimsten ein zufriedenes Lob ein, ehe sie eine Viertelstunde später in Felix’ Wagen in die Praxis aufbrachen.
*
»Anneka, das ist ja eine Überraschung!« Wendy strahlte, als die ältere Tochter des Arztehepaares vor dem Tresen der Praxis Dr. Norden auftauchte. Sie kannte die Kinder ihres Chefs von Kindesbeinen an und hatte lebhaft Anteil an ihrer Entwicklung genommen. »Wie geht es dir?«, erkundigte sie sich und lauschte interessiert dem Bericht der jungen Frau.
»Und jetzt bin ich hier, um mir eine Unterschrift von Dad abzuholen«, schloss Anneka ihren kurzen Lagebericht.
Wendy lächelte.
»Das ist schon so eine Sache, wenn Eltern selbstständig werden, was?«, stellte sie scherzhaft fest. »Dein Vater ist gerade in einer Behandlung. Am besten, du setzt dich noch einen Moment ins Wartezimmer. Ich denke, es dauert nicht mehr lange.«
»Kein Problem«, winkte Anneka ab. »Felix ist sowieso noch unterwegs. Er wollte schnell was einkaufen und ist in ungefähr einer halben Stunde zurück.«
»Das trifft sich ja gut.« Zufrieden kehrte die langjährige Assistentin der Praxis Dr. Norden an ihre Arbeit zurück, und Anneka ging hinüber ins Wartezimmer. Nur ein junger Mann saß dort. Er war in eine Zeitschrift vertieft. Als Anneka ihn grüßte, hob er den Kopf. Sekundenlang starrten sie sich wortlos an.
Es war die Arzttochter, die ihre Sprache zuerst wiederfand.
»Leon? Bist du das?«
»Anneka?« Leons Stimme vibrierte vor freudiger Aufregung. Mit ein paar Schritten war Anneka bei ihm und setzte sich auf den freien Stuhl zu seiner Rechten. »Das gibt’s doch gar nicht.«
»Mensch, das ist wirklich ein Zufall. Wie lang ist das denn her, dass wir uns zuletzt gesehen haben?«, fragte Anneka und lachte vor Freude.
Leon dachte nach, ohne die ehemalige Freundin aus den Augen zu lassen.
»Das war in diesem Kindertennistraining. Damals waren wir vier oder fünf Jahre alt.«
»Eigentlich müsste ich ja jetzt sagen, dass du dich kaum verändert hast«, kicherte Anneka und wunderte sich über sich selbst. Warum nur war der Blick in Leons tiefgründige Augen so aufregend? »Aber das stimmt nicht. Du siehst richtig erwachsen aus. Trotzdem hab ich dich sofort erkannt.«
»Und du bist wunderschön geworden«, entfuhr es Leon, und Anneka schoss die Röte in die Wangen. »Dir scheint es richtig gut zu gehen«, erklärte er schnell, um sie aus ihrer Verlegenheit zu erlösen.
»Das stimmt. Und wie läuft es bei dir? Du bist doch hoffentlich nicht krank?« Sie hatte kaum ausgesprochen, als sie sich schon über ihre Worte ärgerte. Natürlich musste er krank sein. Was hatte er sonst beim Arzt zu suchen?
»Wie man es nimmt«, seufzte Leon nachdenklich. »Ich hab ja damals einfach mit Tennis weitergemacht. Im Grunde genommen ist es immer dasselbe. Nicht besonders spannend«, gab er sich bescheiden.
»Das glaub ich dir nicht«, widersprach Anneka sofort, und Leon lächelte über ihre Leidenschaft.
»Na ja, ich hab einen neuen Verein gefunden, für den ich bald auf einem wichtigen Turnier antreten darf.« Obwohl er sich bemühte, nicht anzugeben, schwang Stolz in seiner Stimme mit.
»Das ist ja toll! Davon hast du schon als kleiner Junge geträumt. Ich erinnere mich gut daran.« Tatsächlich hatte Anneka plötzlich das Bild des blondgelockten, süßen Jungen vor Augen, der Leon einmal gewesen war. Sie war so gefesselt von dieser Erinnerung, dass sie nicht bemerkte, wie sich seine Miene verfinsterte.
»Das stimmt schon.« Erst als sie den Groll in seiner Stimme hörte, kehrte sie in die Wirklichkeit zurück. »Aber der Traum ist leider ausgeträumt. Dein Vater meint, dass ich an den Bandscheiben operiert werden muss. Weißt du, was das bedeutet? Dass ich meine Karriere vergessen kann.« Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und wirkte plötzlich so verzweifelt, dass Annekas Herz schwer wurde vor Mitgefühl.
»Gibt es keine andere Möglichkeit?«, fragte sie hoffnungsvoll.
Er sah so betrübt aus, dass sie nicht anders konnte und spontan nach seiner Hand griff. Die zärtliche Berührung tat ihm unverhofft gut, und Leon lächelte trotz seiner Sorgen fein.
»Keine Ahnung. Ich denke mal, dass wir das gleich besprechen werden.« Er schickte ihr einen tiefen Blick, und Anneka spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann.
»Du darfst nicht aufgeben!«, erklärte sie leidenschaftlich. »Du musst an dich glauben. Du musst kämpfen!« Während sie sprach, steckte Janine den Kopf zur Tür herein.
Als sie die beiden jungen Menschen sah, die ganz in den Anblick des anderen vertieft waren, musste sie unwillkürlich lächeln.
»Anneka, dein Vater hat jetzt kurz Zeit«, weckte sie die Tochter ihres Chefs nur ungern aus ihrer Verzückung.
Wie ertappt zuckte die junge Frau zusammen. Schnell zog sie ihre Hand zurück, schickte Leon einen entschuldigenden Blick und sprang vom Stuhl auf.
»Alles Gute! Ich glaub an dich!«, raunte sie ihm noch zu, ehe sie an Janine vorbei aus dem Wartezimmer lief.
»Und Sie, Herr Matthes, können schon mal mit ins Behandlungszimmer kommen. Der Doktor hat gleich Zeit für Sie«, erklärte die Assistentin schmunzelnd.
Als sie den sehnsüchtigen Blick sah, mit dem Leon Anneka nachsah, wünschte sie sich einen kurzen, heißen Augenblick lang, noch einmal so jung zu sein wie damals, als die Liebe noch leicht und unbeschwert war. Doch der Moment ging vorüber, und pflichtbewusst kehrte Janine an ihre Arbeit zurück.
*
Obwohl Leon die Begegnung mit seiner Sandkastenfreundin aufgewühlt hatte, war sein Herz schwer, als er Janine ins Sprechzimmer folgte. Er musste nicht lange warten, bis sich der Arzt zu ihm gesellte und die Tür hinter sich schloss.
»Anneka hat mir erzählt, dass ihr euch kennt«, berichtete Daniel lächelnd, nachdem er seinen jungen Patienten begrüßt hatte. »Das ist ja wirklich ein schöner Zufall.«
»Noch schöner wäre er, wenn ich mir keine solchen Sorgen machen müsste«, gab Leon düster zurück und starrte auf seine rechte Hand, die vor wenigen Minuten noch in Annekas gelegen hatte. Er fühlte fast noch ihre Wärme und musste trotz allem lächeln.
Dr. Norden bemerkte seine Versunkenheit mit einem Schmunzeln, sagte aber nichts dazu.
»Vielleicht habe ich ja gute Neuigkeiten für dich«, erklärte er statt dessen.
Sofort hob Leon den Kopf und sah den Arzt fragend an.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich hab mich nochmal mit meiner Frau – sie arbeitet auf der Kinderstation der Behnisch-Klinik – und der Klinikchefin Dr. Behnisch beraten. Wir haben beschlossen, dass wir es zunächst mit einer Schmerztherapie versuchen wollen.« Daniel sah es Leon an, dass er in Jubel ausbrechen wollte, und hob warnend die Hände. »Wie gesagt, es handelt sich um einen Versuch. Eine Garantie, dass es klappt, kann ich nicht geben«, warnte er den Tennisspieler vorsichtshalber.
Leon hörte