Voltaire (François-Marie Arouet) (1694-1778) an Marie-Louise Denis2 François-Marie Arouet alias Voltaire wird so manch abenteuerliche Frauengeschichte nachgesagt. Schon als 19-jähriger Sekretär in Den Haag hätte der spätere große Aufklärer beinahe eine 17-jährige Hugenottin entführt, die eine satirische Zeitschrift herausgab. Voltaire hat nie geheiratet; eine seiner Geliebten war Marie-Louise Denis, seine Nichte, mit der er seinen Lebensabend verbrachte und die er in seinem Testament als Universalerbin einsetzte. Marie-Louises erster Mann war nach nur vier Jahren Ehe gestorben. Nach Voltaires Tod heiratete sie im Alter von 68 Jahren noch einmal. Montag, 27. Dezember 1745 Sie haben mir einen beglückenden Brief geschrieben, den ich an mein Herz gedrückt habe; ich bin gar nicht überrascht, dass Sie so gut Italienisch schreiben. Es ziemt sich für Sie, die Sprache der Liebe zu beherrschen. Bei Gott, ich kann Ihnen keinen Glauben schenken, wenn Sie mir sagen, dass Sie keinen Liebhaber hätten. Wie kann das möglich sein? Wie können Sie so viel Anmut einfach brachliegen lassen? Sie – und keine sinnliche Liebe? Ach, meine Allerliebste, Sie beleidigen Ihren Gott. Sie sagen mir, dass mein Brief brennende sinnliche Begierde in Ihnen geweckt hat, auch ich brenne vor Begierde. Ihre Worte haben mein Herz höher schlagen lassen und meine Leidenschaft entflammt. Ihrem Brief habe ich den Tribut entrichtet, den ich Ihrer Person hätte spenden wollen. Die Begierde verflüchtigt sich jedoch bald, aber die Freundschaft, die uns verbindet, das gegenseitige Vertrauen, die Freude des Herzens, die Begierde der Seele schwinden nicht so schnell dahin. Ich werde Sie bis zu meinem Tod lieben. Hier in meinem Zimmer werden Sie die vier Karten für die Aufführung von Armida vorfinden. Ich werde sie Ihnen zu Füßen legen und anschließend mit meiner lieben Denis von Paris nach Versailles fahren. Leben Sie wohl, ich umarme Sie tausendmal. Diesen Mittwoch, Abends Mein liebes Kind, Ihr Brief tröstet mich sehr über das Unglück hinweg, das es für mich bedeutet, hier in Versailles zu sein, über all die Mühen, die ich hier auf mich nehmen muss, damit mir auch nur die bescheidensten Bitten gewährt werden und um die Bosheiten abzuwehren, die man hier stets bereit ist, einander zuzufügen. Ich werde noch ganz blöd davon und bin sehr unglücklich, dass ich nicht zusammen mit Ihnen in Ruhe und Frieden leben kann, irgendwo weit weg von Königen, Höflingen und Armleuchtern. Diese Gedanken stürzen mich in Verzweiflung. Es treibt mir die Röte ins Gesicht, dass ich ein so großer Philosoph in der Theorie sein kann und ein so armseliges menschliches Exemplar in der Praxis. Nur jene finden Glück und einen Sinn im Leben, die selbiges mit ihren Freunden verbringen. Ich hoffe darauf, bald zurückzukehren; Ihre Gegenwart vertreibt all meinen Kummer und meine Sorgen. Aber welch ein Schicksal ist dies, fortwährend voneinander getrennt zu sein! Sich nach einander zu sehnen, ohne sich sehen zu können! Ach, ich bin es leid, nicht mit Ihnen im selben Haus zu weilen! Es scheint mir, dass Sie mir Seelenfrieden bringen. Leben Sie wohl, mein liebes Kind. Lieben Sie den Wütenden von Versailles ein wenig! [1746] Ach, großer Gott, mein liebes Kind, wer sind die Übeltäter, die Ihnen erzählt haben, ich hätte mit Mme Le Dosseur zu Abend gegessen? Ich habe ganz sicherlich mit überhaupt niemandem zu Abend gegessen, seit ich mit Ihnen zu Abend gegessen habe! Kommen Sie morgen doch zur Generalprobe, wenn Sie können, zusammen mit Mme Desfontaines, falls Sie kann. […] Doch das sind schöne Bagatellen. Ich liebe Sie von ganzem Herzen. Das ist Ernst. Man wollte mich begraben, aber ich bin ihnen entschlüpft. Einen Guten Abend, V. Mein liebes Kind, da gibt es tausend Dinge, die ich Ihnen sagen muss. Falls Sie bei sich zu Hause dinieren, werde ich zwischen 3 und 4 Uhr vorbeikommen, um Sie nach ihrem Diner zu sehen. Erwarten Sie den allerbesten ihrer Freunde. V. Freitag [März 1749] Mia cara, ich habe größere Lust, Sie zu küssen, als Sie keine haben, einen Rückfall zu erleiden. Ich diniere nicht mehr, ich habe um Ihretwillen meine Essgewohntheiten völlig auf den Kopf gestellt, bis Sie sich endlich dazu herablassen, mit mir zu Abend zu essen. Geben Sie um meinetwillen Mme du Bocage einen Korb, sie liebt Sie nicht so wie ich. Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) an Friedrich Reinhold von Berg Der Archäologe Johann Joachim Winckelmann beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit griechischer Kunstgeschichte, und seine Schriften wurden maßgebend für die Rezeption der antiken Kunst im 19. Jahrhundert. Er hatte Beziehungen zu mehreren jungen Männern, von denen er in Briefen an Gleichgesinnte offen erzählte, und behauptete sogar, dass der Sinn für männliche Schönheit und für Kunst untrennbar seien. 1768 wurde er aus ungeklärten Gründen in einem Hotel in Triest erstochen; möglicherweise hatte er seinem Mörder, dem Koch des Hotels, Avancen gemacht. Der Täter wurde durch Rädern hingerichtet. Rom den 9. Jun. 1762 Edler Freund! So wie eine zärtliche Mutter untröstlich weinet um ein geliebtes Kind, welches ihr ein gewalttätiger Prinz entreißt und zum gegenwärtigen Tod ins Schlachtfeld stellet; eben so bejammere ich die Trennung von Ihnen, mein süßer Freund, mit Tränen, die aus der Seele selbst fließen. Ein unbegreiflicher Zug zu Ihnen, den nicht Gestalt und Gewächs allein erwecket, ließ mich von dem ersten Augenblicke an, da ich Sie sahe, eine Spur von derjenigen Harmonie fühlen, die über menschliche Begriffe gehet, und von der ewigen Verbindung der Dinge angestimmet wird. In 40 Jahren meines Lebens ist dieses der zweite Fall, in welchem ich mich befunden, und es wird vermutlich der letzte sein. Mein werter Freund, eine gleich starke Neigung kann kein Mensch in der Welt gegen Sie tragen: Denn eine völlige Übereinstimmung der Seelen ist nur allein zwischen zweien möglich; alle anderen Neigungen sind nur Absenker aus diesem edlen Stamme. Aber dieser göttliche Trieb ist den mehresten Menschen unbekannt, und wird daher von vielen übelverstanden gedeutet. Die Liebe in dem höchsten Grad ihrer Stärke muss sich nach allen möglichen Fähigkeiten äußern: I thee both as Man and Woman prize For a perfect love implies Love in all capacities. – Cowley. Und diese ist der Grund, worauf die unsterblichen Freundschaften der alten Welt, eines Theseus und Pirithous, eines Achilles und PatrocIus gebaut sind. Freundschaft ohne Liebe ist nur Bekanntschaft. Jene aber ist heroisch und über alles erhaben; sie erniedrigt den willigen Freund bis in den Staub und treibt ihn bis zum Tod. Alle Tugenden sind teils durch andere Neigungen geschwächet, teils eines falschen Scheines fähig; eine solche Freundschaft, die bis an die äußersten Linien der Menschlichkeit gehet, bricht mit Gewalt hervor, und ist die höchste Tugend, die jetzt unter den Menschenkindern unbekannt ist, und also auch das höchste Gut, welches in dem Besitze derselben besteht. Die christliche Moral lehret dieselbe nicht; aber die Heiden beteten dieselbe an, und die größte Taten des Altertums sind durch dieselbe vollbracht. Ein einziger Monat Ihres verlängerten Aufenthalts in Rom und mehr Muse, mit Ihnen, mein Freund, besonders zu sprechen, würden diese Freundschaft auf unbeweglichen Grund gesetzt haben, und alle meine Zeit wäre Ihnen gewidmet gewesen. Dem ungeachtet hätte ich mich in starken und schriftlich unaussprechlichen Worten erklären müssen, wenn ich nicht gemerket, dass ich Ihnen in einer ungewöhnlichen Sprache reden würde. Sie können also glauben, dass ich nicht bezahlt sein wolle; Ihre gütige Meinung aber behält, ohne dieselbe stattfinden zu lassen, allen ihren Wert, und ich küsse Ihnen die Hände, wie für einen großen Schatz, welchen Sie mir hätten schenken wollen. Der Genius unserer Freundschaft wird Ihnen von ferne folgen bis Paris und Sie dort in dem Sitze der törichten Lüste verlassen; hier aber wird Ihr Bild mein Heiliger sein. Dem teuern Herrn Grafen von Münnich, welcher