Stefan Zweig

Gesammelte Biografien bekannter historischer Persönlichkeiten


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»das Leben, das große, zu verkünden«, alle, alle kriechen sie wie Gewürm aus den Winkeln ihres Wesens, um mitzusprechen im großen Choral. Keiner will sterben, keiner das Leben lassen, das heilig geliebte, keines Leiden ist so tief, daß er es mit dem Tode noch tauschte, dem ewigen Widerpart. Und diese Hölle, Dunkelheit der Verzweiflung, hallt plötzlich an ihren harten Wänden Lobgesang des Schicksals wider, aus Fegefeuern entbrennt fanatische Glut der Dankbarkeit. Licht, unendliches Licht strömt ein, der Himmel Dostojewskis bricht über die Erde, und rauschend über alle dröhnt das letzte Wort, das Dostojewski schrieb, das Wort der Kinder bei der Rede am großen Stein, der heilig barbarische Ruf: »Hurra das Leben!«

      O Leben, wunderbares, das du dir mit wissendem Willen Märtyrer schaffst, auf daß sie dir lobsingen, o Leben, weisegrausames, das du die Größen dir hörig machst mit Leiden, damit sie deinen Triumph verkünden! Den ewigen Schrei Hiobs, der durch die Jahrtausende tönt, da er in der Plage Gott erkennt, immer willst du ihn wieder hören und der Männer Daniels Jubelgesang, indes ihr Leib im feurigen Ofen brennt. Ewig entzündest du ihn, klingende Kohle, auf der Zunge der Dichter, die du zu Leidenden machst, auf daß sie dir hörig werden und dich nennen in Liebe! Beethoven schlägst du im Sinne der Musik, daß der Ertaubte das Brausen Gottes höre und, vom Tode berührt, dir die Hymne der Freude dichte, Rembrandt jagst du ins Dunkel der Armut, daß er Licht, dein Urlicht, in Farben sich suche, Dante verjagst du vom Vaterland, daß er Hölle und Himmel im Traum erschaue, alle hast du mit deinen Geißeln gejagt in deine Unendlichkeit. Und diesen, den du wie keinen gegeißelt, auch ihn hast du dir gezwungen zum Knechte, und siehe, von schäumender Lippe, hinfallend in Krämpfen jauchzt er dir Hosianna zu, das heilige Hosianna, das »durch alle Fegefeuer der Zweifel gegangen«. O wie siegst du in den Menschen, die du leiden läßt, aus Nacht machst du Tag, aus Leiden die Liebe, aus der Hölle holst du dir heiligen Lobgesang. Denn der Leidendste ist der Wissendste aller, und wer um dich weiß, muß dich segnen: und dieser, der dich zutiefst erkannte, siehe, er hat dich wie keiner bezeugt, er hat dich wie keiner geliebt!

      Marceline Desbordes-Valmore - Das Lebensbild einer Dichterin (1920)

       Inhaltsverzeichnis

      Im Insel-Verlag zu Leipzig, 1920

       Erster Teil. Bildnis ihres Schicksals

       Die verlorene Kindheit

       Die Schauspielerin

       Die Liebende

       Der Verführer

       Die Verlassene

       Valmore

       Die Nomade

       Menschlichkeit

       Die Dichterin

       Die Frau

       Mater dolorosa

       Hingang und Unsterblichkeit

       Zweiter Teil. Gedichte

       Mein Zimmer

       Vorahnung

       Elegie

       Die Rosen von Saadi

       Herbstanfang

       Vor Dir!

       Brief einer Frau

       An meine Schwester

       Trennung

       Die Verzeihung

       Schlafe

       Gebet

       Seele und Jugend

       Das Leben

       An die Sonne

       Hab Dank, mein Gott

       An jene, die weinen

       Die Gefängnisse und die Gebete

       Ein Neugeborener

       Um das Kind einzuschläfern

       Das Kopfkissen eines kleinen Mädchens

       Gebet (als Abgesang)

       An meinen Sohn

       Palmsonntag

       Entsagung

       Suchende Seele

       Der entblätterte Kranz

       Dritter Teil. Autobiographische Fragmente

       An Sainte-Beuve

       Allererste Liebe