Stefan Zweig

Gesammelte Biografien bekannter historischer Persönlichkeiten


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Die Liebe himmelan.

      Wie lange noch, und ich

       Seh dich nicht mehr,

       Die Wege trennen sich.

       Wir weinen sehr.

       Zu andrer Seele wendest

       Du dich ohn’ Frist,

       Die du dich nie verschwendest

       Und ewig bist.

      Hin wo die Stunde schlägt,

       Dein Flügel zieht,

       Der Strom ins Weite trägt,

       Der Tag entflieht –

       O Jugend, froher Falter,

       Dort schwebst du hin,

       Da ich vom bleichen Alter

       Ummauert bin.

      Das Leben

       Inhaltsverzeichnis

      Habt Mitleid! Süß war meine Welle,

       Doch mich verschlang das gierige Meer;

       Nun trag ich Bitternis einher,

       Wohin mich stößt des Windes Schnelle.

      Den nicht ich kannte – salziger Sand,

       Rollt mit mir durch die grünen Fluren,

       Gibt Gras und Blumen herbe Spuren,

       Und leise klagt ihr Widerstand.

      Ich stürzte wild von Bergen nieder,

       Der Nachtduft, den ich droben trank,

       Der tief in junge Wasser sank,

       Dringt nie herab zu mir – nie wieder!

      Froh flog ich hin, voll Übermut,

       Und schwang, gleich Schleiern von Topasen,

       In buntem Tanz Milliarden Blasen –

       Wie anders stürmte meine Flut!

      Aus Himmeln schauten Vögel leise

       Ihr Bild in mir und liebten mich

       Noch mehr als Wolkentrunk, denn ich

       Erfrischte ihnen Lied und Weise.

      Kein Ton erfreute mehr das Ohr

       Mit Gruß und Lockung, hinzulauschen,

       Mit melodiösem Sang und Rauschen,

       Als meiner Strömung heller Flor:

      Mein klangvoll klares Bachgeriesel,

       Darüber grüne Kresse kroch;

       Mein frohes Lied, es murmelt noch,

       Doch winterdumpf, durch Sand und Kiesel.

      Kein Jubel klingt auf meinen Pfad:

       Der Vogel, dessen Durst betrogen,

       Ist Wolkenzügen nachgeflogen;

       Die Nachtigall kommt nicht zum Bad.

      Des Himmels Glut und lichte Zier

       Streut ich als Perlen unters Moos…

       Ach, süß war einst mein Wasserschoß –

       Jetzt schlepp ich nur noch Salz mit mir!

      An die Sonne

       Inhaltsverzeichnis

      Du Freundin von Armut und Trauer,

       Du ewiges Lächeln im Leid,

       Du liebender, glühender Schauer

       Der Güte, die sieht und verzeiht!

       Deine Flamme hat nie mich betrogen,

       Wie heftig der Sturmwind auch blies,

       Dein Licht hat mich niemals belogen,

       Wenn es Wiedersehen verhieß.

      Den Wipfel der jungen Platane

       Erhebst du zu Fülle und Glanz,

       Meinem Fenster als Vorhang und Fahne,

       Meiner Stirn als kühlenden Kranz.

       Durch Italiens Pracht und Zypressen

       Hinwandl ich, die Blicke gesenkt,

       Und ob mich auch jeder vergessen –

       Du, du hast Erbarmen geschenkt!

      O gieß deine strahlenden Küsse

       Vom Himmel herab in die Welt,

       Leuchtfeuer durch Finsternisse,

       Das Abgrund um Abgrund erhellt.

       Hoch über den Bergen und Stegen,

       Schau, Flammenseele, uns zu,

       Auf fremden verworrenen Wegen

       Bewach und beschütze uns, du!

      Hüll Frankreich in goldene Ranken

       Und die Herzen, die dort mir vertraun,

       Und laß meinen Sohn in Gedanken

       Das Auge der Mutter erschaun.

       Gieß Licht in sein Suchen, sein Sehnen,

       Doch weint er um mich, weint vor dir –

       O Stern, so sammle die Tränen

       Und schütte sie aus über mir!

      Hab Dank, mein Gott

       Inhaltsverzeichnis

      Ich kam auf Erden, wo ich schreite,

       An mehr als eine Schlucht, ich fiel,

       Dann rief mein heißer Schrei ins Weite,

       Mein Gott, mein Vater war sein Ziel.

       Und sanft und liebreich glitt hernieder

       Ein Abgesandter deiner Huld

       Und half mir aus dem Dunkel wieder –

       Mein Gott, zahl du ihm meine Schuld!

      Ich sah auf Erden, wo ich weine,

       Manch Auge, drin ein Beten stand;

       Gott selber sprach aus seinem Scheine –

       Ich sah in dieses Himmelsland,

       Darin viel heller Stern erstrahlte,

       Und lernte Mitleid und Geduld

       Und hatte nichts, womit ich zahlte.

       Mein Gott, bezahle du die Schuld!

      Ich fand auf Erden, wo ich singe,

       Oft Herzen voller Harmonie;

       Verborgne Muse, deren Schwinge

       Gefaltet bleibt, so lauschen sie

       In Nachsicht meiner armen Leier,

       Und sind voll Sanftmut und Geduld;

       Mein Lied ward stolz durch sie und freier –

       Mein Gott, bezahle meine Schuld!

      Ich traf jedweden Tag auf Erden

       Das große Heer des Elends an,

       Sah Waisenkinder bresthaft werden

       Und todessiech und sterben dann.

       Wie vieles Leid mußt ich erschauen!

       Mein Blick erschrak und wandte sich,

       Mein Herz jedoch spricht voll Vertrauen:

       Sieh an, mein Gott, gib du für