Stefan Zweig

Gesammelte Biografien bekannter historischer Persönlichkeiten


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rief nach keinem,

       Nach keinem in der grausam kalten Welt,

       Mir Ruh zu geben, meinen Kopf zu stützen

       Und meine Frucht vor Sturmeswut zu schützen.

       Doch als ich meinen Blick in deinem Namen

       Zum Himmel hob, da stahl dein Lächeln sich

       In meine Tränen; in der bittern Woge

       Erschien mir Gott und ließ in meiner Armut

       Mich Mutter sein, und seligen Dank zu Gott

       Barg nun des Weibes süßer Weheruf –

       Des Weibes, dem Er einen Sohn erschuf.

      Die Wiege, leer noch, gab den Stunden Leben;

       Ein Engel atmete in mir durch Tag

       Und Nacht; ich hegte sein Geschick, ich war

       Sein gutes Haus, ich hielt ihn froh geborgen!…

       Wer könnte sterben, so voll Stolz und Sorgen?

       Auch brach ich arm in meine Kniee nieder,

       Als man mich hob – allein und allzu leicht –

       Und suchte nach der lieben kleinen Last;

       Denn ob du noch so nah mir bist, nun trennt,

       Die gestern eins wir waren – doch die Luft,

       Und ich muß weinen und – verzeih, mein Leben!

       Du, dieser Welt durch mich, für mich, gegeben!

      Leb wohl! Ich bin nicht mehr die frohe Larve,

       Darin die Seele meiner Seele lag

       Neun Monde lang; doch wenn ich deiner Blüte,

       Der zarten, Schutz gewesen bin, so kehre

       Als Mann zuweilen heim in meine Hut.

       Ich bin die Mutter: ein Band hielt uns beide,

       Die Liebe wird die Liebe suchen gehn.

       Trennt je die Erde, was der Himmel bindet?

       Im Leben oder Tod – er hilft, daß eins zum andern findet.

      Um das Kind einzuschläfern

       Inhaltsverzeichnis

      Wär ich das Kind, das liebste mein,

       Dann weint ich nicht, bewahre, nein!

       Ich wäre lustig und vergnügt

       Und jede Träne rasch versiegt,

       Ich horcht auf Uhrenschlag und Wind.

       (Ich sag das für das liebste Kind.)

       Wohnt ich in dieser Schaukelwiege,

       So war ich brav, daß ich was kriege,

       Brav und mild

       Wie ein Bild,

       Und leiser noch als Vöglein – flieget

       (Ich sag’s fürs Kindlein in der Wiege.)

       Hört ich die Wölfe heulen im Ort,

       Die Großen jagen sie schon fort!

       Doch stolz wie ein Mann,

       Der schnarcht was er kann,

       Sagt ich: ich schlafe, ihr Herren, rasch fort!

       (Ich sag das für die Wölfe im Ort.)

       Nun hört man gar nichts mehr im Haus,

       Das Spinnrad stummt, das Lied ist aus,

       Die Mutter, selber voller List,

       Tut so, als ob sie schlafen müßt,

       Still sitzt sie über die Wiege geneigt,

       Und rings nun alles ruht und schweigt.

      Das Kopfkissen eines kleinen Mädchens

       Inhaltsverzeichnis

      Du liebes kleines Kissen, angefüllt

       Mit zarten Federn, weiß und warm bist du;

       Wenn Wind und Wolf und Ungewitter brüllt –

       Bei dir ist Schlaf für mich und gute Ruh.

      Viel viele Kinder, arm, verwaist und blaß,

       Kein Dach, kein Kissen hütet ihren Schlaf,

       Und sie sind immer müd; o bittres Los!

       Ach, Mutter, welch ein Unglück sie doch traf!

      Da bete ich für all die Kleinen, die

       Kein Kissen haben, und ich küsse meins;

       In meinem Nest zu deinen Füßen, sieh,

       Segn’ ich dich, Mutter, und berühre deins.

      Ich wache nicht, bevor der Morgen weht

       Und fröhlich durch den blauen Vorhang lacht;

       Jetzt sag ich leis mein innigstes Gebet,

       Noch einen Kuß, Mama, und gute Nacht!

      Gebet (als Abgesang)

       Inhaltsverzeichnis

      Du Gott der Kinder, unter meinen Händen

       Schlägt voll Gebet ein Mädchenherz; o hör!

       Man spricht von Waisen, die kein Obdach fänden,

       In Zukunft, Gott, mach keine Waisen mehr!

      Laß abends einen Engel niederkommen,

       Der Seufzer stillt und jedes Leid bewacht;

       Und wem der Tod die Mutter fortgenommen,

       Dem gib ein Kissen, das ihn schlafen macht.

      An meinen Sohn

       Inhaltsverzeichnis

       (vor seiner Reise in das Pensionat)

      Ein Abend war, der Herdschein hellte sacht

       Das Haus, von Arbeit und von dir belebt.

       Großvater hielt mich träumend auf den Knieen

       (Mit uns zu wachen wird er nimmer müde).

       Er sprach: begann von Trennung, von der Schule,

       Von Arbeit, vom Erfolg, der sie erleichtert –

       Und dankbar, daß ihn einst, so jung er war,

       Die Mutter hingebracht… er sprach’s für mich…

       Auch breitet’ er vor deine Blicke Bilder,

       Wies neue, weite Horizonte auf,

       Erzählte, wie, so klein er war, er doch

       Die Mutter unterwegs gestützt, geführt,

       Als diese einsichtsvolle Frau ihn trotz

       So inniger Liebe von sich fortgeleitet.

       Sein Blick war feucht, der mich von unten streifte.

      O ja, das Kind will stets voran, das weite

       Gebiet der Welt durchziehn und heiß betrachten;

       Sein Sinn ist gleich dem Vogel ohne Rast,

       Der überall dem Tag entgegenfliegt.

       Nun wußte ich, daß mir ein Traum zerronnen,