die hockte damals im selben Jang und besuchte mir jerade beis heftigste Packen. ›Wat machste denn?‹ haucht die Jans, ›Ik ziehe aus,‹ saje ik und denke mir: zaspring! ›Nanu, aba wohin denn?‹ fragt sie und jlotzt wie der janze Zoo. ›In die Schweiz!‹ saje ik. Nu aba kiekst det Biest, det die janze Anstalt wackelt und ik ihr mit ner Socke die Fresse stopfen muß …«
»Mahlzeit!« Pollak resignierte gut gebrochenen Auges.
»Ab’an feines Weib jewesen, die Rita – ffffffff … Moment!« Pufke sprang auf und stieß einem allem menschlichen Ermessen nach jüngeren Fräulein, das seit längerem mit einer Miederplanchette ohrenbetäubend einen Blechtopf malträtierte, diesen mit dem Fuß aus der Hand: »Ik werde dir jeben!«
»Tempus falsch, Vokabel falsch!« stellte Pollak, sich bemühend, deutlich zu grinsen, sachlich fest.
»Halt die Schnute!« schrie Pufke, sehr ärgerlich, weil er es für eine Beleidigung hielt und Emma, das jüngere Fräulein, sichtlich Ohnmachtsähnliches produzierte.
»Julius, Haltung! Emmachen s-t-simuliert!« probierte Pollak, das schwarze Auge unverwandt auf Emma gezielt.
»Ph!« ließ diese augenblicklich sich vernehmen und drehte sehr geschmeidig die halbnackten Schultern. »Quatschköppe! Von heute an schlafe ik überhaupt nur noch mit meine Plüschpuppe.«
»Lebensgroß?« hauchte Pollak.
»Hat sich wat mit euch.« Emmas Linke ergriff energisch und vielversprechend ihren Busen. Gleichwohl senkte sie ein Auge langsam auf Pollak.
»Je nun, Plüsch macht heiß!« Pufkes Hochdeutsch sollte die soeben erlangte Haltung unterstreichen, hatte jedoch lediglich das oft schon stattgefundene Schicksal, ganz außerordentlich komisch zu wirken.
Man rülpste, gluckste, kicherte und summte einher.
Pufke, nichts Böses ahnend, hub an weiter zu erzählen: »In der Schweiz …«
»Kusch!« zischte Emma. »Deine Rita is uns zwida.«
Und Pollak fiel prompt ein: »Jules, sei nich so kühl.«
Pufke fühlte auch jetzt noch nichts dräuen und schlug großartig vor, zu pokern.
Da es sich alsbald herausstellte, daß die zu dieser Beschäftigung erforderliche Zahl von Karten bloß um achtzehn herum sich bewegte, ordnete Emma entschlossen ihre Coiffure, erhob sich herausfordernd kompliziert und spie kräftig, aber formvollendet ins Zimmer.
»Na det is aba …« Pufke ließ beunruhigt die Karten knattern.
Pollaks Haupt pendelte teils sorgenschwer, teils hoffnungsträchtig.
Plötzlich drehte Emma sich auf ihrem Absatz herum (besonders schwungsicher, weil gummilos), hieb mit der Hand durch die Luft, daß die Finger scharf pfitschten, und flötete: »Salo, Süßer, kommste mit?«
Die Karten in Pufkes Hand erzitterten, als wollten sie sich beliebt machen.
Als aber Pollaks östliche Beine in entzückte Bewegungen gerieten und schließlich ins Gehen, faßte sich Pufke und persiflierte trompetend: »Emma, geliebte Emma, du bist ein Aas von hinten und von vorn.«
»Zu spät!« spottete Pollak und fing sich keß Emmas Hüfte.
»Leb wohl, Julius,« sagte Emma ernst, schon auf der Schwelle, und absichtlich zögernd: »Junge, Junge!«
Pufke schmiß ihr die Karten nach, naturgemäß ergebnislos, und deshalb hinterher einen angebissenen Apfel, der das Glück hatte, auf Pollaks hochtrabend zurückgewandter Nase anzukommen.
Pollak schrie wie gelernt auf und warf sich, vor Wut krummer als sonst, auf Pufke.
Stampfen. Keuchen. Stoßen. Wälzen. Staub.
»So.« Emma zückte, die Klinke im Fäustchen, etwas Dunkles, Rundes, rief: »Balgt euch nur, bis euch der Magen ins Maul hüpft, ihr Ochsen! Det Jeld habe ik, vastanden!« und schmetterte mit der Tür, nicht ohne sie abzusperren.
Pufke und Pollak ließen augenblicklich von einander ab und blickten sich tief in die Augen.
Endlich lispelte Pollak: »Wir Ochsen.«
Seilakt
»Ich halte Sie für einen klugen Kerl,« begann Stornelli.
Thévenaz verneigte sich leichthin, den Mund verächtlich verziehend: »Was wollen Sie von mir?«
»Wertvoller Freund!« Stornelli machte eine übertrieben würdige Handbewegung.
»Freund?«
»Bon. Vorerst das Theoretisch-Unvermeidliche. Darf ich Sie bitten, mir zu sagen, wie Sie über …« Stornelli schnalzte geringschätzig mit der Zunge, »… über Freundschaft denken?«
»Freundschaft? Schlechte Kameradschaft! Kameradschaft? Das Übereinkommen, halbpart zu machen, das aber anderen Verträgen gegenüber den besonderen Nachteil hat, nicht eingeklagt werden zu können.«
»Ganz meine Auffassung. Aber man muß wagen. Alles ist ja doch gewagt.«
Thévenaz schwieg.
»Sie sind nicht einmal neugierig?« fragte endlich verbissen Stornelli.
»Nicht mehr, seit ich Margot bei Gérard gesehen habe.«
Die beiden Augenpaare begegneten einander kurz und scharf.
Stornellis Gesicht zog sich gegen die Mitte zusammen: »So.« Er rauchte in kleinen Zügen, mit scheinbar ausschließlichem Interesse für diese Beschäftigung. »Ich wußte allerdings nicht, daß Sie Margot kennen.«
Atemlose Pause.
»Margot ist also hier.« Thévenaz blies den Rauch triumphierend und sehr geräuschvoll durch die auf einander gepreßten Lippen. »Was macht sie eigentlich jetzt?«
»Seilakt!« Stornellis Kinn zuckte.
»Jawohl … – Anseilakt!!«
»Sie sind ein toller Kerl, wahrhaftig.« Stornelli machte eine robuste Handbewegung.
Thévenaz verneigte sich abermals.
»Also hören Sie! Es handelt sich um keine Kleinigkeit.« Stornelli dämpfte die Stimme. »In meinem Hotel ist ein Amsterdamer Juwelenhändler abgestiegen, der übermorgen nach Madrid weiterfährt. Ich war längst über diesen Fink orientiert. Hatte aber Pech. Am Tage nach seiner Ankunft sprach ich ihn im Schreibzimmer an, ohne zu bemerken, daß es mein sehnsüchtig erwarteter Kunde ist, obwohl ich sein genaues Signalement besaß. Unverzeihlich! Aber nicht mehr zu reparieren. Wenn er mich nun im Zuge wiederfindet, im selben Coupé, wird er sofort mißtrauisch und wechselt den Wagon. Ich kenne das. Deshalb habe ich an Sie gedacht …«
Thévenaz Kopf blieb gesenkt: »Weshalb haben Sie gerade an mich gedacht?«
»Sie sind unverblüffbar und stets auf dem Sprung, zu bluffen.«
» Alles ist Bluff.«
»Gewiß! Deshalb nannte ich Sie ja einen tollen Kerl. Nur so ist glattes Arbeiten möglich … C’est entendu?«
Langsam hob Thévenaz den Kopf.
Stornelli saß noch in derselben Stellung: er mußte ihn unausgesetzt betrachtet haben, so – lang gleichsam war sein Blick.
»Wollen Sie mit mir dinieren?« Stornelli eilte, da Thévenaz zögerte, voraus, um ihn zu zwingen, ihm zu folgen, und wartete an der nächsten Straßenecke.
Als Thévenaz neben ihn trat, ging er wortlos weiter.
Nach dem Diner, das eine des Kellners wegen dünne Konversation begleitet hatte, trat Stornelli im Vestibül neben eine sehr elegant gekleidete Dame und kam nach kurzem Gespräch mit ihr auf Thévenaz