Tuch um den nackten Hals.
Fifi bekam durch diese Prozedur Mütterliches und fuhr ihm mit ihrem Taschentuch, das die Initialen R. dreimal »O!« und strahlte mit den Hüften.
Peter stieß jäh auf seinen unsäglichen Filz, der irgendwo am Boden still im Staube ruhte, und sprang bedächtig auf die finstere Treppe.
Fifi sperrte die Mansarde rasch ab, steckte hastig den Schlüssel ein und rief begehrlich: »So warte doch nur, Schuft!«
Philipp will sich rächen
Philipp blieb auf dem Bayerischen Platz bei der Haltestelle der Trams stehen, pfiff sehr vergnügt ein paar helle Töne, tänzelte leicht hin und her und beobachtete bei alldem mit heimlichem Genuß sich selbst. Bis er auflachte, »Teufel nochmal!« flüsterte und den Kopf napoleonesk zurückwarf.
Da ein überaus junges Mädchen, mit einer Mappe unterm nackten Unterarm, dieses sah, grüßte Philipp höflich.
Die Kleine dankte dunkel errötend und betrachtete heftig ihre Pompes.
Wegen eines älteren Herrn, der Philipp deshalb finster musterte, bestieg er eine soeben haltende Tram und winkte, als der Wagen zu fahren begann, der Kleinen zu, die sich brüsk abwandte, nicht ohne durch ihre erregte Schulterhaltung sich zu dementieren.
Zwei Bäuche auf der Plattform lächelten darüber breit und bewegt.
Philipp wandte sich höhnisch ab, den Daumen am Zahn.
Als aber der Schaffner ihm stirnrunzelnd auf die Nase sah, kam er sich gleichwohl wie ertappt vor, lächelte maßlos übertrieben und näselte: »Ach so … einen Augenblick … ja, geradeaus.«
Dann bezahlte er, ärgerlich über sich selbst, mit einem Fünfmarkstück, obwohl er Kleingeld besaß. Während er den Rest auf die Hand gezählt erhielt, packte es ihn jäh, dem Schaffner die Hand voll Geld in die Höhe zu hirzen. Aber er brachte es nicht über sich. Verdrossen darüber neigte er sich aus dem Wagen, wechselte zum Ärger der Fahrgäste mehrmals seinen Platz und konzentrierte schließlich seine ohnehin nicht beliebte Aufmerksamkeit auf ein Ladenschild, immer weniger interessiert wahrnehmend, wie die Buchstaben zusehends kleiner wurden und schiefer: Hochstetter und Lang … Hochstetter und Lang …
Der Wagen hielt. Eine preziös arrangierte elegante Dame stellte sich Philipp an das Kinn. Ohne daß er es sofort gewahrte, so sehr erregte ihn diese Berührung, versuchte er, unausgesetzt schnaubend, festzustellen, wonach sie eigentlich röche. Schließlich der Dame und dadurch auch sich selbst aufgefallen, entschloß er sich, sie danach zu fragen.
In diesem Augenblick hielt der Wagen wieder. Die Dame stieg aus. Die Plattform leerte sich.
Philipp knickte ein: alle Spannung hatte ihn miteins verlassen. Der Wagen kränkte ihn. Er taumelte, und einmal in Bewegung, betrat er das Wageninnere und plumpste ein wenig schmerzhaft auf die Bank. Matt nahm er den säuerlichen Geruch der Fahrgäste wahr und das Zart-Idiotische ihrer Gesichter.
Endlich reizte ihn alles: das Rumpeln der Räder, das Hin-und Hertorkeln des Schaffners, das Rattern der Scheiben, das Raunen der Gespräche, die Berührungen seitlicher bejahrter Gliedmaßen.
»Rrraus!« drohte er sich halblaut.
Doch als der Wagen hielt, blieb er trotzig sitzen.
Seine Erregung wuchs dadurch noch mehr. Die Augen zuckten bereits irr umher, die Hände wechselten fortwährend ihren Platz. Und kurz vor der nächsten Haltestelle stürzte er so blindlings aus dem Wagen, daß mehrere Frauen ihm begeisternd kichernd nachglotzten, und sprang noch wahrend des Fahrens wütend ab.
Ohne daß eine Überlegung ihn bestimmt hätte, entschied er sich auf dem Wittenbergplatz für die unbelebteste Richtung. Der plötzliche Wunsch, in seinem jetzt sicherlich noch unaufgeräumten Zimmer auf der Chaiselongue sich zu rekeln, nachlässig zu rauchen, Juliette zu klingeln und sie zu fragen … etwa, warum man zurzeit in Berlin nicht ein Massenmeeting zur Einführung staatlich überwachter Bordelle abhalte … ergriff ihn so mächtig, daß er einen Augenblick sogar daran dachte, wirklich in sein Hotel zu fahren. Er trat aber schließlich doch lieber an einer Gerold-Ecke auf ein Schinkenbrot zu, in das er alsbald erfreut hineinbiß. Dabei lächelte er, weiß der Teufel warum, spöttisch, stellte den linken Fuß kokett über den rechten und kratzte sich soigniert die juckende Stirn.
Wieder auf der Straße, war es ihm jetzt, als sahen ihn alle verächtlich an, als verhöhnten ihn die Polizisten. Den Kopf feindlich eingezogen, ging er mit Düsteres verheißender Miene immer schneller und geriet bald in einen grotesken Eifer, aus dem ein Passant ihn riß, den er beinahe umgerannt hätte.
Da er sich nicht entschuldigte, beschimpfte ihn Philipp nicht unbegabt, wovon jedoch durchaus keine Notiz genommen wurde.
Philipp, dieses sichtlich sehr bedauernd, glotzte unentwegt auf das Pflaster dieses Vorfalls. Nach einer Weile aber beobachtete er, wie unter dem schwankenden Rocksaum einer Vorübergehenden kleine, rötlich bestrumpfte Knie vorstießen und wieder verschwanden.
Als er aufsah, erkannte er an der Mappe unterm nackten Unterarm jene Kleine wieder, deren erregte Schulterhakung seine Sinne immer noch enthielten.
»Teufel nochmal!« betonte er, sich ermunternd, und schwenkte vornehm auf die Mappe zu.
Daselbst befiel Philipp eine geradezu rabiat zu nennende Menschen-und Lebensverachtung, und er sagte mit hinreißendem Ausdruck: »Mein Fräulein, Sie sind zwar noch minderjährig. Gleichviel. Wir werden uns rächen.«
Ein nasser Blick, aus Wolken gefallen, vermochte Philipp nicht zu bestürzen.
»Rächen wir uns!« knurrte er unheimlich. »Rächen wir uns!«
Die Kleine schrie angstverquollen auf und setzte sich in rasenden Galopp.
Philipp tat ungesäumt desgleichen.
Einige Zeit.
Dann verminderte sich sein Eifer rapid.
Endlich blieb er, leicht pustend, stehen und seufzte: »Teufel nochmal!« Aber doch mit heimlichem Genuß an sich selbst.
Wie Klara die Geduld riß
Klara wußte, welch großen Wert Clerc auf die von ihm veranstalteten Impressionen legte. Deshalb hatte sie ihm Suzy, ihre Favoritin, so lange aus dem Weg geschoben, bis er, allzu lüstern geworden, Suzy dadurch sich herbeiführte, daß er im richtigen Augenblick Wein wollte und noch etwas.
Jenen kaufte Klara, ein ahnungsloser Engel, dieses versagte sie strikt: »Ich will nicht mehr, hörst du? Ich habe keine Lust, noch länger deine dupe zu spielen. Gut, du kannst nicht treu sein. Bleiben wir gute Kameraden, willst du?«
Clerc wollte und schlug ihr deshalb vor, nicht seine, sondern ihre Wohnung zur Befeuchtung der neuen Kameradschaft zu benutzen.
Klara, welche in der zu Geräuschvollerem unbrauchbaren Lokalwahl ihre Rache unterwegs glaubte, wäre beim Bespringen der Tram vor Freude fast ihrer Flasche um den Hals gefallen. Glücklicherweise hatte ihr Clerc im letzten Moment, Halt liefernd, die Faust ins Gesäß geschoben.
Eingetroffen soff man, dämpfte auf Klaras diesbezügliches Gestöhn hin die Vokale und beging, schier festlich, Brüderlichkeiten von derart stattlicher Intimität, daß Clerc, der sein Arrangement bereits als gescheitert registrierte und nicht mehr nach der Treppe horchte, es unternahm, zu arrivieren.
Doch siehe da: Klara sprang hohnlachend empor, grinste schwelgerisch und spritzte: »Nein, mein Freundchen, du irrst. Diesmal werde ich nicht mehr schwach. Das ist aus. Ein für allemal!«
Clerc erboste sich doppelt: wo zum Teufel stak Suzy, der Frau Achselast auf sein Geheiß hin doch