target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_23602f58-b865-5cdf-97c7-d8ae2624e667">2Der Titel von Muddy Waters’ Version von »I’m a Man« und später der Name von David Bowies früher Bluesgruppe The Manish Boys.
3»Black Dog« ist eine klassische Metapher für ein unbenanntes Übel oder eine Depression.
4Nicht zu verwechseln mit Elizabeth Fraser, Sängerin des Dream-Pop-Duos Cocteau Twins. Anm. d. Ü.
MISOGYNE KARRIEREN: THE STRANGLERS UND MALCOLM MCLAREN
»Ich mag es, Frauen zu dominieren. Das heißt nicht unbedingt, dass ich finde, sie sollten dominiert werden. Ich bekomme nur einen Kick davon. Ich glaube, das tut jeder.«
Hugh Cornwell von The Stranglers, 1977
Glaubt man der offiziellen Rock-Geschichtsschreibung, war Punk eine befreiende Ära für Frauen, eine Zeit, in der die Grenzen dessen, was bei der Darstellung von Weiblichkeit erlaubt war, erweitert und gesprengt wurden. Frauen konnten sich hässlich machen, statt schön sein zu müssen, zu Gitarren und Drumsticks greifen, statt der Rolle der Chanteuse zu entsprechen, schrill kreischen, statt lieblich zu singen, und Themen ansprechen, die bislang tabu gewesen waren. Das alles stimmt auch, aber … die Kunst des Ungehorsams hat Punk von den Mod- und Garage-Bands der 1960er gelernt, deren Songs aggressiv auf Frauen zielten. Punk lenkte deren Riffs und anklagenden Machismo stattdessen auf die Gesellschaft oder ein verhasstes, anonymes »Du« um (hinter dem entweder ein gebrochener Mitläufer oder ein Unterdrücker stand). Doch dass seine Verwurzelung im Maskulinismus des 1960er-Rock wieder an die Oberfläche treten würde, war unvermeidbar. Teilweise war die Misogynie im Punk sogar noch brutaler als in den 1960ern, weil sein genereller Nihilismus und seine »Wir hassen jede/-n«-Attitüde einen schrankenlosen Angriff auf liberale Werte (das schließt den Feminismus mit ein) und Anstand förderte, bei dem alle Mittel erlaubt waren. Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Rolle der Misogynie in den Karrieren zweier wichtiger Akteure des Punk. Der eine (Malcolm McLaren) stand im Zentrum der Bewegung und war extrem einflussreich, die anderen (The Stranglers) standen eher außerhalb, waren aber enorm erfolgreich.
The Stranglers standen außerhalb der Szene, weil sie nie als hip galten und musikalisch »ausgereifter« und exzentrischer waren, als es der sehr direkte, aufwieglerische Zorn, für den Punk zum Synonym wurde, zuließ. Gleichzeitig waren sie – möglicherweise mit Ausnahme der Sex Pistols – die kommerziell erfolgreichste »Punk«-Band: Ihre ersten beiden Alben verkauften sich je eine Viertelmillion Mal und sie hatten mehr Hits in den britischen Top Ten als jede andere »Punk«-Band. Viele hielten sie für das akzeptable Gesicht des Punk.
Und doch waren The Stranglers eine der frauenfeindlichsten Rockgruppen aller Zeiten und übertrafen sogar die Rolling Stones in ihrer schieren Bösartigkeit. Schon der Bandname war eine Drohung. Ein »strangler« ist ein Würger und damit ein Mörder, dessen Technik gemeinhin mit Morden an Frauen in Verbindung gebracht wird. Ihr Debütalbum Rattus Norvegicus (1977) wird von »Sometimes« eröffnet, einem Song, dessen Erzähler seine Freundin verprügelt. Sänger und Gitarrist Hugh Cornwell erklärte gegenüber dem NME, der Song sei von »einer persönlichen Erfahrung« inspiriert worden, »als die Kommunikation zwischen mir und einem Mädchen zusammenbrach und ich sie letztendlich schlug. Weil es keine Worte gab, die ich benutzen konnte, um zu beschreiben, was ich fühlte.« Cornwell führte aus, »Sometimes« sei ein Song über einen Typen, der eine Frau aus Protest gegen ihr Verhalten schlägt und sie wieder unter seine Kontrolle bringt. »Ich glaube, viele Männer dominieren gerne Frauen. Und viele Frauen mögen es, dominiert zu werden. […] Ich finde unterwürfige Frauen etwas erbärmlich.«
Dann wäre da noch »London Lady«, eine boshafte Herabsetzung einer Frau aus der Szene, die für das Verblassen ihrer Schönheit und ihre »vampirische« Angewohnheit, sich um Rockstars herumzutreiben, verachtet wird. Bassist und Sänger Jean-Jacques Burnel verteidigte den Song mit der Begründung, das sei »keine Art für eine Mieze. […] Wir zogen Lose, wer diese Kolumnenschreiberin knallen dürfe, und irgendjemand sagte: ›Aber das wäre ja, wie eine Wurst in den Mersey-Tunnel reinzuschieben.‹ [In dem Song] geht es nur um ein paar Weiber in einer sehr kleinen Szene.« In »Peaches«, dem ersten großen Hit der Band, ahmte Cornwell einen lüsternen Voyeur am Strand nach, dessen Vorstellung von Frauenbefreiung daraus besteht, dass Mädchen sich der Oberteile ihrer Bikinis entledigen. Das übelste Stück von allen war jedoch »Ugly«, in dem Burnel sich vorstellt, ein Mädchen nach dem Sex zu erwürgen, weil er ihre abscheuliche Akne nicht aushält. Der Song endet mit einem aggressiven Sprechchor, der die Worte »MUSCLE POWER« skandiert.
Natürlich wurden die Stranglers von der britischen Musikpresse schnell für ihren Sexismus kritisiert. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, extrem populär zu werden. Ihre Anziehungskraft bestand darin, die Bedrohlichkeit des traditionellen Hardrock mit einer kleinen Dosis Punk-Nihilismus zu würzen. Ihr barocker, orgelgetränkter Sound hat in etwa das gleiche Verhältnis zu dem der Doors wie ein morgendlicher Kater zu einem Saufgelage. Ihre Musik war von einer ergreifenden, ruppigen Melancholie durchzogen, die einen integralen Bestandteil ihrer maskulinen Aura des einsamen Cowboys ausmachte. Diese kristallisierte sich besonders in der Single »Who Wants the World« (1980) heraus, wo es sinngemäß heißt: »Ich stehe in dieser verlassenen, gescheiterten Welt alleine meinen Mann.« (Ihr Maskottchen war die Ratte, ein Überlebenskünstler der Kanalisation, der in einer Welt voller Scheiße gedeiht.) Als reizbare Rebellen ohne Grund schienen die Stranglers irgendetwas zu beklagen – vielleicht ja, wie Jimmy Porter, die Abwesenheit großer Ziele, den Verlust des Heldentums.
All das trat mit dem Titeltrack ihres zweiten Albums No More Heroes (1977) in den Fokus, einer Elegie auf einen nicht mehr existenten Typus von »Kriegern« wie Leo Trotzki. In »School M’am« (einer überdrehten Fantasie, deren Tenor zu sein scheint, dass Frauen in der Menopause überflüssig seien) offenbarte sich wieder das hässliche Antlitz des Sexismus, ebenso in »Bring On the Nubiles«, einer Sex-Hymne, deren Refrain eine gesichtslose Vielzahl fickbarer Mädchen herbeiruft. Mehr noch als von Misogynie wimmelt es in No More Heroes von extremer Homosozialität, denn die Stranglers inszenieren sich als Anführer einer angriffslustigen Bruderschaft von übellaunigen, aber glorreichen Querulanten. »Dagenham Dave« ist ein Tribut an einen Hardcore-Stranglers-Fan, der, als er beim Buhlen um die Anerkennung der Band von einer Arbeiterklassen-Gang namens Finchley Boys verdrängt worden war, Selbstmord beging, indem er in die Themse sprang. Ganz nebenbei erwähnt der Song, dass Dave kein Bedürfnis nach Weibern hatte. »Er hielt so viel von uns, dass er einmal so weit ging, uns seine Frau zur, äh, Benutzung anzubieten«, erinnerte sich Hugh Cornwell 1983 mit Wohlwollen in einem Trouser Press-Artikel. Gleichzeitig scheint »English Towns«, wie Julie Burchill und Tony Parsons in ihrem Buch The Boy Looked at Johnny anmerken, davon zu handeln, dass es vollkommen unkritisch sei, bei Frauen in Liebesdingen nicht zu landen, solange man mit den Jungs klarkommt.
In Interviews, welche die Stranglers 1977 und 1978 gaben, tat sich Burnel als das Mitglied vor, dessen Leidenschaften und Lebensgeschichte sich als am aufschlussreichsten erwiesen. Burnel ist Kampfsportexperte: In seiner Schulzeit fing er an, Karate zu trainieren, um sich selbst zu disziplinieren und sein Temperament zu zügeln. In der Schule selbst brachte er ein Magazin mit dem Namen The Gubernator (lateinisch für Steuermann) heraus und schloss sich der British League of Youth an. Davon ausgehend entdeckte Burnel die Überholspur für sich, als er begann, sich für die Hells Angels zu begeistern (weil »sie Individualität und Freiheit glorifizierten, aber Individualität innerhalb der Gang«, wie er später erläuterte). Er wurde sogar Mitglied einer Motorradgang von Angels-Klonen. 1977 war er immer noch Fan und erklärte seine Bewunderung für ein Chapter der Angels in Amsterdam: »Sie leben in ihrer eigenen zurückgezogenen Community und müssen sich nicht um ihren Lebensunterhalt sorgen, weil all ihre Frauen AUF DEN STRICH GEHEN! So können sie ihre Zeit ihren Motorrädern widmen. Das ist großartig, sie haben eine komplett neue Gesellschaft geschaffen.« Wenn das mal kein Utopia ist …
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