Simon Reynolds

Sex Revolts


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Anne Beverley schnell die Schuldige und bedienten damit das alte Bild des Anti-Momism. Vivienne Westwood, Modedesignerin der Pistols und Liebhaberin McLarens, warf Beverley vor, ihren Sohn zu sehr verwöhnt zu haben. »Immer wenn Sid Ärger bekam, stützte sie die Lügen, die dazu dienen sollten, ihm aus der Patsche zu helfen, und am Ende glaubten sie dann beide an diese Lügen oder taten voreinander zumindest so, als täten sie es. Vor seiner Mutter Heroin zu nehmen, hatte für ihn etwas von ›Schau her, Mutter, ich spiele mit dem Tod! Was wirst du dagegen unternehmen?‹«

      Der Traum McLarens, aus dem Mörder einen Superstar zu machen, ähnelte unheimlich einem seiner älteren Schwindel aus der Zeit, als er noch ein reiner Boutiquebesitzer war. Die Idee war, wie er den New Music News berichtete, »aus dem Vergewaltiger von Cambridge einen Popstar zu machen. Ich ging davon aus, dass sie, wenn sie diesen Typen schnappen, die Sache auf die Titelseiten bringen, ihn zur größten Gefahr für unsere Gesellschaft erklären und zum Sündenbock machen werden. Also dachte ich mir, toll, warum bringe ich ihn nicht mit Brian Epstein und den Beatles in Verbindung? Also druckte ich diese Maske, die er trug, auf ein T-Shirt, schrieb ›Cambridge Rapist‹ in Popstar-Schrift drüber, platzierte ein kleines Bild von Brian Epstein drunter und schrieb ein paar Worte dazu, dass er sich nicht selbst umgebracht hätte, sondern beim Praktizieren von SM gestorben sei.« McLaren konzipierte dieses anstößige Shirt als Geschenk für gelangweilte 15-jährige Teenager – wenn auch vermutlich nicht für die Mädchen, die tatsächlich mit der alltäglichen Bedrohung durch den Vergewaltiger von Cambridge leben mussten. »Ich denke, diese Ideen haben die Kids wirklich bestärkt. Sie fanden sie ein bisschen schockierend und das war das einzig Wichtige daran … ein paar Leute zu verärgern, weil sie so träge waren.«

      Als Sid Vicious dann an einer Überdosis starb, verlor McLaren endgültig die Kontrolle über das, was von den Sex Pistols noch übrig war, und ging desillusioniert nach Paris, um dort Pornofilme zu machen. Ungefähr ein Jahr später tauchte er mit einem neuen Konzept wieder auf, das seine Frauenfeindlichkeit weniger verschleierte als je zuvor und klare Parallelen zum gescheiterten Slits-Projekt aufwies: Bow Wow Wow. Sängerin dieser Gruppe war das 14-jährige anglo-burmesische Schulmädchen Annabella Lwin. McLaren behauptete, sie in einem Londoner Waschsalon entdeckt zu haben. Bow Wow Wow wurden für ihn zum Vehikel für ein frisches Post-Punk-Ethos der »neuen Wildheit«, das Raubkopien auf Tapes, burundische Rhythmen, verwegene Kleidung und Stammesmode kombinierte. Ein weiterer Teil des Pakets war der Sex-Appeal Minderjähriger, wozu ein Magazin namens Chicken gehörte. McLaren sah es als »einen Junior-Playboy … für primitive Jungs und Mädchen«.

       BORN TO RUN: WANDERLUST, DIE WILDNIS UND DER GESCHWINDIGKEITSKULT

      »Kein großer Mann der Geschichte strebte jemals eine Heirat an.« Robert Lindner (Autor von Rebel Without a Cause: The Hypnoanalysis of a Criminal Psychopath)