Simon Reynolds

Sex Revolts


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zu kochen und sich um die Kinder zu kümmern.

      Als sie in New Orleans ankommen, besuchen Billy und Captain America ein Bordell, zeigen aber kein Interesse an einer derart banalen Aktivität wie Sex. Stattdessen nehmen sie zwei Prostituierte mit auf einen Acid-Trip. Auf dessen Höhepunkt umarmt Captain America eine Statue und schluchzt »Du bist so ein Trottel, Mutter, und ich hasse dich so sehr!«, ein Hinweis auf eine Art Anti-Momism, von dem seine Wanderlust angetrieben wird. Als sich die beiden schließlich wieder auf den Weg machen, wissen sie nicht, dass der Tod auf sie wartet. Der Film mag mit dem Tatendrang von Steppenwolfs »Born to Be Wild« begonnen haben. Am Ende ist aus diesem Mir-dochegal-Optimismus allerdings der Straße überdrüssiger Pessimismus geworden – veranschaulicht durch Roger McGuinns Version von Bob Dylans »It’s Alright, Ma (I’m Only Bleeding)«.

      In etwa zu der Zeit von Easy Rider machte Sam Peckinpah Filme wie Pat Garrett jagt Billy the Kid und The Wild Bunch – Elegien auf den Wilden Westen, in denen der von der Gegenkultur thematisierte Verrat am ursprünglichen Entdeckergeist Amerikas Widerhall findet. Für Peckinpah wurde der Wilde Westen von einer »natürlichen Gerechtigkeit« regiert: Macht bedeutet Recht, wer den Revolver am schnellsten zieht, gewinnt. Peckinpah wuchs als Cowboy und Jäger auf, ging auf eine Militärschule und kämpfte anschließend bei den Marines. Seine Persönlichkeit passte mit Sicherheit gut zu der Soldatenmentalität, die im Grenzland zwischen Zivilisation und Wildnis gedieh: Er war paranoid und schlief mit einem Gewehr in Reichweite. Außerdem war er ein Workaholic, der fürchtete, dass Inaktivität ihn seiner maskulinen Lebensessenz berauben würde (nach James Coburns Einschätzung hatte Peckinpah »Angst davor, sich aufzulösen«, wenn er zu arbeiten aufgehört hätte).

      Ein Peckinpah-Film war eine exklusiv männliche Wüstenei voller im Gefecht gestählter Kameradschaft, wo aufgestauten Emotionen in orgiastischen Massakern Luft gemacht wird. Peckinpahs Ethos des einsamen Cowboys zieht sich durch die Rockkultur, von den Eagles mit dem Album Desperado über Los Lobos’ How Will the Wolf Survive? zum unverblümten Kitsch von Bon Jovis Blaze of Glory. Im Heavy Metal fand die von Peckinpah propagierte Überlebenskunst oftmals eine neue Heimat. Auf ihrem selbstbetitelten Album von 1991 schrieben die kriegsbesessenen Metallica mit »Of Wolf and Man« eine Hymne auf die Wildnis, während ihr Sänger James Hetfield in »Wherever I May Roam« die offene Straße als seine Braut bezeichnet und knurrt: »Off the beaten track I reign«. Dann gibt es noch Ted Nugent, den Altmeister des Metal der libertären Rechten, mit Songs und Alben wie »Fist Fightin’ Son of a Gun« und Weekend Warriors (1978). Nugent kombiniert den sexuellen Raubzug des Heavy Metal mit einer ziemlich buchstäblichen Besessenheit von der Jagd. Er bringt sogar sein eigenes Jagdmagazin (spezialisiert auf die Jagd mit Pfeil und Bogen) heraus und propagiert darin die mystische Beziehung aus »gemeinsamem Respekt« zwischen Jäger und Beute.

       AFTER THE GOLDRUSH

      Auch wenn Easy Rider mit hohen Erwartungen anfängt (»lookin’ for adventure«, wie Steppenwolf singen), werden diese im Verlauf des Filmes von der leisen Vorahnung eingeholt, dass es die Gegenkultur vermasselt hat. Wenn der Film eine inoffizielle Fortsetzung hat, dann ist es Asphaltrennen (1971). James Taylor spielt darin einen nahezu katatonischen Autofahrer, der die amerikanischen Autobahnen in Beschleunigungsrennen unsicher macht – aber nur, um genug Geld zu gewinnen, um weiterhin der Straße ins Nirgendwo folgen zu können. Der Film endet damit, wie das Zelluloid Feuer fängt, während Taylor das nächste Rennen fährt, ein Symbol für den Burn-out, der dem Ende der Gegenkultur folgte.

      In der tristen Ära nach After the Goldrush, als die 1960er am Verblassen waren, ihr Nachbild aber immer noch die Vorstellungen der Menschen heimsuchte, erschien Bruce Springsteen auf der Bildfläche. Springsteen war weniger die Zukunft des Rock ’n’ Roll als vielmehr eine erneute Heraufbeschwörung von dessen Vergangenheit und Fortbestehen (wenn wir alle nur daran glaubten). Zuerst schien er eine Art Kleinstadt-Dylan zu sein, dessen giftige Ironie allerdings durch offenherzigen Populismus ersetzt worden war. Wie Dylans Kunstfigur des Wanderers waren Springsteens Alter Egos stets »Born to Run«. In »Lost in the Flood« (von Greetings from Asbury Park, N. J., 1973) ist er ein Einzelgänger, der »zum Ruhm bestimmt« auf seinen Chevy geschrieben hat, kopfüber in einen Wirbelsturm hineinfährt und darin verschwindet. Autos und Geschwindigkeit bieten einen heroischen Ausweg aus den beengenden Grenzen der Mittelmäßigkeit der Kleinstadt. In »Thunder Road« (Born to Run, 1975) sucht sein Mädchen nach einem Erlöser, doch er kann ihr nur sein Auto anbieten. Der Himmel liegt am Ende der Autobahn.

      Die Freiheit, sich beliebig fortbewegen zu können, fand schon immer eine spezielle utopische Resonanz in der amerikanischen Kultur. Doch die eigentliche Bedeutung von Utopia lautet »Kein-Ort«. Die Suche nach dem Traum führt aus dem Niemandsland hinaus und endet doch im Nirgendwo der Straße. In »Born to Run« ist die Kleinstadt eine »Todesfalle« und doch weiß Springsteen, dass seine Flucht unter keinem guten Stern steht: Die Straße ist gepflastert mit »gefallenen Helden«. In dieser maskulinen, allerletzten Chance auf Freiheit wird Frauen der Beifahrersitz angeboten. Springsteen bietet seinem Mädchen an, ihre Beine um seine pulsierende Maschine zu legen.

       BORN TO GO: DER MOTORIK-BEAT

      »Bewegung ist dem Stillstand immer vorzuziehen. Wenn er in Bewegung ist, hat der Mann eine Chance […]. Seine Instinkte sind schnell, […] er hat ein etwas besseres Nervensystem, kann immer weiter gehen und schneller werden …«

      Norman Mailer, »Der weiße Neger. Einige Gedanken über den Hipster«, 1957

      Die Vorstellung von Rock als Odyssee oder Flucht entwickelte sich nach und nach zur Sehnsucht nach reiner Geschwindigkeit – das Tempo selbst als Garant für Freiheit. Sich zu bewegen, heißt, weder hier noch dort zu sein, sich stets im Wandel zu befinden. Die Beats sahen den Ansturm und die Durchdringung durch Stimuli als Methode, mentale Abwehrsysteme aufzubrechen und die Seele der ozeanischen Verbindung mit der Welt zu öffnen. Steppenwolfs »Born to Be Wild« ist die klassische Rock-’n’-Roll-Version dieser Hals-über-Kopf-Mentalität. Der Straßenkrieger stößt nach vorne (»explode into space«), wird aber in einer »love embrace« von der Welt umfasst: Er dringt ein und wird durchdrungen.