Delavigne und Canalis, Beranger und Chateaubriand, Villemain und M. Aignan, Soumet und Tissot, Etienne und Davrigny, Benjamin Constant und Lamennais, Cousin und Michaud, kurz, nicht minder die alten wie die jungen literarischen Berühmtheiten, die Liberalen wie die Royalisten. Frau von Bargeton liebte Künste und schöne Wissenschaften, das war für Angoulême ein extravaganter Geschmack, eine höchst beklagenswerte Manie, und es ist notwendig, sie zu rechtfertigen, indem wir das Leben dieser Frau skizzieren, die zur Berühmtheit geboren war, durch verhängnisvolle Umstände im Dunkel blieb und deren Einfluss das Schicksal Luciens entschied.
Herr von Bargeton war der Urenkel eines Schöffen von Bordeaux namens Mirault, der unter Ludwig XIII. nach langer Dienstleistung in seinem Amte geadelt worden war. Unter Ludwig XIV. wurde sein Sohn, der nun Mirault von Bargeton hieß, Offizier in der königlichen Leibgarde und machte eine so reiche Heirat, dass sein Sohn unter Ludwig XV. einfach Herr von Bargeton hieß. Diesem Herrn von Bargeton, dem Enkel des Schöffen Mirault, gelang es so gut, sich als vollkommener Edelmann zu führen, dass er alle Güter der Familie aufzehrte und ihren Glückslauf zum Stillstand brachte. Zwei seiner Brüder, Großonkel des jetzigen Bargeton, wurden wieder Kaufleute, so dass man unter den Handeltreibenden Bordeaux' den Namen Mirault finden kann. Da die Besitzung Bargeton, die im Angoumois als Afterlehen der La Rochefoucauld lag, und ebenso ein Haus in Angoulême, das man das Hotel Bargeton nannte, unveräußerlich waren, erbte der Enkel des ebengenannten Verschwenders von Bargeton diese beiden Besitzungen. Im Jahre 1789 verlor er seine Nutzrechte und hatte nur noch das Einkommen aus dem Grund und Boden, das ungefähr zehntausend Franken Rente betrug. Wäre sein Großvater dem glorreichen Beispiel Bargeton I. und Bargeton II. gefolgt, dann wäre Bargeton V., dem man den Zunamen »der Stumme« geben kann, Marquis von Bargeton gewesen; er hätte sich mit irgendeiner großen Familie verbunden und wäre, wie so viele andere, Herzog und Pair geworden; so aber war es eine große Ehre für ihn, dass er im Jahre 1805 Fräulein Marie Louise Anaïs von Nègrepelisse heiratete, die Tochter eines Edelmanns, der seit langem auf seinem kleinen Edelhof vergessen worden war, obwohl er zum jüngeren Zweig einer der ältesten Familien Südfrankreichs gehörte. Es gab einen Nègrepelisse unter den Geiseln des heiligen Ludwig; aber der Chef des älteren Zweigs trägt den illustren Namen Espard, den er unter Heinrich IV. durch eine Heirat mit der Erbin dieser Familie erwarb. Dieser Edelmann, der jüngere Sohn eines jüngeren Sohnes, lebte auf der Besitzung seiner Frau, einem kleinen Gute in der Nähe von Barbecieux, das er vortrefflich bestellte, indem er zu Markt ging, um sein Korn zu verkaufen, seinen Wein selbst brannte und sich aus dem Spott nichts machte, wenn er nur Dukaten aufhäufte und von Zeit zu Zeit seinen Besitz vergrößern konnte. Umstände, die in der Provinz recht selten sind, hatten Frau von Bargeton Geschmack für die Musik und die Literatur gegeben. Während der Revolution verbarg sich ein Abbé Niollant, der beste Zögling des Abbé Roze, in dem Schlösschen Escarbas und brachte mit dahin, was er als Komponist brauchte. Er hatte die Gastfreundschaft des alten Edelmanns reichlich dadurch bezahlt, dass er die Erziehung seiner Tochter Anaïs, kurz Naïs genannt, übernommen hatte, die ohne dieses Abenteuer sich selbst oder, was noch schlimmer gewesen wäre, irgendeiner schlechten Kammerfrau überlassen gewesen wäre. Der Abbé war nicht nur Musiker, er besaß auch ausgebreitete literarische Kenntnisse und konnte Italienisch und Deutsch. Er unterrichtete also Fräulein von Nègrepelisse in diesen beiden Sprachen und im Kontrapunkt; er erklärte ihr die großen literarischen Werke Frankreichs, Italiens und Deutschlands und ging mit ihr die Musik aller Meister durch. Um endlich den Müßiggang der tiefen Vereinsamung zu bekämpfen, zu der sie beide die politischen Ereignisse verdammten, lehrte er sie Griechisch und Lateinisch und verschaffte ihr gewisse Kenntnisse in den Naturwissenschaften. Da sie keine Mutter mehr hatte, gab es für das junge Mädchen, das schon durch das Landleben sehr zur Unabhängigkeit geneigt war, kein Gegengewicht gegen diese männliche Erziehung. Der Abbé Niollant, ein enthusiastischer und dichterischer Geist, war besonders bemerkenswert durch Eigenschaften, die den Künstlern eigen sind, die ja in verschiedener Hinsicht rühmlich sind, aber vor allem durch die Freiheit des Urteils und durch die Weite des Blicks sich über die bürgerliche Gedankenwelt erheben. Wenn dieser Geist seine Kühnheiten durch seine Tiefe und Ursprünglichkeit in der Welt verzeihlich macht, so kann er dagegen im Privatleben durch die Verirrungen, die er bewirkt, schädlich scheinen. Es fehlte dem Abbé nicht an Gemüt, seine Ideen waren also für ein junges Mädchen ansteckend, bei dem die jungen Menschen natürliche Überspanntheit durch die Einsamkeit des Landlebens verstärkt wurde. Der Abbé Niollant übertrug die Kühnheit seiner Kritik und die Leichtigkeit seines Urteils auf seine Schülerin, ohne daran zu denken, dass diese Eigenschaften, die einem Manne so notwendig sind, bei einer Frau, die zu dem bescheidenen Lose der Mutter bestimmt ist, zu Fehlern werden. Obwohl der Abbé seiner Schülerin unausgesetzt ans Herz legte, um so liebenswürdiger und bescheidener zu werden, je mehr ihr Wissen sich ausbreitete, bekam Fräulein von Nègrepelisse eine ausgezeichnete Meinung von sich selbst und eine starke Verachtung gegen die Menschheit. Da sie in ihrer Umgebung nur untergeordnete oder dienstfertige Menschen sah, eignete ihr der Hochmut der großen Dame, aber nicht die gefälligen Manieren einer solchen. In all ihrer Eitelkeit fühlte sie sich durch einen armen Abbé geschmeichelt, der in ihr sich selbst bewunderte, wie ein Autor sich in seinem Werk, und so hatte sie das Unglück, keinen Vergleichungspunkt zu finden, der ihr zu einem Urteil über sich selbst verholfen hätte. Der Mangel an Gesellschaft ist einer der größten Nachteile des Landlebens. Da man nicht genötigt ist, den anderen die kleinen Opfer zu bringen, die der Anstand und die Toilette erfordern, verliert man die Gewohnheit, sich anderer wegen Zwang aufzuerlegen. Alles in uns artet dann aus, die Form und der Geist. Da die Ideenfreiheit des Fräuleins von Nègrepelisse nicht durch den Verkehr in der Gesellschaft eingeschränkt wurde, ging sie in ihr Benehmen, in ihre Haltung und in ihren Blick über; sie hatte jene hochfahrende Miene, die im Anfang originell erscheint, die aber nur Abenteurerinnen gut steht. So musste diese Erziehung, deren Härten sich in den höhern sozialen Schichten abgeschliffen hätten, sie in Angoulême, sobald ihre Anbeter aufhörten, Verirrungen zu vergöttern, die nur in der Jugend anmutig sind, lächerlich machen. Herr von Nègrepelisse seinerseits hätte alle Bücher seiner Tochter hergegeben, um einen kranken Ochsen zu retten, denn er war so geizig, dass er ihr über das Einkommen, auf das sie Anspruch hatte, nicht einen Heller bewilligt hätte, selbst wenn es sich darum gehandelt hätte, ihr die für ihre Ausbildung nötigste Kleinigkeit zu kaufen. Der Abbé starb im Jahre 1802, vor der Verheiratung seines lieben Kindes, die er ohne Frage widerraten hätte. Der alte Edelmann fand sich nach dem Tode des Abbé durch seine Tochter sehr behindert. Er fühlte sich zu schwach, um den Kampf aushalten zu können, der zwischen seinem Geiz und dem unabhängigen Geist seiner unbeschäftigten Tochter ausbrechen musste. Wie alle jungen Mädchen, die von der gebahnten Straße, auf der die Frauen bleiben müssen, abgekommen sind, war Naïs mit ihrem Urteil über die Ehe fertig und kümmerte sich wenig ums Heiraten. Es war ihr widerwärtig, ihren Verstand und ihre Person den Männern ohne Wert und persönliche Größe unterzuordnen, die sie in ihrem zurückgezogenen Leben hatte kennen lernen können. Sie wollte befehlen und sollte gehorchen. Wenn ihr die Wahl gestellt worden wäre zwischen dem Gehorsam gegen plumpe Launen, der Unterwerfung unter einen Menschen ohne Verständnis für ihre Neigungen und der Flucht mit einem Geliebten, an dem sie Gefallen gefunden hätte, sie hätte nicht gezögert. Herr von Nègrepelisse war noch Edelmann genug, dass er eine unpassende Verbindung fürchtete. Wie viele Väter entschloss er sich, seine Tochter zu verheiraten, weniger um ihretwillen, als wegen seiner Bequemlichkeit. Sie sollte einen nicht allzu klugen Adligen oder Landmann haben, der nicht imstande wäre, ihm wegen der Mündelabrechnung, die er seiner Tochter ablegen musste, Schwierigkeiten zu machen, dessen Kopf und Energie unbedeutend genug wären, dass Naïs ihr Leben nach ihrer Laune einrichten konnte, und der uneigennützig genug wäre, sie ohne Mitgift zu heiraten. Aber wie sollte man einen Schwiegersohn finden, der in gleicher Weise dem Vater und der Tochter gefiel? Ein solcher Mann war der Phönix der Schwiegersöhne. Nach diesen zwei Seiten hin machte sich Herr von Nègrepelisse daran, die Männer in der Provinz zu studieren, und Herr von Bargeton schien ihm der einzige zu sein, der seinem Programm entsprach. Herr von Bargeton, ein von den Liebschaften seiner Jugend recht mitgenommener Vierziger, war wegen seiner bemerkenswerten Geistesschwäche bekannt; aber er hatte noch genau so viel Verstand, um sein Vermögen zu verwalten, und so viel Benehmen, um sich in der Welt von Angoulême bewegen zu können, ohne sich unmöglich oder lächerlich zu machen. Herr von Nègrepelisse setzte seiner Tochter ganz rückhaltlos den negativen Wert des Mustergatten, den er ihr vorschlug, auseinander