Оноре де Бальзак

Physiologie des Alltagslebens


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      I. Der Junggeselle

      Diese schöne Varietät erfreut zunächst durch die Farbenkontraste der Kleidung, die stets alle bunten Möglichkeiten aufweist, die Augen. Unter seiner Weste baumeln noch die großen Breloques hervor, die in der Zeit des Empire Mode waren: goldgefasste amerikanische Körner, Mosaiklandschaften, Würfel aus Lapis lazuli. Er wagt sich ins Zentrum von Paris vor. Dieser Rentier steht gerne Spalier beim Palais Royal und hat die üble Angewohnheit, die Sesselvermieterin zu grüssen. Er speist im Restaurant letzter Güte, wohnt vier Treppen hoch, meist in einem weitläufigen Haus, wo der Portier im Halbstock seine Loge hat, Er leistet sich eine Aufwärterin. Einzelne Individuen tragen kleine Ohrringe; einige haben eine Vorliebe für Schönheitspflästerchen und tragen dann kornblumenblaue Anzüge. Sie sind gewöhnlich brünett und haben phantastische Haarbüschel an den Ohren und Händen, eine tiefe Tenorstimme, die ihr größter Stolz ist. Wenn sie keine Schönheitspflästerchen tragen, dann färben sie ihre Haare mit Vorliebe schwarz. Der von Henry Monnier, einem unserer scharfsinnigsten Naturforscher, entdeckte »Prud'homme«, den er uns mit unendlichem Behagen in entzückenden Zeichnungen vorführt, gehört zu dieser Varietät. Diese Rentiers sprechen einen ganz eigenartigen Dialekt. Frägt man sie: »Wie geht es Ihnen?« so antworten sie: »– – –ffste Hochachtung.« Wenn Sie ihm auseinandersetzen, dass diese »– – –ffste Hochachtung« in Wirklichkeit nur eine Redensart ist wie das »stets zu Ihrer Verfügung«, so erwidern sie Ihnen mit einer fast schalkhaften Miene: »Seit dreißig Jahren habe ich nun zu gar vielen Leuten »– – –ffste Hochachtung gesagt, und bisher hat noch niemand daran etwas auszusetzen gefunden; und im übrigen ändert man in meinem Alter wohl kaum mehr seine Gewohnheiten«. Dieser Rentier ist keiner wirklichen Neigung fähig; er hat keine Religion, er begeistert sich für keine Partei. Einen Teil des Tages verbringt er in Lesekabinetten, an regnerischen Abenden ist er im Café, wo er von einem Winkel aus dem Kommen und Gehen der Stammgäste zusieht.

      Auf ihren bedächtigen nächtlichen Spaziergängen bei schönem Wetter können wir ihnen nicht weiter folgen. Die fructus belli raffen jeden Winter eine gewisse Anzahl von ihnen hinweg. Verwechseln Sie aber diese Sorte nicht mit dem Stutzer: dameret. der Junggeselle will ledig bleiben, der Stutzer will heiraten.

      II. Der Geizkragen chapolardé.

      Diese Varietät liefert den »gogo« unter den Rentiers. Er ist jähzornig, aber leicht zu besänftigen. Auf seinen mageren Gesichtszügen spielen gelbe und grünliche Töne. Er ist der einzige, der ehrgeizige, aber meist unklare Pläne hegt, die seinen Frieden stören und ihn verbittern. Dieser Rentier versagt sich alles. Er ist nüchtern, sein Gewand ist abgetragen; um in seine Wohnung zu kommen, klettert er noch höher als der früher charakterisierte Typus, er trotzt den Härten der Mansarde. Sein Frühstück ist Milch und Weißbrot und zu Mittag speist er bei Mizeray für zwölf Sous oder bei Flicoteaux für zwanzig Sous. Er würde für fünf Sous Schuhwerk abnützen, um zu einem Orte zu gelangen, wo er drei Sous sparen zu können glaubt. Der Elende trägt einen verschossenen, an den Nähten fadenscheinig gewordenen Gehrock, seine Westen erglänzen. Die Farbe seines Haares erinnert an den Chinchilla, aber er trägt es glatt gekämmt. Seine Gestalt ist dürr, er hat Augen wie eine Elster, eingefallene Backen und einen ebensolchen Bauch. Dieser einfältige Sparkünstler, der sich einen Sou um den andern abknapst, um damit sein Kapital und damit sein angebliches Wohlleben zu erhöhen, würde sich wohl hüten, einem ehrenhaften Mann tausend Franken Darlehen zu geben, die er für irgendein betrügerisches Unternehmen stets bereit hätte. Er lässt sich von allem, was einen Schein von Nützlichkeit hat, anlocken und es wird dem Spekulanten – seinem Erbfeinde – nicht schwer, ihn hereinzulegen. Aktionär-Jäger erkennen ihn an seinem Vogelkopf, der auf einem schlotterigen Körper sitzt. Von allen Rentiers ist er es, der beim Gehen am eifrigsten mit sich selber spricht.

      III. Der Verheiratete

      Dieser Rentier teilt seine Rente weise in monatliche Raten. Er bemüht sich, von dieser Summe soviel wie möglich zu ersparen und sein Weibchen hilft ihm redlich dabei. Der Ehestand macht sich bei ihm durch das Schneeweiß seiner Wäsche kenntlich, durch seine nankingfarbigen Westen, seine plissierten Jabots und seidenen Handschuhe, die ein volles Jahr aushalten müssen. Er ist nicht sehr gesprächig, hört lieber zu und antwortet auf eine Frage lieber durch das stumme Anbieten einer Prise. Wegen seiner außerordentlichen Sanftmütigkeit bemerkenswert, macht er, der Rentier, als Ehemann sich durch gelegentliche häusliche Verrichtungen nützlich. Er macht die Besorgungen für den Haushalt, führt den Hund seiner Frau aus, bringt Leckerbissen nach Hause; wenn ein Wagen vorbei will, bleibt er fünf Minuten vorher wartend stehen und sagt zu jedem Arbeiter »Mein Freund«! Dieser Anthropomorphe entrüstet sich und ruft die Leute zusammen, wenn ein Fuhrmann seine Pferde misshandelt. Er fragt, warum soviel auf einen Wagen geladen werden muss, und spricht von einem Tierschutzgesetz, das erlassen werden müsste, nach dem Muster Englands, dieser Wiege der konstitutionellen Regierung. Wenn der Fuhrmann gegen die Einsprache der Zuschauer rebelliert, dann besinnt der Verheiratete sich seiner Pflichten als Familienvater und verduftet. Er zeigt fast alle Charakterzüge des Rentiers schlechtweg. Sein Laster ist, hinter dem Rücken seiner Frau Lieferungswerke zu abonnieren. Einige von ihnen gehen ins Atheneum, andere schließen sich obskuren Vereinen an, wo gesungen wird, diesen natürlichen Töchtern des Caveau, die »goguettes« genannt werden.

      IV. Der Wortkarge

      Ein Mann geht an Ihnen vorbei, finster, verträumt, die eine Hand steckt zwischen den Westenknöpfen, die andere stützt sich auf einen Spazierstock mit weißem Elfenbeinknopf. Dieser Mann wirkt wie ein Abbild der Zeit, er geht jeden Tag im gleichen Schritt den gleichen Weg, und sein Gesicht sieht aus wie im Backofen gebrannt. Er revolutioniert mit der unwandelbaren Regelmäßigkeit der Sonne. Da Frankreich sich seit fünfzig Jahren ununterbrochen in bedenklichen Verhältnissen befindet, fällt dieser Rentier endlich der stets besorgten Polizei auf, die ständig damit beschäftigt ist, sich über irgend etwas Klarheit zu verschaffen. Er wird verdächtig. Sie folgt dem Mann und sieht ihn rue de Berry in ein Haus eintreten, geheimnisvoll steigt er zum vierten Stock hinauf, putzt sich mysteriös auf einer phantastischen Strohmatte die Schuhe, steckt den Schlüssel ins Loch und betritt vorsichtig die Wohnung. Was tut er dort? Man weiß es nicht. Man beginnt ihn also zu beobachten. Die Detektivs träumen von Bombenfabrikation, Falschmünzerei, Banknotenfälschung. Folgt man ihm am Abend, so erwirbt die Polizei die Gewissheit, dass der Wortkarge einen hohen Preis für die Genüsse zahlt, die dem Studenten geschenkt werden. Die Polizei belauert ihn, er wird von Detektivs verfolgt. Er geht aus. Man sieht ihn in einem Konfitürenladen, dann bei einem Apotheker eintreten. Er liefert diesem im rückwärtigen Raum Pakete ab, die er der öffentlichen Aufmerksamkeit entzogen hat. Die Polizei verdoppelt, verdreifacht nun ihre Bemühungen. Der gerissenste Agent wird zu ihm geschickt, spricht ihm von einer Chance, die sich in Madagaskar bietet, und verschafft sich so Eingang in das verdächtige Zimmer. Es zeigt alle Symptome der erbärmlichsten Misere. Der Agent erlangt die Gewissheit, dass dieser Mann, um seine Passionen bestreiten zu können, seine Zeit damit verbringt, Schokoladestangen zu drehen, einzupacken und mit Etiketten zu bekleben. Er errötet über seine Tätigkeit, anstatt über ihren Zweck zu erröten. Das ganze Leben dieses Rentiers konzentriert sich auf eine einzige Leidenschaft, als deren Folge er in völliger Verblödung seine Tage im Asyl für Unheilbare beschließt.

      V. Der Militär

      An dieser seltsamen Varietät fällt dem Liebhaber origineller Typen vor allem die Art, den Spazierstock zu tragen, auf, dessen Schnur aus Leder geflochten ist und den er am Knopf seines Gehrocks anhängt. Bemerkenswert ist dieser Rentier noch durch seine Vorliebe für hohe Stiefel, die Art, seine Schultern einzuziehen, und die Höhlungen seines Brustkastens kühn vorzustrecken, endlich durch die Redeweise, die unvergleichlich dreister ist, als bei irgendeiner andern Varietät. Dieser Rentier, der sich mit der Behändigkeit einer Wetterfahne um seine eigene Achse dreht, macht allvierteljährlich nicht uninteressante Wandlungen durch. Zu Beginn jeder Saison ist er großartig üppig. Er raucht Zigarren, traktiert seine Kneipgenossen und delektiert