um Menschen ressourcen-, lösungs- und zukunftsorientiert anzuregen. Auch an theoretischen Beschreibungen und Erklärungen, wie Soziale Arbeit erfolgreich Hilfe zur Selbsthilfe leisten kann, mangelt es nicht. Was jedoch im Argen liegt, ist eine Organisation der sozialprofessionellen Praxis, die das fördert, was Fachkräfte theoretisch und methodisch erreichen sollten und was zu unterstützenden Menschen geboten werden müsste: eine Arbeit, die die Freiheit zur Selbstbestimmung fördert, die individuelle Verantwortung festigt und die lebensweltliche Selbsthilfe auszubauen hilft.
Dass eine solche Soziale Arbeit zwar mit ihren sehr gut ausgebildeten Fachkräften möglich und auch im Sinne ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu realisieren wäre, aber dennoch immer wieder an der Erreichung dieser Ziele scheitert, ist Thema der in diesem Buch versammelten Beiträge. Dabei wird die These vertreten, dass sich die Soziale Arbeit ein neues Verhältnis zur kapitalistischen Ökonomie erarbeiten sollte. Denn der wirtschaftliche Kapitalismus und der Liberalismus gehören zusammen und sind als getrennte Phänomene nicht zu haben. Wenn wir möchten, dass die Soziale Arbeit ihren Ansprüchen gerechter wird, müssen wir die ökonomische Logik der sozialprofessionellen Organisation umgestalten. Nicht die Bearbeitung von Problemen sollte sich für die Träger sozialer Dienstleistungen lohnen, sondern ihre nachhaltige Lösung.
Um ein Verständnis davon zu gewinnen, wie dies gelingen kann, stelle ich mit diesem Buch einige Grundaxiome der aktuellen Sozialen Arbeit infrage. So wird die enge Verbindung von Staat und Sozialer Arbeit problematisiert. Die rechtliche Determinierung der Profession wird kritisiert. Und schließlich wird das gängige Verständnis der Ökonomisierung Sozialer Arbeit abgelehnt. Demgegenüber wird versucht, eine positive Beziehung von kapitalistisch-liberaler Wirtschaft und Sozialer Arbeit zu denken. Dass ein solcher Sprung aus den etablierten Paradigmen nicht nur Widerspruch ernten wird, sondern vielleicht auch zu einem Neudenken beiträgt, ist zumindest eine leise Hoffnung, die mit der Veröffentlichung dieser Streitschrift einhergeht.
Potsdam, im Mai 2019
Einleitung: Systemliberalismus und das Elend der Welt
Liberalismus versus Neoliberalismuskritik
In diesem Buch befasse ich mich mit Theorien, Haltungen und Methoden, die auf aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen Antworten anbieten, welche sich dem breiten Strom liberaler Positionen zuordnen lassen, also als klassisch liberal, neoliberal, radikal-liberal oder libertär bewertet werden könnten. Als Provokation für viele, die wie ich in den Kontexten der Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit zu Hause und unterwegs sind, wirkt vor allem meine positive, kritisch befürwortende Rezeption dieser Positionen und Reflexionen. Denn den genannten liberalen Richtungen sind normative Vorentscheidungen eigen, die im Mainstream der praktischen wie wissenschaftlich reflektierenden Sozialen Arbeit kritisch bis ablehnend gesehen werden.
Der Liberalismus in klassischer wie neuer, auch radikaler bis libertärer Form verteidigt nicht nur unsere politischen, rechtlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen, religiösen oder massenmedialen Freiheiten als soziale Grundmerkmale und individuelle Menschenrechte in der modernen Gesellschaft. Als materielle Voraussetzung der genannten Freiheiten werden die wirtschaftliche Freiheit herausgestellt, die Ordnung des freien Marktes, die ökonomische Dynamik des kapitalistischen Wirtschaftssystems.
Hinsichtlich des Verhältnisses von staatlicher Politik und Wirtschaft lassen sich liberale Positionen auf die knappe Formel bringen: So viel Staat wie nötig, so wenig Staat wie möglich. Der Staat und das Recht werden als ordnende Rahmen gesehen, die die freie Entfaltung der Einzelnen und der gesellschaftlichen Systeme wie Wissenschaft, Massenmedien, Kunst, Religion und eben Wirtschaft ermöglichen und schützen. Eingriffe des Staates, politische Interventionen sollten so weit wie möglich vermieden werden, da sie ohnehin nicht determinierend möglich sind, sondern die Selbstorganisation und Eigendynamik der Systeme häufig in problematischer Weise stören. Staat und Recht setzen jedoch Kontextbedingungen, ökologische Rahmen, etablieren als Gesetze fixierte Normen, die die freie Systementfaltung ermöglichen, schützen und sichern sollen.
Systemliberalismus und Soziale Arbeit
Da sich diese Thesen nicht nur mit den klassischen wie neueren sozialphilosophischen und ökonomischen Theorien des Liberalismus unterfüttern lassen, sondern auch systemtheoretisch, könnte meine Position auch als Systemliberalismus bezeichnet werden.
Dieser Systemliberalismus macht auch vor der Sozialen Arbeit nicht halt, sondern versucht, das Verhältnis dieser Profession zur Wirtschaft und zur Politik neu zu denken. Hinsichtlich der Wirtschaft wird nicht weniger, sondern mehr Markt, etwa tatsächliche Kundenorientierung, eingefordert. Hinsichtlich des Staates werden nicht mehr politische Einflussnahmen und gegenseitige Verflechtungen, sondern weniger davon postuliert. Und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit gilt es so zu gestalten, dass die ökonomischen Anreize für die Träger bzw. Organisationen der Sozialen Arbeit den fachlichen und ethischen Normen entsprechen, die eindeutig als liberal bewertet werden können und sich als Stärkung und Ermöglichung lebensweltlicher Selbstorganisation und individueller Autonomie bezeichnen lassen. Die stärkere Unabhängigkeit von der staatlichen Politik bedeutet auch, sich zu öffnen für alternative Finanzquellen Sozialer Arbeit (etwa aus Unternehmen und Stiftungen) und damit auch für eine breitere zivilgesellschaftliche Verankerung der Profession, die weniger als handelnder Arm des Sozialstaates gesehen wird, sondern eher als unabhängige Dienstleistung professioneller Hilfe.
Wäre beispielsweise der Arbeitsmarkt der Sozialen Arbeit weniger staatlich reguliert und finanziert, sondern freier, also zivilgesellschaftlich verankert, von der Wirtschaft und von Stiftungen ökonomisch geprägt, würden in der aktuellen Situation des Fachkräftemangels, der gestiegenen Nachfrage nach Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die Löhne steigen. Es ist ein basaler wirtschaftlicher Zusammenhang, der in Märkten regelmäßig beobachtbar ist, dass die Preise (etwa in Form der Gehälter von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern) steigen bei erhöhter Nachfrage und einem gleichbleibenden oder gar zurückgehenden Angebot.
Wirtschaftliche Freiheit als materielle Basis der Gesellschaft
Der Ausflug in diese Welt ungewohnter Positionen kann als Versuch bewertet werden, einen Systemliberalismus zu entwickeln, der auch für die Reflexion und Gestaltung der sozialarbeiterischen Praxis anwendbar ist. Besorgte Kolleginnen und Kollegen mögen diesen Ausflug in die Kontexte des Liberalismus für gefährlich halten, ihn als Zynismus bewerten. Heute, so die Positionen dieser Kolleginnen und Kollegen, müsse der Kapitalismus kritisiert und nicht verteidigt werden. Die Probleme in der Welt, das Elend, das wir auch in unseren Regionen der Weltgesellschaft sehen, die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse (vor allem auch in der Sozialen Arbeit) würden uns doch eindeutig zeigen, wo der Feind sitze: im kapitalistischen Wirtschaftssystem, das seine ökonomischen Prinzipien der gesamten Gesellschaft mehr und mehr aufdrücke und das seine politische Ideologie des Neoliberalismus in alle öffentlichen Debatten unserer Gesellschaft hineindrücke.
Vergessen wird bei dieser Kritik, dass unsere gesamten oben genannten Freiheiten sowie die Ausdifferenzierung professioneller Sozialer Arbeit eine materielle Basis benötigen, die desto stabiler ist, je besser das Wirtschaftssystem sich entfalten und konsolidieren kann. Und dieses System wiederum ist abhängig von auf dem Markt agierenden Unternehmen, die ihre gesamte Kreativität letztlich dafür aufbringen, die Nachfrage der Kunden zu befriedigen.
Ich bin im Realsozialismus der DDR aufgewachsen und habe erlebt, welche erdrückende Dynamik entsteht, wenn sich die Politik anschickt, die gesamte Gesellschaft politisch zu planen und zu steuern. Die Unfreiheit, die sich damit in allen Systemen etablierte, also nicht nur politische, sondern eben auch rechtliche, wissenschaftliche, künstlerische, massenmediale, religiöse und vor allem auch wirtschaftliche Selbststeuerungen verhinderte, lag wie Blei auf allen sozialen Beziehungen. Auch diese Erfahrungen