bei Cala Gonone, die Grotta di Nettuno bei Alghero oder die Grotta di Ispinigoli bei Orosei hin terlassen bleibende Eindrücke einer geheimnisvollen, unterirdischen Welt. Enge Karstschluchten wie die Gola di Gorropu mit ihren über 300 Meter hohen Steilwänden, die rot leuchtenden Vulkanfelsen von Arbatax sowie mehrere Dutzend Naturparks mit ihrer einzigartigen, schützenswerten Fauna und Flora sind weitere Beispiele, die zeigen, dass es sich lohnt, hinter die glitzernde Fassade der Strandromantik zu blicken und für längere Zeit auf Entdeckungstour zu gehen. Viele verlieben sich mehrmals in diese zauberhafte Insel, mit jedem Besuch ein bisschen mehr. Zu Recht!
Blühende Kakteen am Straßenrand
STRASSEN SARDINIENS – VON KURVEN UND ENTSCHLEUNIGUNG
Manchmal erfordert eine begrenzte Verweildauer am Zielort eine zügige Reisemobil-Anreise über (mautpflichtige) Autobahnen bis zur Fähre. Spätestens jedoch nach Ankunft auf Sardinien sollten der Erholungswunsch und die Tachonadel ein beiderseitiges, entspanntes Einvernehmen eingehen.
Obwohl es keine Autobahnen auf der Insel gibt, lädt die immer besser ausgebaute, zweispurige und mautfreie Schnellstraße und Hauptverbindungsader SS 131 (Strada statale) von Nord nach Süd bisweilen dazu ein, das Tempolimit von zumeist 110 km/h auszutesten. Das kann sowohl hier als auch andernorts, also innerhalb geschlossener Ortschaften (50 km/h) oder auf Landstraßen (SP, Strada provinciale) im Kontrollfall sehr teuer werden. Wer sich das ersparen möchte, beachtet die sich jederzeit ändernden, nicht immer nachvollziehbaren Geschwindigkeitsgrenzen und fährt gelassen über die Insel. Das hilft auch bei der Tourenplanung. Das Vorankommen mit niedrigerer Durchschnittsgeschwindigkeit als geplant sollte einkalkuliert werden.
Wer übrigens das italienische Hupkonzert im Verkehr erwartet, wird überrascht sein, denn das bleibt aus. Die Sarden fahren überwiegend rücksichtsvoll, mitunter regelrecht langsam. Unwägbarkeiten wie rasante Überholmanöver oder Kurvenschneiden durch einige wenige Einheimische verlieren schnell ihren anfänglichen Adrenalinkick, da nach kurzer Zeit schon im Eigeninteresse damit gerechnet und die eigene Fahrweise darauf abgestimmt wird. Schlaglöcher, Bodenwellen, frei laufende Tiere und Abrisskanten der Asphaltdecke tun ihr Übriges, um jederzeit achtsam zu sein und das Reisemobil sicher zu manövrieren.
Die schönste Beschränkung liefert freilich die Natur selbst, sei es durch kurvige Bergstrecken mit immer wieder neuen, grandiosen Ausblicken oder spektakuläre Panoramastrecken entlang der Küstenlinie. Es ist glaubhaft überliefert, dass Fahrer ihren fotobegeisterten und hinter jeder Kurve ausstiegswilligen Co-Piloten das Verlassen des Fahrzeugs mittels Doorlock verwehrt haben, um noch vor Einbruch der Dunkelheit am nächsten Campingplatz anzukommen.
Nach kurzer Zeit auf Sardiniens Straßen ist die verkehrstechnische Akklimatisierung bei den meisten Reisemobilisten so weit vorangeschritten, dass das Fahren als willkommene Entschleunigung angesehen und wertgeschätzt wird. Deutlich wird dies in aller Regel spätestens, wenn auf der Rückreise beim Grenzübertritt nach Deutschland der Stresspegel wieder zu steigen beginnt.
Brot ist sowohl Grundnahrungsmittel als auch traditionelles Backwerk, regional und je nach Fest sehr kunstvoll geformt.
KUNSTHANDWERK UND FOLKLORE
Durch frühzeitliche Erfordernisse entstandene Fertigkeiten legen Zeugnis davon ab, wie sich die Schäfer, Bauern und Fischer einst ihren harten Arbeitsalltag erleichterten. Ob in der Töpfer- und Korbflechtkunst oder bei den Schmiede-, Web-, Kork- und Holzarbeiten, die spezifischen Eigenheiten Sardiniens zeigen sich noch heute im Kunsthandwerk sowie in den gelebten Bräuchen und Traditionen. Eine schnelle und umfassende Übersicht über die Vergangenheit verschafft beispielsweise das multimediale ethnografische Museum in Nuoro.
Mit der authentischen Gegenwart kann sich vertraut machen, wer das sardische Leben bei einem der zahlreichen Feste beobachtet. Das Aufrechterhalten der traditionellen Handwerkskunst, des Tragens von Trachten, des Gesangs und Aufführens antiker Tänze sind Ausdruck selbstbewusster Herkunft und stolzer Identifikation. Stellvertretend für nur einige Facetten des sardischen Kunsthandwerks sind hier genannt: die beliebten Klappmesser (Sa Leppa), die handgefertigten Teppiche aus Schafswolle, die aufgrund ihrer Verarbeitung besonders strapazierfähig sind, und die schon seit Jahrtausenden gefertigten, dreispitzigen Flöten aus Rohrblatt (Launeddas), deren Klang früher die Hirtengesänge begleitete.
Folkloristisch hat Sardinien ein breites Angebot: Rituelle Tänze wie der im offenen oder geschlossenen Kreis dargebotene Ballu tundu zählen zu den bekanntesten traditionellen Volkstänzen. Sardische Trachten bestechen durch die filigranen Schmuckstücke aus Spitze und Edelmetall und werden auch heutzutage von jungen Sarden bei traditionellen Hochzeitsfeiern getragen. Festbräuche in traditioneller Kleidung finden zudem in der Osterwoche auf der ganzen Insel statt. Und Anfang Mai sind in Cagliari anlässlich des Festes Sant'Efisio Tausende Trachten zu bewundern, die von zahlreichen Folkloregruppen in der Stadt zur Schau gestellt werden.
Eine schöne Tradition stellt das bekannte Pferderennen (Ardia) dar, das in Sedilo Anfang Juli veranstaltet wird. Und vor Maria Himmelfahrt (15. August) zieht eine prächtige Prozession mit Holzkerzen durch die Innenstadt von Sassari. Die unverfälschten Gebräuche der Sarden einmal live mitzuerleben, sollte im Programm eines Inselbesuches auf keinen Fall fehlen.
Kirchliche Feste prägen das Kalenderjahr und das gesellschaftliche Leben der Insel. Innenansicht Kathedrale in Oristano
NURAGHENKULTUR UND WEITERE GESCHICHTE
Wem der Begriff zuvor noch nicht bekannt war, für den ist spätestens mit dem ersten Inselaufenthalt die Nuraghe untrennbar mit Sardinien verknüpft. Die nachweisbare sardische Prähistorie geht bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. zurück, mehrere Funde belegen menschliches Leben auf Sardinien bereits in der Jungsteinzeit. Die bis dato vorherrschende Nomadenkultur ging in dieser auch Neolithikum genannten Zeit über in eine Lebensweise, die von Viehhaltung und Landwirtschaft bestimmt war.
Mannigfaches Zeugnis dieser neuen Sesshaftigkeit legen die über 7000 Nuraghen ab, die über ganz Sardinien verteilt und teilweise noch in erstaunlich gutem Zustand sind. Sie zeichnen sich durch eine kegelförmige Konstruktion großer, aufeinandergeschichteter Steine aus und dienten als sichere Wohnstätte, aufgrund ihrer oftmals strategisch günstigen Lage aber auch militärischen Zwecken. Sich einen persönlichen Eindruck dieser frühen Zivilisationssiedlungen zu machen, ist äußerst empfehlenswert. Zwei herausragende Beispiele werden im Verlauf der Touren in diesem Buch angefahren: Su Nuraxi bei Barumini (Tour 3) und Losa bei Abbasanta (Tour 6).
Der Blütezeit der nuraghischen Kultur (8. bis 6. Jahrhundert v. Chr.) folgte eine leidvolle Invasionsgeschichte. Zahlreiche Kriege mit Phöniziern, Karthagern und Römern hinterließen zeitgeschichtliche Spuren, die noch heute eindrucksvoll vorhanden und begehbar sind, beispielsweise in den großflächigen antiken Städten Nora bei Pula (Tour 2) und Tharros bei Oristano (Tour 4).
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches endete im 5. Jahrhundert n. Chr. die Herrschaft Roms über Sardinien. Es folgten sogleich weitere kriegerische Auseinandersetzungen mit den Volksstämmen der Vandalen, Goten, Byzantiner, Langobarden, Araber, Sarazenen – bis die Sarden endlich im 11. Jahrhundert mit der Gründung der vier Gerichtsbarkeiten (Giudicati) eine fünf Jahrhunderte währende Phase der weitgehend politischen Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Lebensverbesserung erzielen konnten.
Die wechselvolle Rolle Sardiniens, wobei sich im weiteren Verlauf auch die Spanier, Österreicher und Franzosen in das Geschichtsbuch eintrugen, fand ihren Niederschlag in Architektur, Brauchtum und Sprache. Wer, um ein Beispiel zu nennen,