Frank Maschmann

Total Compensation


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zukünftig auch kleine Fehler zu höheren wirtschaftlichen Schäden führen. Dies und die Tatsache, dass in voll digitalisierten Systemen die Dokumentation von Abweichungen von der Norm kontinuierlich und in „real time“ passieren wird, verursacht einen gesteigerten Druck auf die Mitarbeiter.12 Dieser muss nicht nur durch geeignete Maßnahmen wie das gezielte Vorbereiten auf Stresssituationen und das Einüben von Verhaltensweisen bei Störfällen abgefedert werden,13 sondern eben auch durch eine Gestaltung der Vergütung, die psychologische Sicherheit schafft.

      Hier sollten Mitarbeiter so bezahlt werden, dass das Thema Geld aus dem Blickpunkt des Einzelnen rückt, mit der klaren Schlussfolgerung, dass individuelle Leistungsbeurteilung und variable Vergütung zu entkoppeln sind. Das heißt nicht, Abschied von leistungsorientierter Vergütung zu nehmen. Boni basierend auf individuellen Zielen sollten hier durch Formen von Gewinnbeteiligungen ersetzt und – wenn möglich – mit Kapitalbeteiligungsmodellen sowie Ad-hoc-Prämien ergänzt werden. So kann auch der Gefahr einer ungewollten Gleichmacherei begegnet werden, indem Managern ein solches Spot-Bonus-Budget zur Verfügung gestellt wird, welches diese diskretionär und zeitnah zur erbrachten Leistung des Mitarbeiters unterjährig vergeben können. Darüber hinaus ist mit Blick auf das Engagement der Mitarbeiter insbes. der „Überraschungseffekt“ solcher ungeplanter Zuwendungen bei guter Leistung positiv zu bewerten. In aller Konsequenz schließt sich der Entkopplung von Performance Rating und Bonusplan/-auszahlung die logische Frage an, welche Bedeutung das Performance Rating im Allgemeinen und im Vergütungsmanagement im Besonderen insgesamt noch haben sollte.

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      Bei der Gestaltung der Grundvergütung wird die Bedeutung der auf Arbeits- und Tätigkeitsanalyse basierenden Stellenbeschreibung, welche die gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen des Arbeitsplatzes beschreibt, abnehmen. Die klassischen Verfahren zur Beschreibung der Arbeitsanforderungen (arbeitswissenschaftliche und psychologische Verfahren) eignen sich vor allem für zunehmend obsolete manuelle, leicht quantifizierbare und repetitive Tätigkeiten und entfalten in einer dynamischen Arbeitsumgebung einen hohen Anpassungsbedarf. Die sich an die Stellenbeschreibung zur Bestimmung des Grundgehaltes anschließenden Arbeitsbewertungsverfahren und damit eine klassische Anforderungsorientierung insgesamt werden in der Praxis zunehmend durch qualifikations- und marktorientierte Ansätze ersetzt werden. Dabei wird das externe Gehaltsbenchmarking eine zentrale Rolle einnehmen.

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      Betriebliche Bildungsmaßnahmen und die Förderung des lebenslangen Lernens gewinnen immer mehr an Bedeutung, um die Mitarbeiter für komplexere Tätigkeiten am Arbeitsplatz sowie im Umgang mit neuen Technologien vorzubereiten. Neben der damit erforderlichen Positionierung eines Konzeptes des lebenslangen Lernens und einer damit verbundenen (weiteren) Aufwertung der personalwirtschaftlichen Teilfunktion „Performance Management“ ist es somit erforderlich, Lernen in das Anreizschema zu integrieren, also ein erweitertes Verständnis von Gesamtvergütung zu entwickeln. So kann z.B. darüber nachgedacht werden, Mitarbeitern verstärkt Wahlrechte einzuräumen, neben einem weiterhin vom Arbeitgeber zentral budgetierten Fortbildungsangebot auch Bestandteile ihres Leistungs- oder Grundlohns in spezifische Weiterbildungsmaßnahmen zu investieren, insbesondere, wenn diese die Arbeitsmarktfähigkeit insgesamt erhöhen. So könnte im Rahmen von Gehaltsrunden für jeden Mitarbeiter eine feste Zusage in Form eines idealer Weise selbstorganisatorisch zu verwaltenden personenbezogenen Weiterbildungsbudgets gegeben werden. Investitionen in den Mitarbeiter bekommen so eindeutig den Charakter eines aktiven Anreizelements, welches regelmäßig kommuniziert wird. Auch könnte dies in einen Cafeteria-Ansatz integriert werden, wobei der Mitarbeiter ein Budget zugeteilt bekommt, über dessen Verwendung er in definierten Grenzen frei entscheidet, wobei Weiterbildung dann eine Variante neben mehreren wäre. Schließlich können hier die Möglichkeiten zur Einführung von Arbeitszeitkonten genutzt werden, welches den Mitarbeitern die Möglichkeit einräumt, über vorab angesparte Guthaben (Entgeltumwandlung) Auszeiten zu nehmen und sich bei Fortzahlung ihrer Gehälter für einen längeren Zeitraum völlig von der Arbeit freistellen zu lassen. Es könnten durch den Arbeitgeber zusätzliche finanzielle Anreize dafür geschaffen werden, dass der freigestellte Mitarbeiter die Zeit ganz oder teilweise zur Weiterbildung verwendet.

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      Die sich aus den Varianten des Crowdsourcing als neue Formen der Arbeitsorganisation in der „Arbeitswelt 4.0“ ergebenden Anforderungen sind unterschiedlich. Beim externen Crowdsourcing ist die Herausforderung, wie über entsprechende (monetäre) Anreize der externe Crowdworker motiviert werden kann, sich an einer entsprechenden Arbeitsaufgabe zu beteiligen. Dies wird wesentlich von der Komplexität der gestellten Aufgabe abhängen. Für einfache, repetitive Aufgaben (z.B. Beschriftungs- oder Kategorisierungsaufgaben) steht die unmittelbare Entlohnung im Vordergrund. Dabei variieren in der Praxis derzeit verschiedene Vergütungsformen: Es werden nur angenommene Lösungen vergütet, es werden alle eingereichten Lösungen vergütet oder es erfolgt eine Vergütung nur der besten Lösungen.

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