Frank Maschmann

Total Compensation


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und in zunehmendem Maße experimentelle Methoden ein, um Motivationseffekte von Vergütung zu untersuchen.3 Die dadurch gewonnenen empirischen Befunde haben zur Weiterentwicklung der bestehenden Theorien geführt. Insbesondere haben psychologische Einflussfaktoren (wie z.B. intrinsische Motivation oder Fairnesserwägungen), die im Zentrum des Interesses der Verhaltensökonomik stehen,4 Eingang in die ökonomische Forschung zu Vergütung und Motivation gefunden. Dieses Zusammenspiel von theoretischer und empirischer Forschung ist für ein besseres Verständnis von Motivationseffekten der Vergütung von entscheidender Bedeutung.5

      1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden immer von Mitarbeitern etc. gesprochen. Damit sind selbstverständlich immer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen etc. gemeint. 2 Für entsprechende Lehrbücher vgl. z.B. Bolton/Dewatripont, Contract Theory; Laffont/Martimort, The Theory of Incentives: The Principal-Agent Model; Schweizer, Vertragstheorie. Diese Theorien beschäftigen sich mit optimalen Vergütungsformen, ohne zunächst arbeitsrechtliche Einschränkungen zu berücksichtigen. Die ökonomischen Wirkungen, die von rechtlichen Rahmenbedingungen ausgehen, stehen im Zentrum des Interesses der ökonomischen Analyse des Rechts, vgl. beispielsweise für eine ökonomische Analyse des deutschen Schuldrechts Schweizer, Spieltheorie und Schuldrecht. 3 Für einen Überblick vgl. Gibbons/Roberts (Hrsg.), Handbook of Organizational Economics. 4 Vgl. hierzu Camerer, Behavioral Game Theory. 5 Vgl. Card/DellaVigna/Malmendier, Journal of Economic Perspectives 2011, 39; Deaton, Journal of Economic Literature 2010, 424.

       II. Methodischer Hintergrund

       1. Theoretische ökonomische Modelle

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      Mikroökonomen bedienen sich bei der Analyse von Motivationseffekten von Vergütungskomponenten theoretischer (mathematischer) Modelle. Ziel ist es, dabei von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu abstrahieren und für eine breitere Klasse von Anwendungsfällen relevante Wirkungszusammenhänge zu isolieren. Theoretische Modelle liefern (neue) potenziell überraschende Wirkungszusammenhänge und Handlungsempfehlungen, die es dann in empirischer Forschung zu überprüfen gilt.

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      Die theoretischen Modelle basieren auf vereinfachenden Annahmen (z.B. oftmals den Annahmen reiner Eigennutzorientierung oder perfekter Rationalität). Diese Annahmen werden nicht deshalb getroffen, weil unterstellt wird, dass sich alle relevanten Akteure so verhalten. Vielmehr sind sie als erste Näherung zu verstehen, da ein theoretisches Modell ein so weit wie möglich vereinfachtes Abbild der Realität liefern soll, das die entscheidenden Wirkungszusammenhänge beinhaltet und gleichzeitig für die vorliegende Fragestellung Unwichtiges ausblendet. Ob eine vereinfachende Annahme angemessen ist, hängt dabei nicht unmittelbar davon ab, ob sie realistisch oder unrealistisch ist, sondern davon, ob sie für den untersuchten Wirkungszusammenhang irrelevante Aspekte ausblendet. Dafür ist eine Verdeutlichung mit Hilfe einer Analogie instruktiv: Eine Straßenkarte (wie z.B. Google Maps) ist ein vereinfachendes (beschreibendes) Modell der Realität. In Straßenkarten werden alle freien Flächen oftmals grün und alle Straßen weiß dargestellt. Diese Farbgebungen sind natürlich völlig unrealistisch (Straßen sind schließlich nicht weiß), aber diese Vereinfachungen beeinträchtigen den Nutzen der Straßenkarte (als vereinfachendes Modell der Realität) nicht. Im Gegenteil: Indem sie Irrelevantes ausblenden, erleichtern sie es, den Weg von A nach B zu finden.

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      Neben der Analyse bereits vorliegender (Sekundär-)Daten (z.B. den Vergütungs- und Performancedaten der Mitarbeiter eines Unternehmens) hat sich die mikroökonomische Forschung in den letzten Jahrzehnten zunehmend der Analyse von extra für den jeweiligen Untersuchungszweck experimentell erzeugten (Primär-)Daten zugewandt, weil damit methodische Vorteile verbunden sind, die präzisere Aussagen zulassen. Bei diesen experimentellen Methoden handelt es sich um Laborexperimente und um Feldexperimente.

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      Im Rahmen eines Laborexperiments wird eine ökonomische Situation unter kontrollierten Bedingungen mit Versuchsteilnehmern nachgespielt. Die Versuchsteilnehmer erhalten für ihre Teilnahme am jeweiligen Experiment eine erfolgsabhängige Vergütung, um ein möglichst realitätsgetreues Verhalten zu induzieren. Innerhalb eines Experiments werden die Versuchsteilnehmer in eine Kontroll-Gruppe und eine Treatment-Gruppe eingeteilt. Die Zuordnung der Teilnehmer auf diese beiden Gruppen erfolgt zufällig. Diese zufällige Aufteilung bewirkt (gegeben eine hinreichend große Zahl an Teilnehmern), dass sich die Kontroll-Gruppe und die Treatment-Gruppe hinsichtlich ihrer Zusammensetzung nicht in ihren persönlichen Charakteristika (wie z.B. Alter, Geschlecht, Präferenzen oder Einstellungen) unterscheiden und damit vergleichbar sind. Diese Vergleichbarkeit hinsichtlich beobachtbarer und unbeobachtbarer Charakteristika stellt einen entscheidenden Vorteil experimentell gewonnener Daten gegenüber der Analyse von Sekundärdaten dar.7

      Nach der Einteilung in Kontroll-Gruppe und Treatment-Gruppe spielen die Versuchsteilnehmer eine ökonomische Situation nach. Entscheidend ist dabei, dass das Design des Experiments sicherstellt, dass sich die ökonomische Situation, der sich die Treatment-Gruppe gegenübersieht, in nur einem einzigen Aspekt von der ökonomischen Situation unterscheidet, der sich die Kontrollgruppe ausgesetzt sieht (z.B. könnte die Treatment-Gruppe in einem Produktionskontext einen etwas höheren Stücklohn erhalten als die Kontroll-Gruppe). Dadurch ist es möglich, etwaige Verhaltensunterschiede der Mitglieder der beiden Gruppen kausal auf den einen Aspekt zurückzuführen, in dem sich die ökonomischen Situationen der beiden Gruppen unterscheiden (wenn, um das obige Beispiel wieder aufzugreifen, der höhere Stücklohn beispielsweise zu einer höheren Produktivität der Treatment-Gruppe führt). Ein wesentlicher Vorteil der experimentellen Methode ist also, dass sie die Identifikation kausaler Effekte erleichtert (und damit über reine Korrelationsaussagen hinausgeht).

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      Als potenzielle Nachteile von Laborexperimenten werden u.a. das künstliche Entscheidungsumfeld (an einem Computer-Labor an der Universität im Gegensatz zu realen Entscheidungen innerhalb eines Unternehmens) sowie die Tatsache genannt, dass es sich bei den Versuchsteilnehmern in der Regel um Studenten (und nicht um Personen, die ähnliche Entscheidungen auch in der Praxis tätigen) handelt. Es wird also die externe Validität von im Labor