Alexandra Gehring

Die Abrichtung 3 | Erotischer SM-Roman


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Moment nach. »Natürlich habe ich in den letzten Monaten viele neue Kontakte dazubekommen. Svens und meine Aufnahme in die Loge hat unseren Bekanntenkreis enorm erweitert. Da könnte schon mal einer der Herren auf falsche Gedanken kommen. Vom Gefühl her würde ich diesen Kreis allerdings ausschließen. Wir sind ja in diesem Verein, damit man seine sexuellen Wünsche und Sehnsüchte ausleben kann. Jeder kann mit jedem darüber reden. Aber wir wissen ja nicht, wie so ein Mann tickt.«

      Zwei Minuten später war Anspannung ein wenig abgefallen.

      »So was von bescheuert!«, rief Sari. »Wir lassen uns von so einem Arsch doch nicht verrückt machen! Wenn du einverstanden bist, bleiben wir ab sofort in engem Handykontakt. Das sind wir zwar auch so fast täglich«, Sari sah ihre Freundin schmunzelnd an, »aber ich beziehe es auf diese spezielle Sache. Jetzt ist dein Name mit im Spiel. So richtig ernstnehmen kann ich das alles immer noch nicht. Also! Gemeinsam packen wir das!«

      Sari bot Ina ihre Handfläche an, die klatschend zuschlug.

       Inas SinnKrise

      »Jetzt komme ich auch noch mit meinen Problemen«, sagte Ina und blies laut die Luft aus. »Es liegt mir etwas auf dem Herzen. Hast du Lust und Zeit … nach alledem, was gerade hier abläuft?«

      »Leg los! Heute machen wir alles mit einem Abwasch!«

      Ina ging zu einem Schrank, entnahm eine Keksdose und stellte sie auf den Tisch. Es war fast schon zu einem Ritual geworden. Ina griff zu, Sari auch.

      »Es ist mir bewusst, dass viele Menschen schlimmere Probleme haben. Krankheit, Trennung, Geldnot, Einsamkeit … um nur einige zu nennen. Aber ich lebe im Hier und Jetzt und möchte nicht vertrocknen wie eine Blume, die kein Wasser mehr bekommt. Ich gestehe mir einfach das Recht darauf ein, einen Anspruch auf das kleine Glück im Alltag zu haben.«

      Sie entnahm der Dose einen weiteren Keks. »Ich möchte mich nicht neu erfinden, aber man lebt schließlich und endlich nur einmal und die Uhr tickt die Zeit herunter.«

      Sari nickte, schaute Ina verständnisvoll an. »Du bist in einer Sinnkrise und fragst dich warum, weshalb und was dich in den nächsten Monaten, den kommenden Jahren erwartet? Dieses Hinterfragen ist in unserem Alter nichts Ungewöhnliches. Viele verwenden das Wort Midlife-Crisis hierfür. Noch zu jung, um alles zu akzeptieren, wie es ist, noch nicht zu alt, um einfach sich weiter so treiben zu lassen. Nach der Kindheit kam die Partnersuche, die Liebe, die Ehe, die Kinder, die Karriere. Und jetzt? Die Suche nach dem Glück ist Teil unseres Lebens. Du möchtest eingefahrene Wege verlassen, hast Sehnsucht, Neues in dein Leben zu lassen. Begleitet dich dein Mann aktiv oder musst du vielleicht einen Weg für dich allein finden? Deinen Weg? Viele Fragen. Ich kann dich voll und ganz verstehen.« Sari träufelte etwas Zitronensaft in ihre Tasse, trank dann vorsichtig einen Schluck ihres heißen Tees. »Ähnliche Gedanken mussten Sven umgetrieben haben. Deshalb sein Angebot an mich, in das SM-Camp nach Südfrankreich zu gehen. Er hatte die Sorge, dass unsere Lebenslust, unsere Lebensfreude, in der Umklammerung des Alltäglichen verloren gehen könnte. Du hast ja hautnah mitbekommen, welchen Weg wir eingeschlagen haben, und der ist ganz bestimmt nicht jedermanns Sache. Wirklich nicht!«

      Sari ging in die Küche, holte einige Stücke Baumkuchen.

      Ina winkte ab. »Leider nein. Ich möchte noch ein Kilo loswerden, möchte mich nicht nur gedanklich verändern«, sagte sie mit einem Schmunzeln im Gesicht. »Wenn schon, denn schon!«

      Sari überlegte kurz, beugte sich dann etwas nach vorn und sagte: »In den letzten Jahren habe ich mir Bücher zugelegt, die sich, jedes auf seine Art, mit dem Thema Liebe, Glück und Lebenslust befassen. Was mich umtrieb, war der Wunsch, mich besser zu verstehen. Es war schon interessant, sozusagen in mein Gehirn, mein Denken, in meine Seele zu schauen. Um ganz ehrlich zu sein, ich erwartete von den Büchern nicht viel, dazu bin ich eine zu große Realistin. Aber bald schon taten sich neue Sichtweisen auf. In vielem erkannte ich mich selbst, zu einigen Thesen hatte ich keinen Bezug. Das Lesen dieser Bücher war eine hilfreiche Horizonterweiterung. Meine anfängliche, nicht gerade kleine Skepsis, wurde widerlegt.« Sari trennte mit der Gabel ein Stück des Baumkuchens ab, schob es sich in den Mund, trank dann erneut einen Schluck ihres Tees.

      Nachdenklich fuhr sich Ina durch ihre Haare, schaute durch die große Frontscheibe in den Garten.

      Sari brachte ihre Freundin in die Realität zurück. »Soll ich die Bücher holen?«

      »Und ob! In jeder Bücherei gibt es eine Auswahl solcher Bücher. Durchgeblättert habe ich schon einige, aber irgendwie war mir das bisher alles zu suspekt. Ich habe diese Woche noch Urlaub und werde deinen Tipp befolgen. Also, her mit den Büchern!«

      So liebte Sari ihre Freundin. Sie ging los und kam mit einigen Büchern wieder. »Ich denke, das reicht für den Anfang. Zwei tolle Bücher von Richard David Precht, unserem Psychoguru und Bestsellerautor. Hier sein Buch ›Liebe‹, und sehr interessant ist ›Die Kunst, kein Egoist zu sein‹. Man muss sich wirklich einlesen, aber es lohnt sich allemal. Es geht um Selbsterkenntnis und die Sicht der anderen auf uns. Du wirst einige neue Erkenntnisse daraus ziehen, manches in einem anderen Licht sehen. Dann hier: ›Fuck it!‹, einfach nicht alles an sich heranlassen, nicht immer alles hinterdenken. Unsere Gedanken drehen sich viel zu oft im Kreis. Unsere Wahrnehmung entspricht oft nicht der Realität. Zur Entspannung empfehle ich dir noch den herrlichen Roman ›Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück‹, denn du bist ja auch auf der Suche nach dem Glück, was immer du auch darunter verstehst. Und hier, zu allerletzt ›Passwort zur Seele‹ von Alexandra Gehring.« Sari legte den Titel mit einem Schmunzeln im Gesicht als letztes Buch auf den Stapel. »Ausbrechen. Loslassen. Seelenmassage einmal ganz anders! Aber so was von anders!«

      Ina nahm das Buch in die Hand, prustete lachend los. »Du meinst, ich habe es wohl nötig … und wahrscheinlich hast du sogar recht.« Ina sah ihre Freundin kopfschüttelnd und mit einem breiten Grinsen an.

      »Das Thema SM und Devotheit ist dir seit deinem Treffen mit Alexandre in Paris ja nicht mehr fremd. Sollte ich mich für deine jetzige Situation nicht mitschuldig fühlen? Auch wenn du richtig heiß bei der Sache warst … erst durch meine Erfahrungen und Erzählungen bist du von deinem eingefahrenen Weg abgekommen. Da ist schon ein Körnchen Wahrheit dran.«

      Ina spürte, wie ihre Freundin dieses Wissen um eine Mitschuld an ihrer sexuellen offeneren Lebensweise anscheinend schon länger beschäftigte. Inas Mann war auch ein Freund von Sari und Sven.

      »Eins kannst du mir glauben, ein ganz klares Nein! Denn rumort hat das bei mir schon lange. Diese Sinnkrise, wie du sie nennst, hat mich schon lange umgetrieben. Ich bin dir und auch Sven dankbar, dass ich das mit euch erleben durfte. Darüber brauchst du dir keinen Kopf zu machen. Ich bin erwachsen und ich habe mich dir ja förmlich aufgedrängt. So sieht es aus! Darüber brauchst du dir wirklich nicht den Kopf zu zerbrechen. Im Gegenteil!«

      »Komm, trinken wir noch ein Gläschen Prosecco!«, tönte es erleichtert von Sari.

      Kurze Zeit später klirrten die Gläser aneinander.

      »Du kannst alles mit mir besprechen«, sagte Sari, »wirklich alles! Ich habe dir ja schon angedeutet, das Wort ›Lebenslust‹ hat für Sven und mich einen völlig neuen Sinn und Stellenwert in unserer Beziehung gefunden. Vieles hat sich in den letzten Monaten in unserem Leben verändert. Wir haben aber alles gemeinsam beschlossen. Du bist in einer viel komplizierteren Situation.« Sari schaute ihrer Freundin tief in die Augen, die den Blick nur kurz erwiderte.

      »Wenn ich ehrlich bin, ich habe da noch was auf dem Herzen, das mich unterbewusst immer wieder einholt. Viele Mädels und Frauen hatten solche Erlebnisse in ihrer Kindheit oder Jugend, aber wenn du es möchtest, würde ich es dir gern schildern. Dann muss ich es endlich nicht mehr nur mit mir allein herumtragen.«

      Sari nickte ihr zu. »Erzähl es mir. Hier und jetzt machst du bitte klar Schiff.«

      »Es geht mir im Folgenden nicht so sehr um das Sexuelle. Es geht primär um das Verhalten meiner Mutter. Ich bin heute in einer Situation, wo ich mich ebenso verhalten könnte, wie sie damals. Die Zeiten sind heute anders, aber das Erlebte hat mich schon geprägt. Ich war damals gerade vierzehn Jahre alt geworden. Ich fühlte