und krabbelt fröhlich brabbelnd auf sie zu. Seit gestern Nacht – die sie fast gänzlich durchgeschlafen hat – ist sie wie verwandelt. Sven hatte also recht. Es war wieder mal irgendeine Phase, die sie aus der Ruhe gebracht hat.
Als hätten meine Gedanken ihn herbeigezaubert, kommt er nur mit Shorts und T-Shirt bekleidet ins Wohnzimmer getappt und sieht sich irritiert um. Leonie ändert ihre Richtung und visiert ihn anstatt der Ente an.
»Morgen, kleine Maus. Wo hast du denn die Mami gelassen?« Er nimmt sie hoch und gibt ihr einen Kuss. Der Anblick ist zum Schmelzen.
»Hier drüben … die Kleine ist so zufrieden, da wollte ich sie in ihrem Entdeckerdrang nicht stören.«
Sven setzt Leonie zu ihrem Kuscheltier und gesellt sich zu mir in die Küche. Ich hole eine Tasse für ihn aus dem Oberschrank und lasse ihm einen Kaffee aus dem Vollautomaten – froh, mich für einen Moment abwenden zu können. Leonie hat mich zwar heute Nacht schlafen lassen, dennoch habe ich kaum Ruhe gefunden. Meine Gedanken wollten einfach nicht stillstehen.
»Morgen Schönheit«, murmelt Sven anzüglich. Er schlingt von hinten die Arme um meine Taille und haucht mir einen sanften Kuss in den Nacken. Mir wird ganz heiß, als er mit seinen Hüften an meinen Po stößt. Er ist steinhart. Anscheinend denkt auch er an gestern Nacht. Das hat ihn jedoch nicht davon abgehalten, bis nach neun zu schlafen.
»Morgen«, antworte ich leise und drehe mich in seinen Armen herum. Er empfängt mich mit einem langen Kuss. Als er wieder von mir ablässt, greift er an mir vorbei nach seinem Kaffee.
»Wann geht die Kleine denn wieder ins Bett?«, fragt er beiläufig und nippt an seiner Tasse. Lässig lehnt er sich in der u-förmigen Küche mir gegenüber an die Arbeitsplatte und lässt seinen Blick über meinen Körper schweifen. Die Signale könnten nicht eindeutiger sein.
»In einer halben Stunde.« Meine Stimme klingt belegt, ich räuspere mich. Zwar kann ich durchaus Gefallen an dem Gedanken finden, das von gestern Nacht zu wiederholen, aber mir fehlt die Zeit dazu. Wäsche waschen, falten und bügeln, kochen, aufräumen ... Sven scheint jedoch keine Gedanken an solche Nichtigkeiten zu verschwenden. Er stellt seinen Becher ab und drängt mich heißblütig gegen den Küchenschrank. Seine Hände landen auf meinen Hüften und er zieht mich eng an sich. »Dann haben wir etwas Zeit für uns, richtig?« Sein steifer Penis drängt gegen meinen Schamhügel, mit erwartungsvoll funkelnden Augen sieht er mich an.
Hitze flutet meinen Körper, meine Nippel stellen sich augenblicklich auf. Dennoch schiebe ich ihn von mir und schlüpfe an ihm vorbei. »Prinzipiell ja, aber ich habe so viel zu tun …« Ehe ich zu Ende gesprochen habe, schnappt Sven sich seine Tasse und verschwindet mit einem gekränkten Schnauben aus der Küche. Es ärgert mich, dass er sich wie ein abgewiesenes Kleinkind verhält, nur weil ich nicht sofort verfügbar bin. Wütend folge ich ihm.
»Wenn ich mich nachher nicht gleich um die Wäsche kümmere, komme ich mit dem Kochen nicht hinterher. Und einmal am Tag sollte Leonie schließlich auch an die frische Luft. Das alles kostet Zeit!« Zeit, von der irgendwie nie genug da ist. Sobald ich das Gefühl habe, die Dinge einigermaßen im Griff zu haben, kommt etwas Neues hinzu, das ich einbauen soll. So wie jetzt Sven.
Ich stoppe abrupt, als er zu mir herumwirbelt und mich ärgerlich anfunkelt. »Kannst du das nicht einmal vergessen? Herrgott noch mal, Annabell, es ist Sonntag!«
Ich schlinge abwehrend die Arme um meinen Oberkörper. Sven hat ja keine Ahnung. »Und wenn ich mich nicht auch am Sonntag um alles kümmere, habe ich am Montag doppelt so viel Arbeit! Das wird mir einfach zu viel.« Ich will nicht schon wieder streiten, dennoch kann ich nicht verhindern, dass ich laut werde. Wie kann Sven nur so blind sein und nicht sehen, wie ich durch jeden Tag hetze, um Leonie und ihn zufriedenzustellen? »Es kotzt mich an, dass ich immer nur geben soll, es aber nie genug ist! Für dich ist es selbstverständlich, dass du jeden Tag ein sauberes und gebügeltes Hemd aus dem Schrank ziehst, ich dein Zeug hinter dir herräume und dass jeden Tag, sofern ich es irgendwie schaffe, ein ordentliches Essen auf dem Tisch steht. Und ich krieg das einfach nicht mehr auf die Reihe, wenn ich nur einen Tag lang stillstehe.« Ich spüre, wie mir hilflose Tränen der Wut in die Augen schießen. Ich hasse es, dass ich heulen muss, wenn ich richtig sauer bin. Zornentbrannt stürme ich an Sven vorbei. Er soll bloß nicht glauben, dass ich weine, weil ich traurig bin.
»Früher hast du das doch auch alles hinbekommen, obwohl du den ganzen Tag arbeiten warst!«, brüllt er mir hinterher. Ich mache auf dem Absatz kehrt und baue mich vor ihm auf. »Ja, früher habe ich mir meine Zeit aber auch selbst einteilen können und musste nicht alles, was ich tue, zigmal unterbrechen.« Sven starrt mich düster an. Langsam schüttelt er den Kopf. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, du wünschtest dir, wir hätten Leonie nie bekommen.«
Seine Worte treffen mich wie ein Faustschlag. Tu ich das? Ich spüre, wie das Blut aus meinen Wangen weicht, und schüttle entgeistert den Kopf. Von Sven lasse ich mir nicht die Worte im Mund umdrehen. »Pass auf, was du sagst. Ich bin keine schlechte Mutter, nur weil ich mich nicht in drei Teile zerreißen und jeden Ball auffangen kann, der mir zugespielt wird.«
Sven nickt bitter, seine Schultern sinken resigniert nach vorn. »So ist das also. Im Prinzip sagst du mir gerade, dass der Haushalt Vorrang vor mir hat. Dabei habe ich einfach nur das Bedürfnis, wieder eine richtige Partnerschaft zu leben. Eigentlich sollte das auch dein Bedürfnis sein.«
Er geht an mir vorbei und würdigt mich keines Blickes mehr. Ich zucke zusammen, als er die Tür mit einem Knall hinter sich zuschlägt, Leonie beginnt zu weinen. Ich nehme sie erschrocken hoch und wiege sie tröstend. Das schlechte Gewissen bricht über mir zusammen. Wie konnte ich nur so auf mich konzentriert sein, dass ich nicht bemerkt habe, dass wir ihr Angst machen? Wann ist nur dieser Groll in mir entstanden und wie?
Geistesabwesend setze ich mich mit der Kleinen aufs Sofa und mache Faxen mit ihrer Plüschente, um sie bis zur Schlafenszeit bei Laune zu halten. Sie lacht erheitert, als ich das Tierchen hinter meinem Rücken verstecke und laut quakend wieder zum Vorschein kommen lasse. Für sie ist die Welt wieder in Ordnung. Wäre es für mich doch auch nur so einfach …
***
Eine gute dreiviertel Stunde später liegt meine Kleine friedlich schlummernd in ihrem Bett, von Sven ist weit und breit nichts zu sehen. Eigentlich sollte ich mich jetzt um den Haushalt kümmern, doch ich halte diese Anspannung zwischen uns einfach nicht länger aus. Leise öffne ich die Tür zu unserem kleinen Büro. Wie vermutet sitzt Sven vor dem PC und zockt irgendein Ballerspiel, um Frust abzubauen.
»Sven?«
Keine Reaktion.
Ich presse die Lippen aufeinander, um nicht wieder zu schreien – diesmal aus Frust – und trete vorsichtig hinter ihn an den Schreibtisch. »Es tut mir leid. Ich wollte dir keine Vorwürfe machen. Natürlich bin ich für die Arbeiten zu Hause zuständig, nachdem ich nun ja den ganzen Tag da bin, und natürlich ist der Haushalt nicht wichtiger als du. Aber manchmal habe ich einfach das Gefühl, dass mir alles über den Kopf wächst.« Sven nimmt nicht einmal den Blick von diesem bescheuerten Bildschirm. »So ein ähnliches Gespräch haben wir doch erst vorgestern geführt …« Er klingt nicht einmal mehr böse, vielmehr entmutigt. Seine Schultern sind angespannt.
Nervös trete ich von einem Fuß auf den anderen. Warum bin ich überhaupt so explodiert? Mein Mann wollte einfach nur den günstigen Zeitpunkt nutzen und mit mir schlafen. Das ist doch kein Grund, derart auszurasten. Ich räuspere mich, um den Kloß in meinem Hals loszuwerden. Es macht mich traurig, dass ich nicht wenigstens einen Teil der Schuld auf ihn abschieben kann. Doch tatsächlich scheine ich allein der Grund für unsere Eheprobleme zu sein.
»Ich verstehe mich manchmal selbst nicht mehr. Ich meine, es macht mich so wütend, nie mit der Arbeit fertig zu werden. Den ganzen Tag kreise ich um die unerledigten Dinge und am nächsten Morgen ist die Liste wieder voll.«
Zum ersten Mal, seit ich dieses Gespräch begonnen habe, sieht Sven mich an. Ein beunruhigender Ausdruck flackert in seinen schönen Augen auf. »So geht das nicht weiter, Annabell. Ich dachte wirklich, dass in den letzten beiden Tagen irgendwie ein Knoten geplatzt sei. Und heute haust du mir deinen Frust um die