würde ihren Ehemann verlieren, wahrscheinlich. Je nachdem. Kam darauf an, wer sie entdeckte. Und wie.
Der Gefahr gegenüber standen die Möglichkeiten des Hauses. Dann würde sie das Riesenhaus nach dem Auszug der Kinder wieder mit Sinn füllen. Dort könnten sie sich austoben, dort hätten sie Platz, dort könnte sie sich gehen lassen.
Die Vorteile überwogen. Der Grad ihrer Erregung war hoch, die Gefahr riesig. Aus diesen Gründen war sie bereit, das Risiko einzugehen. Mit der Gefahr zu spielen, war der letzte Reiz, den sie brauchte, um sich für ihr Haus als Veranstaltungsort zu entscheiden.
Sie gab ihm ihre Nummer mit der strengen Maßgabe, auf keinen Fall vor acht Uhr morgens oder nach acht Uhr am Abend anzurufen.
Kevins erster Anruf erreichte sie am nächsten Morgen um Viertel nach sieben, während sie mit ihrem Mann am Frühstückstisch saß. Als seine Stimme aus dem Handy erklang, sackte ihr Blut vor Schreck und Aufregung in die Magengrube. Sie kam sich ertappt vor und war gleichermaßen erregt von dem Gedanken an Sex und der Gefahr, erwischt zu werden. Das Heimliche törnte sie an. Am Ohr den Liebhaber, gegenüber den Mann, der von der wahren Absicht ihres Gesprächspartners nichts wissen durfte und sie neugierig beobachtete.
Sie blieb äußerlich kühl: »Wer ist dort?«
»Du weißt nicht mehr, wer ich bin?«, fragte Kevin entgeistert.
»Ach du bist es! Natürlich, hab dich nicht gleich erkannt. Wir telefonieren nach acht Uhr, wie vereinbart, ich rufe zurück.«
»Okay.« Kevin war eingeschnappt.
»Wer war das?«, fragte ihr Mann interessiert.
Sie erwog ganz kurz, eine völlig neue Geschichte zu erfinden, aber die Gefahr, nahe an der Wahrheit zu bleiben, war zu verlockend: »Kevin, ein junger Mann aus der Gruppe. Wir wollen uns verabreden, um gemeinsam etwas zu erarbeiten.«
Erarbeiten? Sie amüsierte sich im Stillen über die Formulierung. Sie wollte mit dem schönen Jungen mehrere Orgasmen erarbeiten, mit dem Modellathleten diverse Stellungen erarbeiten, wollte aus Kevin das herausarbeiten, was er als Liebhaber zu leisten imstande war. Diese Arbeit musste, von ihr aus, nicht unbedingt heute erledigt werden, jedoch ihr jugendlicher Freund schien Eile zu verspüren. Die Vorfreude auf das Verbotene stärkte ihr Körpergefühl. Ja, ja, ja, sie würde gleich sehr verbotenen Sex haben. Die Erinnerung an die mächtigen Oberschenkel und den gewaltigen Brustkorb verursachte ein mulmiges Gefühl. Ja, ja, ja!
Wegen des Erlebnisses von gestern und der sich anbahnenden Sünde, der sie das eigene Heim zu öffnen bereit war, konnte sie ihrem Mann nicht in die Augen schauen, daher fixierte sie die Butter.
»Kenn ich den?« Ihr Mann fragte höflich nach, er schien mit der Planung des eigenen Tages beschäftigt zu sein.
»Weiß nicht«, erzählte sie der Butter beiläufig, träufelte Honig auf die Brötchenhälfte und schaute ihren Mann kurz an, während sie hineinbiss. Mit vollem Mund fuhr sie fort, der Butter zu erzählen: »Es ist der Enkel einer Bewohnerin, ich komm jetzt nicht auf den Namen. Er ist erst kurz dabei – nee, ich glaub nicht, dass du ihn kennst. Studiert Betriebswirtschaft.«
»Und der engagiert sich für Demenzkranke?«
Kevin engagierte sich ganz sicher nicht für Demenzkranke, was für ein amüsanter Gedanke. Kevin sorgte sich um sein Sexleben, um sonst nichts, und sie interessierte sich auch nicht für sein soziales Engagement, sondern die herausragenden Fähigkeiten des Athleten als Hengst. Sie wollte heute schauen, wie er sie im Swimmingpool verwöhnen konnte, eventuell auch die Sauna oder den Fitnessraum testen. Die Erwartung ausgefallenen und ausgedehnten Sexes ließ eine Hitzewelle durch ihren Körper wallen.
»Durch seine Oma ist er öfter da«, erfand sie das Märchen vom aufmerksamen Enkel Kevin. »Wenn sie uns verlässt, wird auch er uns verlassen, denke ich.«
Kurz nach acht rief sie Kevin zurück.
»Sorry.« Er klang zerknirscht. »Wir hatten nach acht vereinbart, aber ich konnte nicht warten. Ich muss dich sehen.«
Ich muss dich ficken!, berichtigte sie im Stillen und wurde rot.
***
Eine halbe Stunde später öffnete sie ihm die Tür. Sie lockte ihn in die Küche an den Frühstückstisch und nötigte ihn zu einer Tasse Kaffee, die er nicht anrührte. Auch essen wollte er nichts.
Er schaute sie an, wie sie ihm hochgeschlossen gegenübersaß. Sie wünschte sich, er würde ihr das Kleid vom Leibe reißen und sie auf dem Tisch rammeln, jedoch war er für eine solche Aktion in einem fremden Haus noch zu sehr eingeschüchtert.
Wie er auf dem Platz ihres Mannes saß, wurde seine riesenhafte Statur erst richtig deutlich. Sie zwängte sich am Tisch vorbei auf seinen Schoß und durchwühlte seine Haare. Er küsste sie schüchtern.
»Ich hab nichts drunter«, gab sie ihm die Richtung vor, die sie sich vorstellte. Darauf tobte der Tornado los. Er überprüfte ihre Behauptung umgehend, schob ihr das Kleid hinauf bis über die Brüste, warf sie mit der Schulter in die Butter und knallte sie mit der ihm eigenen Kraft und Heftigkeit auf dem Tisch. Es war wunderbar, ganz wunderbar. Diese Urgewalt, diese ungezügelte Energie, dieses Ungestüme! Sie spornte ihn mit lauten Rufen an, ließ sich anstecken von seiner Wildheit, erwiderte seine Leidenschaft, wollte es jetzt erleben, jetzt! Leider war es wieder zu schnell vorüber.
Sie nahm ihn an der Hand. »Komm!«, rief sie unternehmungslustig. Splitternackt und ausgelassen wie ein junges Mädchen zog sie ihn ins Schwimmbad.
Dort warf sie sich ins Wasser. Kevin zog sich das Shirt über den Kopf und kam mit einem Hechtsprung gleich in ihre Arme.
Sie küsste ihn leidenschaftlich, kletterte an ihm empor und umklammerte ihn mit den Beinen. Sie wollte nicht vernünftig sein, nicht erwachsen distanziert, sie wollte die unbeschwerte, unmittelbare jugendliche Hitze erleben, jetzt, hier.
Er ließ sich vornüberfallen, tauchte mit ihr unter, sie hielt an ihm fest. Wenn er sie ertränken wollte, dann sollte es so sein. Jetzt und hier zu sterben wäre nicht das Schlechteste. Sie wäre weg, ganz weg. Keine Routine mehr, kein weiterer Alterungsprozess, keine Rechtfertigungen, keine Abenteuer, dies hier ihre letzte Sünde, endgültig. Verführerisch.
Der jugendliche Freund erhob sich, nahm sie mit aus dem Wasser, zurück ins Leben. Sie aßen sich beinahe auf mit ihren leidenschaftlichen Küssen. Er nahm sie sehr heftig am Beckenrand, danach in der Sauna und dort, endlich, erlebte sie ihren Orgasmus. Die Welt verschwand im Glück, das wie ein Feuerwerk explodierte. Es raubte ihr das Bewusstsein.
Schwer atmend meldete sie sich in der Gegenwart zurück. Sie kam sich vor wie ein Vanillekipferl – mürbe, ausgebacken, süß und lecker. Atemlos lachte sie ihn an, küsste ihn, herzte ihn.
Ihr jugendlicher Held verharrte im Liegestütz und schaute ihr andächtig zu. »Wow!«, meinte er bewundernd, »das war ein Orgasmus.« Sie lächelte glücklich. Ja, das war ein Orgasmus.
***
Nachdem Kevin gegangen war, schaffte sie Ordnung, ruhte eine Stunde und machte sich dann auf in den Fitnessraum. Um mit dem Jungen mithalten zu können, brauchte sie Kondition, und sie hatte bei kritischer Betrachtung einige Stellen an ihrem Körper entdeckt, die nicht so straff waren, wie sie es sich wünschte.
Ihr Mann fand sie abends auf der Hantelbank sitzend, ausgelaugt und verschwitzt nach ihrer zweiten Trainingseinheit an diesem Tag.
»Was treibst du denn hier?«, fragte er überrascht.
»Ach, frag mich nicht«, winkte sie ab. »Wie war dein Tag?«, stellte sie ihre rituelle Frage, wenn er von der Arbeit kam.
»Ach, frag mich nicht«, bekam sie die Retourkutsche. Er grinste, betrachtete sie nachdenklich. »In einer halben Stunde Abfahrt zu Achmed? Oder zu Toni? Oder zum Kovič?«
»Kannst du Gedanken lesen?«, fragte sie ihn freudig überrascht.
»Deine schon«, meinte er trocken. Wenn du wüsstest, war ihr spontaner Gedanke. »Kovič wäre toll.«
»Gebongt.«