und im Einklang mit den Gegebenheiten. Das Gegenteil von mir.
Sie wendete den Blick auf mich, verdrehte dabei sichtlich genervt die Augen und schnaubte laut aus. »Weil es schon so einige versucht haben. Deshalb.«
»Einige?«
»Hast du mal gesehen, wie viele Türen es hier gibt? Wir sind nicht die Einzigen hier.«
Mir drehte sich der Magen um. Ich war in ein organisiertes Verbrechen geraten. Hier wurden Frauen eingefangen, um sie gefügig zu machen. Wie konnte Mila nur so locker mit der Situation umgehen? Wir mussten hier warten, bis sich jemand an uns verging! Wer weiß, was die alles mit uns machen wollten.
»Ich werde hier nicht bleiben! Ich will das alles nicht«, sagte ich. Ich wollte hier raus, ich wollte, dass Jeff kam. Ich musste mit ihm reden. Wieder drehte ich mich zur Tür, rüttelte noch einmal am Knauf. Schlug mit der flachen Hand ans Türblatt.
»Lasst mich hier raus!«, rief ich und hämmerte in meiner Verzweiflung gegen die Tür, die wie eine Wand vor mir stand. Hitze stieg in mir auf, spornte mich an, noch lauter zu schreien. Meine Fäuste schlugen gegen den blanken Stahl. Immer und immer wieder. Ich rüttelte am Türknauf, zog daran, bis sich meine Panik in ein lautes Schluchzen wandelte und ich weinend zusammensackte. Warum war ich nur so dumm gewesen und war auf Jeff reingefallen?
»Wenn du dich wieder beruhigt hast, werde ich tun, was ich tun muss und dir sagen, was Sache ist. Es bringt dir übrigens gar nichts, wenn du hier rumschreist. Reiß dich am Riemen, du tust ja gerade so, als müsstest du sterben.« Mila stand mit den Händen in die Hüften gestemmt vor mir. Dass sie aufgestanden war, hatte ich gar nicht mitbekommen. In ihren Augen war ich wohl ein jämmerliches Wrack, das den Sinn der Sache nicht verstand. Um genau zu sein, ich verstand es wirklich nicht und wie ein Wrack fühlte ich mich auch. Doch das schien ihr egal zu sein.
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, riss mich zusammen und raffte mich auf. Schließlich wollte ich erfahren, was hier mit mir passieren würde und ob sich nicht doch ein Schlupfloch fand. Zumindest hielt meine Hoffnung daran fest.
»Es gibt strikte Regeln, an die du dich zu halten hast. Regel Nummer Eins: Halte Ordnung. Unsere Zelle muss immer aufgeräumt und sauber sein. Nach dem Aufstehen machst du als Erstes dein Bett.« Sie deutete auf eines der zwei Metallbetten. »Hier schläfst du.«
»Unsere Zelle?« Die Worte hallten in meinem Kopf nach wie Echo.
»Nenn es von mir aus Schlafgemach oder was auch immer. Jedenfalls wirst du es mit mir teilen müssen«, sagte sie und zog dabei die Brauen nach oben. »Ich werde dir jetzt das Bad zeigen.«
Warum war sie so ruppig? Ich hatte ihr doch nichts getan!
Sie drehte sich um und mir fiel sofort das tätowierte Dreieck zwischen den Schulterblättern auf. Es setzte sich aus drei ineinanderliegenden Kettengliedern zusammen und war so groß wie ein Armreif. Doch was mich noch mehr entsetzte: Über ihren Rücken zogen sich gelb-violette Striemen, durchkreuzt von rot gefärbten Linien.
»Werden wir geschlagen?«
Mila sah mich an, als hätte ich ihr eine überflüssige Frage gestellt. »Man wird dich nicht mit Samthandschuhen anfassen. Wenn du nicht folgsam bist, lässt sich eine Züchtigung nicht vermeiden.« Ihr frivoles Schmunzeln hätte sie sich schenken können. Wenn das stimmte, was sie sagte, dann war Jeff wirklich noch zärtlich gewesen, als er mich an der Brustwarze zur Wand gezogen hatte. Ich war entsetzt.
»Fang jetzt nur nicht wieder an zu heulen, Schätzchen.«
Ihre kaltschnäuzige Art widerstrebte mir. Was war sie nur für ein herzloser Mensch.
»Ich bin nicht dein Schätzchen, okay?« Sie sollte wissen, dass sie nichts Besseres war als ich.
Mila drehte sich zu mir, schnaubte kurz und zuckte dabei mit dem rechten Mundwinkel. Machte sie sich etwa lustig über mich? Das konnte ja heiter werden.
Ich atmete tief durch und folgte ihr durch die Schiebetür, die ins Bad führte. Es war groß genug, um sich zu zweit nicht in die Quere zu kommen und wie alle anderen Räume war es angenehm warm. Der Boden und die Wände waren mit braun-beigen Mosaiksteinen gefliest und ein bodentiefes Fenster warf auch hier die Sicht auf wogende Baumwipfel und den grau melierten Himmel. Daneben hing jeweils ein Waschtisch mit beleuchtetem Spiegel. Ich drehte mich wieder zu Mila und sah an ihrer Schamlippe einen Piercing-Ring aufblitzen. Es war der gleiche, den ich hatte.
»Es ist wichtig, dass du immer sauber bist. Ich dusche zweimal am Tag, manchmal auch öfter. Achte darauf, dass alles glatt ist. Hier findest du Rasierzeug und alles, was du sonst noch brauchst.« Sie deutete auf eine Ablage hinter der gläsernen Duschwand. Neben einem Rasierer standen dort transparente Flaschen mit milchigem Inhalt und zwei runde Schwämme hingen an einer Halterung. Mein Blick fiel auf mehrere Ringe und Haken, die in Boden, Decke und Wänden eingelassen waren. Ich sah auf die Ringe meiner Manschetten und fragte mich, ob man mich zwingen würde zu duschen, wenn ich mich widersetzen sollte. Die Vorstellung, man könnte mich dort anketten und meinen wehrlosen Körper von oben bis unten einseifen, fand ich bizarr, aber auch irgendwie erregend. Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken loszuwerden, denn ich wollte keinen Gefallen an dem finden, was mir zugestoßen war.
»Manche möchten, dass du deine Haare während einer Session zusammenbindest, du solltest deshalb immer ein Haargummi bei dir haben.« Sie reichte mir ein schwarzes Gummi, das sie aus einer Kommode gefischt hatte. »Am besten trägst du es am Handgelenk, über der Manschette, dort stört es nicht.«
Bei allem, was Mila mir erklärte, klang sie sehr routiniert, als hätte sie es schon ein paar Mal gemacht. Ihre abgebrühte und distanzierte Art gefiel mir nicht, doch am Schlimmsten fand ich die Kälte in ihrem Tonfall. Dass mich diese Situation unvorbereitet getroffen hatte, schien ihr schlichtweg egal zu sein.
»Wem müssen wir dienen? Und ... wie?«, fragte ich. Auch wenn ich nicht vorhatte, irgendjemandem irgendwann zu dienen.
»Das kommt darauf an, wer dich bucht. Jeder Gast hat seine Vorlieben.«
»Jeder Gast? Sind wir in einem SM-Bordell?«
Mila schüttelte entrüstet den Kopf. »Ein Bordell? Ha! Dieser Ort ist eine der besten Schulen. Du lernst hier, wie sich eine Sklavin zu verhalten hat. Du wirst Grenzen überschreiten, von denen du gar nicht wusstest, dass es sie gibt. Es ist eine Ehre, hier sein zu dürfen.«
»Ich bin nicht freiwillig hier!«, protestierte ich. Meine Grenze war schon lange überschritten und geehrt fühlte ich mich bei Weitem nicht.
»Ich weiß!« Ihr Blick traf mich wie ein spitzer Pfeil, bevor sie ihn abwendete und sich zur Tür drehte. »Nachdem du dich so aufgeführt hast, war mir klar, dass du einer dieser Neulinge bist.«
Der Hohn triefte aus ihrer Stimme.
Mit aufgewühlten Gefühlen stapfte ich ihr hinterher. Sie wirkte auf mich so unnahbar, gehässig und anteilslos. Ich überlegte, wie ich ihr zumindest ein Stück Verständnis abringen konnte. Nicht weil ich sie mochte, sondern weil es noch so viele Fragen gab, die ich an sie hatte stellen wollen und bislang musste ich jede meiner Fragen sorgsam abwägen, was auf Dauer mühsam werden würde.
»Was, wenn ich schwanger werde?«
»Das wirst du nicht. Wozu denkst du, war die Spritze?«
Spritze? Ich erinnerte mich an die Kompresse auf meiner Ellenbeuge.
»Man hat mir doch nur Blut abgenommen.«
»Das auch. Schließlich sollst du kein Risiko für die Gäste darstellen. Wer weiß, was du alles hier einschleppst.«
Mit abfälliger Miene ließ sie ihren Blick über meinen Körper schweifen. Wofür hielt sie mich?
»Und das Piercing? Ist das so eine Art Gütesiegel? Dass wir sauber sind?« Eigentlich wollte ich damit nur klarstellen, dass ich keine Parasiten eingeschleppt hatte.
Sie lachte kurz auf. Es war kein erheitertes Lachen, es klang spöttisch und anmaßend. »Womöglich bringt man dich eines Tages dazu, dass du stolz darauf bist,