ist auch tot.«
»Da aber die Arbeit offensichtlich nicht von zwei Toten herstammt, so wäre es doch wohl ratsam, an einen Dritten zu denken«, sagte Seine Lordschaft rnit verzeihlicher Erregung. Elk schüttelte langsam den Kopf.
»Es muß wohl ein Dritter sein und der Klügste der ganzen Bande«, ließ er seine Gedanken laut werden. »Ich kenne die ganze Kompanie. Wal Cormon, Georg, die Ratte, Billy Harp, Ike Velleco, Pheeny Moore, und ich möchte einen Eid leisten, daß es keiner von ihnen war. Das ist Meisterarbeit, Exzellenz. Die Arbeit eines großen Künstlers, wie wir ihr heutzutage nur selten begegnen.«
Lord Farmley, der so geduldig wie möglich dieser Rhapsodie zugehört hatte, schritt aus dem Arbeitszimmer und ließ die beiden Männer allein.
»Herr Hauptmann«, sagte Elk, als er die Tür hinter dem Lord geschlossen hatte, »wissen Sie vielleicht, wo der alte Bennett in der letzten Nacht war?« Elks Ton war leicht, aber Dick fühlte die Bedeutung der Frage, die dahinter lag, und im Augenblick wußte er, daß Ella ihm viel teurer geworden war, als er je geahnt hatte.
»Er war fast die ganze Nacht hindurch auswärts«, antwortete er. »Fräulein Bennett sagte mir, daß er am Freitag wegging. Und er ist heute morgen bei Tagesgrauen wieder zurückgekehrt. Warum fragen Sie danach?« Dick räusperte sich erwartungsvoll.
Elk entnahm seiner Tasche ein Papier, entfaltete es langsam und setzte seine Brille auf. »Ich habe von einem meiner Leute Notizen über Bennetts Abwesenheit von seinem Haus machen lassen«, sagte er. »Es war ein leichtes, denn die Frau, die jeden Morgen hingeht, um im Haushalt zu helfen, hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Er ist im vergangenen Jähr fünfzehnmal ausgeblieben, und jedesmal, sooft er fortblieb, ist irgendwo ein ganz großer Einbruch verübt worden.«
Dick atmete tief. »Und was ist Ihre Meinung darüber?« fragte er.
»Ich meine«, sagte Elk entschieden, »daß, wenn Bennett für sein Wegbleiben am Samstagabend keine Erklärung findet, ich ihn verhaften lassen werde. Ich habe weder Saul Morris noch den jungen Harry Lyme kennengelernt, sie lebten, bevor ich große Arbeiten zugewiesen bekam. Aber wenn nicht alles trügt, so ist Saul Morris nicht so tot, wie er es von Rechts wegen sein sollte. Ich fahre jetzt zurück, um Bruder Bennett zu besuchen, und vielleicht werden wir ein bißchen Auferstehung spielen.«
9
John Bennett arbeitete frühmorgens in seinem Garten, als Elk erschien und sofort auf den wichtigsten Punkt zu sprechen kam. »In der Wohnung Lord Farmleys ist zwischen Samstag nacht und Sonntag morgen ein Einbruch verübt worden, dem Anschein nach zwischen zwölf und drei Uhr. Der Safe war aufgesprengt und ein wichtiges Dokument gestohlen. Ich frage Sie, ob Sie Ihr Ausbleiben von Samstag auf Sonntag rechtfertigen können?«
Bennett sah dem Detektiv gerade in die Augen. »Ich kam aus der Stadt. Um zwei Uhr sprach ich mit einem Polizisten in Dorking. Um Mitternacht war ich in Kingsbridge, wo ich wieder mit einem Polizisten sprach. Der Mann in Dorking ist Amateurfotograf wie ich selbst.«
Elk überlegte. »Mein Auto ist hier, möchten Sie vielleicht mit mir kommen und mit den beiden sprechen?« schlug er vor. Und zu seiner Überraschung war Bennett sofort damit einverstanden. In Dorking entdeckten sie ihren Mann. Er wollte gerade aus dem Dienst gehen.
»Ja freilich, Herr Inspektor, ich erinnere mich genau, mit Herrn Bennett gesprochen zu haben. Wir haben über Tierfotos diskutiert.«
»Wissen Sie genau, um welche Zeit es war?«
»Absolut genau! Um zwei Uhr visitiert mich der Patrouillensergeant, und er kam gerade herauf, als wir miteinander plauderten.«
Der Patrouillensergeant, den Elk aus dem Morgenschlaf weckte, bestätigte die Aussage. Das Resultat der Nachforschung in Kingsbridge war das gleiche. Elk ließ das Auto nach Horsham zurückfahren.
»Ich entschuldige mich nicht bei Ihnen, Herr Bennett«, sagte er. »Sie kennen meine Arbeit genug, um meine Stellung zu würdigen.«
»Ich beklage mich nicht«, sagte Bennett mürrisch. »Pflicht ist Pflicht. Aber ich habe doch das Recht zu erfahren, warum Sie von allen Menschen in der Welt gerade mich verdächtigen?« Elk brachte das Auto zum Halten.
»Gehen wir auf der Straße weiter«, sagte er. »Ich kann so besser reden.«
Sie stiegen aus und gingen eine Weile, ohne zu sprechen.
»Bennett, Sie stehen aus zwei Gründen unter Verdacht. Sie sind ein geheimnisvoller Mann, denn niemand weiß, womit Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie haben kein eigenes Einkommen. Sie haben keine Beschäftigung, und in ungleichen Zwischenräumen verschwinden Sie vom Hause, und niemand weiß, wohin Sie gehen. Wären Sie ein jüngerer Mann, so würde ich Sie verdächtigen, daß Sie ein Doppelleben im gewöhnlichen Sinn führen. Aber Sie sind nicht von dieser Art. Das ist der verdächtige Umstand Nummer eins. Nummer zwei ist folgendes: Sooft Sie verschwinden, geschieht irgendwo ein großer Einbruch, und ich bin der Meinung, daß es Froscheinbrüche sind. Ich will Ihnen meine Theorie klarlegen. Die Frösche sind doch gewöhnlich letzte Klasse. Es ist nicht genug Hirn in der ganzen Bande, um eine mittelgroße Nuß auszufüllen. Aber ich garantiere Ihnen, höher oben sitzen die Gescheiten. Dazu gehören aber nicht die regulären Kerle, die von Verbrechen leben. Solche Jungen haben keine Zeit für so etwas. Sie machen den Plan und führen ihn aus, oder sie werden erwischt. Wenn sie eine Beute machen, so teilen sie sie. Und sitzen dann in Cafes mit Mädels herum, bis alles zerronnen ist und sie wieder von neuem anfangen müssen. Aber die Frösche unterhalten sicher gern ein paar gute Leute, die außerhalb der Organisation stehen und Extradienste leisten.«
»Und Sie meinen, ich wäre einer von diesen guten Leuten?«
»Genau das habe ich gemeint. Der Einbruch im Haus des Lord Farmley ist von einem Experten ausgeführt worden. – Es sieht ganz nach Saul Morris aus.«
Elks scharfe Augen durchforschten Bennetts Gesicht, aber kein Zucken verriet dessen Gedanken.
»Ich erinnere mich an Saul Morris«, sagte Bennett langsam. »Ich habe ihn nie gesehen, aber von ihm gehört. Sah er mir ähnlich?«
Elk schürzte die Lippen, und sein Kinn sank auf die Brust herab. »Wenn Sie überhaupt etwas über Saul Morris wissen«, sagte er langsam, »so wissen Sie auch, daß er niemals der Polizei in die Hände geraten ist, daß ihn niemals jemand gesehen hat, außer seiner eigenen Bande, und ihn also niemand je wiedererkennen kann.«
Es herrschte ein langes Schweigen. Auf ihrem Weg zum Auto sprach Bennett wieder.
»Ich trage Ihnen nichts nach, meine Handlungsweise ist verdächtig. Aber ich habe guten Grund dafür. Was die Einbrüche betrifft, so weiß ich nichts darüber. Das würde ich zwar auf jeden Fall sagen, ob ich es nun wüßte oder nicht. Ich bitte Sie nur, meiner Tochter nichts von dieser Angelegenheit zu sagen.«
Ella stand an der Gartentür, als das Auto herankam, und bei Elks Anblick schwand das Lächeln von ihrem Gesicht. Elk fühlte instinktiv, daß der Gedanke an ihren Bruder und die Schwierigkeiten, in die jener geraten sein mochte, den Grund ihrer Befürchtungen bildeten.
»Herr Elk ist herübergekommen, um ein paar Fragen wegen des Überfalls auf Herrn Gordon zu stellen«, sagte ihr Vater kurz. Elk dachte, daß er ein schlechter Lügner sei.
Sowie sie allein waren, fragte Ella ihn: »Ist etwas nicht in Ordnung, Herr Elk?«
»Nicht im geringsten, Fräulein. Ich bin nur hierhergekommen, um mein Gedächtnis aufzufrischen. Ist Ihr Bruder wieder in der Stadt?«
»Er ist gestern abend zurückgefahren«, sagte sie und fügte fast trotzig hinzu: »Er ist jetzt wirklich in einer sehr guten Stellung.«
»Das habe ich schon mehrfach gehört«, sagte Elk. »Ich hoffe nur, daß er nicht in demselben Geschäft arbeitet wie die andern, die mit ihm sind; Aber Sie können ganz ruhig sein, ich lasse ihn nicht aus den Augen, Fräulein Bennett«, sagte er.
Am Abend gestand der Detektiv Dick in höchster Niedergeschlagenheit seinen Irrtum. »Ich weiß nicht, wieso ich auf Bennett verfiel«, sagte er. »Mir