Thomas Tippner

Urlaubsküsse - Liebesroman


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dass sie genau so dachte.

      Dass sie gar nicht anders gekonnt hätte, auch wenn sie es wollte.

      „Ich glaube nicht“, sagte er schließlich nach einem quälend langen Augenblick.

      So hörte sie ihn diese Worte sagen, die ihr einen ganz flauen Magen bescherten.

      „Nicht?“

      „Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Das will ich nicht. Und du?“, schob er mit seiner ängstlich klingenden Stimme hinterher und blieb unversehens stehen, ignorierte es, dass die Menschen hinter ihm gegen ihn prallen könnten.

      „Ich auch nicht“, sagte sie und holte dabei tief Luft. „Ich auch nicht.“

      Er gestattete sich ein knappes Grinsen.

      Sie lächelte ebenfalls.

      Und dann, als hätte er endlich den Mut gefunden, den er brauchte, griff er nach ihrer Hand, streichelte sie zärtlich sanft mit dem Daumen und zog sie dann hin zu der steinernen Begrenzung, die die Promenade vom Strand trennte, zog sie auf diese und setzte sich hin.

      Da saßen sie dann, schweigend, hinaus auf das im Mondlicht liegende Meer schauend, jeder seinen eigenen und doch miteinander vereinten Gedanken nachhängend. In vertrauter Zweisamkeit verstrickt, die Gegenwart des anderen genießend. Mit genügend Mut ausgestattet, schließlich ganz dicht aneinander heranzurücken, die Köpfe aneinandergelegt, die Hände ineinander verschlungen – endlich Sicherheit fühlend.

      Mit der Sicherheit zu wissen: Er gehört zu mir …

      *

      Als Conny die beiden endlich entdeckt hatte, blieb er, wie vom Blitz getroffen, stehen. Die Augen auf das gerichtet, was er nicht sehen wollte, was er nicht akzeptieren konnte – der Hals plötzlich trocken, die Hände nass vor Schweiß.

      Während er sah, wie Louisa an Tom heranrückte, sie ihren Kopf gegen den seinen legte, sein bester Kumpel, der Torwart des Jahrhunderts, nach ihrer Hand griff, war es ihm, als hätte er einen Tritt direkt in die Eier bekommen.

      Er hörte sich selbst keuchen.

      Der Trubel um ihn herum verblasste.

      Da war nicht mehr das kreischende und gackernde Mädchen, das ihren Freundinnen wieder und wieder zurief: „Schaut mal, was ich mache, schaut mal, was ich tue, schaut doch endlich mal!“

      Da waren auch nicht die beiden Proleten in den Jogginghosen und den Feinrippunterhemden, die sich dreimal kurz nacheinander die Bierdosen am Kopf zerschmetterten, noch die Clique unten am Strand, einen Sangria-Eimer vor sich, jeder mit meterlangen Strohhalmen ausgestattet, laute Musik aus einem tragbaren CD-Player schallend.

      Da war niemand mehr.

      Nicht ein Mensch.

      Nur Conny, der inmitten der über die Promenade strömenden Menschenmasse stand, den Mund halb geöffnet, die Augen zu Schlitzen verengt, die Hände zu Fäusten geballt.

      Es war alles sinnlos.

      Alles.

      Alle Chancen, die er sich ausgemalt hatte, von einem Augenblick zum anderen wie weggewischt.

      Louisa hatte sich entschieden.

      … Und ihm ein weiteres Argument geboten, jeden und alles dafür verantwortlich zu machen, niemals das zu bekommen, was ihm nach eigenem Gutdünken zustand.

      Conny drehte sich herum – nicht imstande, den Mut aufzubringen, zu den beiden zu gehen und ihnen zu sagen, was er fühlte und dachte.

      Er ging einfach wieder hin zur Disco, aus der nun „Tanze Samba mit mir“ dröhnte, begleitet von einem brüllenden und lallenden Chor, der ihm wie Hohngesang entgegenhallte und eine unangenehme Enge im Hals hervorrief.

      Eine Enge, die verhinderte, dass er anfing zu weinen.

      Eine Enge, die die Wut, die in seinem Kopf mehr und mehr Gestalt annahm, davon abhielt, in seinen Magen zu wandern und dadurch ein wenig von ihrer Kraft zu verlieren.

      Seine ganze Enttäuschung, zu der er fähig war, blieb in seinem Kopf, verankerte sich dort.

      Blieb da …

      … und kreischte ihm mit viel zu schriller, ihn an seine Schwester erinnernder Stimme, die ihn dabei erwischte, wie er in ihren Magazinen blätterte, wieder und wieder zu: „Du bist es nicht wert, glücklich zu werden! Du bist ein Nichts. Ein Niemand. Ein Idiot. Niemand will, dass du glücklich bist! Niemand!“

      *

      Als die Flugnummer 7345 aufgerufen wurde, breitete sich betriebsame Hektik aus. Die neben Tom und Louisa sitzende Familie, deren Vater schon latent genervt war, versuchten ihre drei durch die Abflughalle laufenden Kinder einzusammeln. Die Mutter, eine ruhige, ausgeglichene Frau, wie Tom feststellen zu können glaubte, rief die Namen der Kinder sanft, jedoch bestimmt. Der Vater hingegen, der die ganze Zeit über auf die Koffer achtgegeben hatte, knurrte: „Wenn die Gören nicht gleich hier sind, knallt es.“

      „Wir fliegen ja noch nicht los“, versicherte seine Frau ihm und rief wieder nach den Kindern.

      Die Älteste des Trios, ein viel zu dünnes Mädchen mit bis zur Hälfte des Pos reichenden, braunen, glatt gekämmten Haaren, lief ihrem kleinsten Bruder hinterher und packte ihn am Arm.

      Der, natürlich, wehrte sich dagegen. Er fing an zu schreien und sich zu winden und ließ eine hilflose große Schwester zurück, ebenso wie einen die Wangen aufblasenden Vater und eine wie die Ruhe selbst wirkende Mutter, die sagte: „Melanie, lass deinen Bruder los! Mark, hör auf, so zu brüllen. Beruhige dich. Benny? Benny, wo bist du?“

      „Der wühlt, glaube ich, da hinten im Mülleimer“, sagte Tom trocken und deutete über die sich immer mehr verdichtende Menschenmasse vor der Flugabfertigung.

      „Benny, das ist bäh-bäh … Lass das. Das macht man nicht!“

      „Ich platze hier gleich. Kommt jetzt endlich her!“

      Louisa musste ebenso lachen wie Tom.

      Beide beobachteten das Schauspiel der ganz normalen Familie und waren davon fasziniert, wie ruhig man bleiben konnte, während das eine Kind den Mülleimer ausleerte, das andere wie am Spieß schrie, weil es glaubte, man wolle ihm den Arm ausreißen, während das älteste der drei mit den Tränen kämpfte, weil es der Meinung war, Ärger zu bekommen, weil es dem kleinsten Bruder gerade ungeheure Schmerzen verursacht hatte.

      Hinzu kam, dass die gezwungene Ruhe des Vaters derart negative Schwingungen auslöste, dass man meinte, neben einer tickenden Zeitbombe zu stehen, deren Explosion man auf keinen Fall miterleben wollte.

      Negative Schwingungen, die auch Oliver, Conny und Katrin abbekommen hatten.

      Waren sie eben noch alle fröhlich ihren eigenen Interessen nachgegangen, so war es nun, da ihre Flugnummer wieder aufgerufen wurde, als versammelten sie sich um einen ruhigen, sicheren Punkt abseits der Menschenmenge.

      Oliver, der eben noch in einem aufgeregten Gespräch mit einer rothaarigen, blassen Frau war, die etwas Puppenhaftes besaß, stand nun, die Hände in den Taschen seiner Shorts vergraben, neben Katrin und fragte: „Willst du dir das noch einmal antun?“

      „Noch mal mit dir in den Urlaub fahren?“

      „Ha, ha, ha“, machte er. „Du weißt, was ich meine.“

      „Nein, weiß ich nicht“, tat Katrin blöd und klimperte mit den Augen, die linke Hand würdevoll vom Körper abgespreizt, den Mund zu einem dümmlich wirkenden O geöffnet.

      „Bist du blöd oder so? Was soll das? Nimm mich bloß nicht auf den Arm, das kann ich nicht ab. Echt nicht.“

      „Oh, der Herr mag es nicht, wenn eine Frau tut, was sie will.“

      „Blödsinn“, verteidigte er sich, nachdem er gesehen hatte, dass die Rothaarige einen Blick zu ihm geworfen hatte, während sie ihre Unterhaltung mit der Freundin neben ihr unterbrach und versteckt auf Oliver zeigte. „Frauen dürfen