Günter Dönges

Butler Parker 118 – Kriminalroman


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Polizei als auch bei den Gangstern »sehr beliebt«. An dieser Frau ließ sich nämlich nichts mit Logik erklären. Sie reagierte stets anders, als man es erwartete.

      »Wie lange wollen Sie mich noch durch den Schnee hetzen?« fragte sie bei ihrem Butler an. »Ich bin schließlich kein junges Mädchen mehr.«

      »Darf ich Myladys Aufmerksamkeit auf den kleinen Taleinschnitt lenken?« Parker deutete vorausschreitend mit dem Kopf auf einen tiefen, schmalen Einschnitt hinüber.

      »Gut, die paar Meter werde ich noch schaffen«, antwortete die sehr energische Dame. »Aber dann muß ich noch etwas für meinen Kreislauf tun, Mister Parker.«

      Der Butler schritt jetzt ein wenig schneller und erreichte das kleine, schmale Tal. Nachdem sie den Toten im Schnee niedergelassen hatten, servierte der Butler seiner Herrin einen weiteren Kognak. Nachdem er die Flasche wieder zugeschraubt hatte, nickte er zufrieden. Von der Seeseite her trieben leichte Schneeschauer heran. Die Sicht verschlechterte sich rapide. Mehr konnte man vom Wetter im Augenblick nicht erwarten. Die Spuren, die Lady Simpson und er im weichen Schnee hinterlassen hatten, wurden zugeweht.

      »Hoffentlich haben Sie sich inzwischen brauchbare Gedanken gemacht«, sagte Agatha Simpson und deutete auf den Toten. »Warum verpackt man eine Leiche in einen Schneemann? Woran ist der Mann gestorben? Warum wollte man uns umbringen?«

      »Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit noch in der Phase des aktiven Nachdenkens.«

      »Ich werde Ihnen meine Fragen beantworten«, redete die Lady weiter. »Der Mann hier wird bewacht, und wissen Sie auch, warum, Mister Parker? Kommen Sie nicht drauf? Das sieht Ihnen wieder mal ähnlich. Sie haben eben keine Phantasie.«

      »Wie Mylady zu belieben meinen.« Parker deutete eine höfliche und korrekte Verbeugung an.

      »Der Tote muß erst vor wenigen Stunden in den Schneemann verpackt worden sein«, mutmaßte die Lady ins Blaue hinein. »Sehen Sie mich gefälligst nicht so ungläubig an. Ich habe gute Gründe für diese Annahme.«

      »Mit Sicherheit, Mylady.«

      »Der Mörder mußte den Toten erst mal von der Bildfläche verschwinden lassen. Er fand noch nicht die Zeit, nach gewissen Dingen zu suchen, die der Tote bei sich haben muß. Das wollte er wahrscheinlich in der Dunkelheit nachholen. Und jetzt haben wir ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.«

      Josuah Parker mußte innerlich zugeben, daß Lady Simpsons Vermutungen nicht von der Hand zu weisen waren. Sie hatten etwas für sich.

      »Und Sie waren natürlich gegen das Rodelvergnügen«, stichelte sie weiter. »Ohne mich, Mister Parker, wäre dieser Mord nie entdeckt worden. Wollen Sie das etwa abstreiten?«

      »Keineswegs, Mylady, das würde ich mir niemals erlauben.«

      »Haben Sie etwa eine andere und bessere Theorie? Ich sage Ihnen gleich, daß Sie die gar nicht haben können!«

      »Ich möchte mir die Freiheit nehmen, mich Myladys Standpunkt anzuschließen.«

      »Also, worauf warten wir noch?«

      »Mylady meinen etwas Bestimmtes?«

      »Wir werden den Toten durchsuchen, Mister Parker. Wir werden das finden, wonach der Mörder gegen Abend suchen wollte. Und wir werden es finden.«

      »Mylady haben möglicherweise den Schützen im Wald vergessen.«

      »Und? Haben Sie etwa Angst?«

      »Ich erlaube mir, Mylady, gewisse Befürchtungen zu hegen. Dieser Schütze könnte zurückkommen.«

      »Dann tun Sie gefälligst etwas dagegen. Sagen Sie, was könnte der arme Bursche hier bei sich haben? Groß kann der Gegenstand nicht sein, hinter dem der Mörder her ist.«

      »Es müßte sich sogar um einen sehr kleinen Gegenstand handeln, Mylady, sonst wäre er bereits gefunden worden.«

      »Natürlich! Das ist es!« Agatha Simpsons Phantasie arbeitete auf Hochtouren. »Dieser Mann schleppt ein Stückchen Mikrofilm mit sich herum.«

      »Mylady sind sich da vollkommen sicher?« wunderte sich Parker.

      »Ich habe so etwas mal in einem tollen Kriminalfilm gesehen«, redete die Detektivin eifrig weiter. »Ein Stückchen Mikrofilm läßt sich erstklassig verstecken. Wir haben es mit Agenten zu tun, Mister Parker, mit Spionage. Ich fühle es in den Fingerspitzen. Wir werden jeden Millimeter der Kleidung durchsuchen müssen!«

      »Jetzt und hier, Mylady?«

      »Papperlapapp, Mister Parker. In der kommenden Nacht. Dann werden wir den Toten nämlich holen und hinauf ins Haus schaffen. Und bis dahin stecken wir ihn einfach in einen neuen Schneemann. Was der Mörder kann, können wir schon lange.«

      *

      Die beiden Mordschützen Pete und Hale befanden sich in dem kleinen Ferienhaus und hingen erschöpft in ihren Sesseln. Sie wohnten hier allein und brauchten keine neugierigen Menschen zu fürchten.

      Sie hatten völlig verweinte und stark gerötete Augen. Hin und wieder husteten sie und röchelten anschließend noch eine Weile herum. Nach der Panne unten im Bergwald hatten sie sich unter dieses schützende Dach zurückgeflüchtet, um erst mal Kriegsrat zu halten.

      »Das verdammte Mistzeugs muß von dem komischen Duo gestammt haben«, stellte der rundliche und untersetzte Pete fest. »Hast du denn gar nichts mitbekommen?«

      »Die beiden komischen Typen waren eigentlich schon tot«, beschwerte sich der schlanke, sportliche Hale und schüttelte den Kopf. Er wischte sich eine dicke, nachrollende Träne von der Wange. »Ich hatte sie genau im Visier, als sie hinter den Schneemännern verschwanden. Und dann konnte ich plötzlich nichts mehr sehen.«

      »Wir werden Ärger mit dem ›Falken‹ bekommen.« Pete schnaufte erregt. »Wie wollen wir ihm diese Pleite erklären?«

      »Erklären? Wir sagen, was wirklich passiert ist.« Hale nickte nachdrücklich.

      »Die beiden Typen unten am See haben die Leiche gefunden. Sie werden sofort die Polizei alarmieren.« Pete versuchte, klare Gedanken zu fassen. »Die Bullen werden auf der Bildfläche erscheinen und Larry abtransportieren.«

      »Und genau da liegt unsere Chance«, fiel Hale ihm ins Wort. »Die Polizei wird Larry entweder nach Newtonmore schaffen oder nach Inverness. Und irgendwo da wird sie im Leichenschauhaus landen. Muß doch ’n Klacks sein, da reinzukommen, oder?«

      »Das ist die Lösung, Hale«, pflichtete Pete seinem Partner fast erleichtert bei. »Noch ist nichts verloren.«

      »Eben. Und jetzt habe ich noch ’nen Vorschlag, Pete. Muß der ›Falke‹ überhaupt wissen, was sich hier getan hat? Müssen wir ihn dauernd anrufen? Warten wir doch, bis wir’s hinter uns haben. Der ›Falke‹ ist doch nur an ’nem Resultat interessiert.«

      »Er rechnet tatsächlich damit, daß wir erst am Abend nach Larry sehen.« Pete nickte und dachte angestrengt nach. Der Vorschlag seines jüngeren Partners gefiel ihm sehr.

      »Dann ist doch alles klar, Pete.« Hale wischte sich weitere Tränen von den Backen und hüstelte. »Erkannt haben uns die Typen unten bei den Schneemännern bestimmt nicht. Wir haben also gar nichts zu befürchten.«

      »Einverstanden, wir werden’s so machen«, sagte Pete vom Husten gequält. »Aber jetzt geh’ ich raus auf den Balkon und schau’ mir das Ufer an. Inzwischen müßten die Bullen schon aufgetaucht sein.«

      »Bei dem Wetter wirst du kaum was sehen, Pete.« Hale zeigte durch das Fenster nach draußen. Die Schneeschauer waren noch stärker und dichter geworden. Der Rodelhang versank in weißen Flocken.

      »Dann muß ich eben näher ran«, entschied der rundliche Pete. »Ich muß rausbekommen, was da unten am See läuft. Komm, wir machen auf Winterurlauber und sehen uns die Gegend an. Aber laß gefälligst die Kanone zu Hause.«

      Die beiden Mordschützen warfen sich wadenlange Mäntel über, setzten sich Pelzkappen auf und gingen hinaus in