Sharon York

Die HexenLust Trilogie | Band 2 | Erotischer Roman


Скачать книгу

sie an die Decke – und wieder stand sie auf. Ohne auch nur einen Kratzer an ihrem bleichen Körper zu haben, hechtete sie zum Nachttisch. Ich erkannte den Lauf der Pistole zu spät, um noch ein Schutzschild zu formen. Es kostete mich beinahe alle Kraft, um die Patronen abzuwehren. Die Querschläger pfiffen durch den Raum. Sie verschoss ihr ganzes Magazin und als ich das erlösende Klicken hörte, versagten meine Beine ihren Dienst. So würde ich diesen Kampf verlieren und sie hatte die Möglichkeit, sich heute Nacht noch zwei neue Seelen einverleiben zu können. Ihr Blick brannte auf mir, als sie mit langen Schritten auf mich zustampfte. In letzter Sekunde bekam ich einen Bilderrahmen in die Hand und schlug ihn gegen ihren Kopf. Sie taumelte und verdrehte die Augen. Ich konzentrierte mich noch einmal, legte all die mir verbliebene Energie in den Kraftzauber und zog diesem Geist alle Macht aus dem Körper. Sie schrie, wand sich, klappte schließlich zusammen, als der Zauber meine Finger verließ und sich weißlich über ihren Körper legte. Noch einige Sekunden hielt ich die Magie aufrecht, ging ein paar Schritte auf sie zu.

      Auf einmal wurde ihr Blick fest.

      »Es wird kommen«, zischte sie mit hoher Stimme. »Es ­rumort bereits, es brodelt.«

      Ich konnte nicht glauben, dass jetzt noch Worte ihren Mund verließen. Angestrengt verstärkte ich den Zauber und die weißen Strahlen aus meinen Fingern wurden breiter.

      Doch sie lachte nur. »Eine neue Macht wird sich erheben. Die Welle baut sich bald schon auf, türmt sich langsam zu einer Woge, die alles Gekannte wegspülen wird!« Ein schmerzdurchzogenes Lachen folgte. Wieder verstärkte ich den Zauber, stand nun über ihr, meine Zähne mahlten aufeinander.

      »Die Umwälzung wird kommen. Bald ist es soweit. Bald!«

      Endlich waren die Schreie verstummt und dort, wo eben noch die Vilja gelegen hatte, war ein dunkler Fleck auf dem Teppich. Der Nachtgeist war verschwunden. Ihre Seele hatte endlich Ruhe. Tief atmend sackte ich auf das Bett und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Die Einrichtung lag wild zerstört im Raum, Einschusslöcher waren überall, die vormals schöne Wohnung, ein stummer Zeuge des Kampfes um die Freiheit der Menschen.

      Ich hatte noch nie eine so starke Vilja gesehen – und vor allem gespürt. Mit einer Hand löste ich den Mundknebel des unversehrten Mannes, nahm mit der anderen einen Handspiegel vom Boden und betrachtete mein blaues Auge. Es passte gar nicht zu meinen blassen Teint.

      »Vielen Dank, Hexe.«

      Mein Blick schoss zum Bett. Die Augen des Mannes waren ruhig, er zitterte nicht, musterte mich kühl. Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen.

      »Du bist ein Reaper.«

      Voller Scham senkte er den Kopf.

      Jetzt wurde mir alles klar. »Die Vase eben, das warst du. Es war dein letzter, verzweifelter Versuch, dich zu wehren.«

      Obwohl das Duell mich viel Kraft gekostet hatte, drehte ich mein Handgelenk und seine Fesseln lösten sich magisch. Augenblicklich zog er sich Hose und Hemd an und wählte mit seinem Handy die Notrufnummer des Zirkels. In wenigen Minuten würde es hier vor Hexen und Reapern nur so wimmeln. Hätten sie gewusst, dass es sich um eine starke Vilja mit außerordentlichen Kräften gehandelt hatte, hätten sie mich nie allein losgeschickt. Doch was ich nicht verstand, war, warum ein Soldat des Zirkels auf so etwas hereinfallen konnte. Und warum trug er seine Ritterlilie nicht. Sie hätte ihn vor solch magischer Intervention geschützt.

      Die Reaper waren groß gewachsene Kerle mit mürrischen Blicken. Wenn man ein Problem hatte, das mit Waffengewalt gelöst werden musste, dann sollte man sie anfordern. Wenn es allerdings um Barrieren, Schutzzauber oder magische Wesen ging, denen konventionelle Waffen nichts anhaben konnten, kamen sie genervt aus den Untergeschossen in die oberen Büros geschlichen und forderten jemanden wie uns an.

      Ich legte mich aufs Bett und atmete mehrmals tief durch.

      »Wo ist deine Lilie?«

      Als ob er meinen Gedankengang bestätigten wollte, fasste er sich an die Brust. Die Reaper trugen Amulette in Form einer Ritterlilie, die alle magischen Einflüsse verhindern sollten. Eigentlich.

      »Sie muss sie mir abgenommen haben«, stammelte er peinlich berührt und ließ seinen Kopf wieder aufs Bett zurücksinken.

      »Du hättest merken müssen, dass sie eine Vilja ist.« Langsam kam die Kraft in meine Stimme zurück. »Selbst wenn ihr nur wenig magische Begabung habt, müsst ihr so was erkennen.«

      Er schwieg, eine größere Schmach gab es für die stolzen Soldaten des Zirkels nicht, als von einer Hexe gerettet zu werden. Das Donnerwetter von seinem Chef Myrs würde wahrscheinlich Tage dauern. Wir waren ihnen in Magie überlegen, zumindest sollten wir es sein. Haushoch. Ein Grund, warum wir keine Lilien trugen. Ganz davon abgesehen, dass der magische Schutz der Amulette nicht bei Hexen funktionierte.

      Wortlos warteten wir auf die Einheiten des Zirkels. In bester Militärmanier stürmten nach wenigen Minuten die Reaper das Haus. Als Myrs den Raum betrat, sich das Protokoll durchlas und die Vene an seiner rechten Schläfe gefährlich zu pochen begann, verließ ich das Gebäude.

      ***

      Dumpf hämmerte der Schmerz in meinem Kopf, als ich im Fahrstuhl stand. Ich schloss die Augen. Die Worte der Vilja ließen mich nicht mehr los. Eine Umwälzung? Zugegeben, es war nicht die erste Drohung, die ein Geist, Dämon oder Halbwesen vor seinem Dahinscheiden ausstieß. Allerdings hinterließ diese einen faden Beigeschmack in meinem Verstand, als würde sich der Gedanke in mir festbeißen.

      »Entschuldigen Sie«, sprach mich der Portier mit unsicherem Blick an, als ich aus dem Fahrstuhl gestiegen war und an ihm vorbeiging. »Wann wird dieser ... Einsatz beendet sein? Es verstört die anderen Gäste.«

      »Es wird nicht mehr lange dauern«, versicherte ich. Eigentlich hätte ich in seinen Geist eindringen und seine Gedanken lesen können. Zumindest, wenn er ein Mensch gewesen wäre. Doch dafür war ich jetzt zu schwach und außerdem gab es Spezialisten für derlei Aufgaben. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass hier etwas nicht stimmte. Ich entfernte mich einige Schritte, holte mein Handy raus und berichtete von meinen Beobachtungen. Wenn die Reaper schon mal da waren, konnten sie den Typen auch direkt mal überprüfen. Dann stieg ich in meinen Benz und fuhr langsam an dem Gebäude vorbei.

      Vielleicht war es eine Vorahnung, doch ich war nicht allzu überrascht, zuckte nicht zusammen, als sich Schüsse in der Nacht brachen und eine Staubwolke für einige Sekunden mein Fahrzeug umwehte. Dachte ich es mir doch – Vampire! Gut, dass ich mich auf meinen Instinkt verlassen konnte. Nachdenklich auf meiner Unterlippe kauend, lenkte ich das Fahrzeug in Richtung Downtown, in den Financial District, wo das Hochhaus des Zirkels in die Wolken ragte. Getarnt als eine Investmentbank, taten die Schutz- und Gleichgültigkeitszauber ihr Übriges, damit keine dummen Fragen gestellt wurden. Von den meisten Menschen wurde das Gebäude einfach nicht wahrgenommen. Und diejenigen, die genau wussten, wer hier eigentlich residierte, machten einen großen Bogen um den Komplex. Zu ihrer eigenen Sicherheit natürlich.

      Ich atmete tief. Unbehagen kroch in mir hoch und nistete sich in meinem Verstand ein. Ich hatte das Gefühl, dass mein eigentlich freier Tag noch nicht beendet sein würde. Noch lange nicht.

       Blick in die Vergangenheit

      Das Hauptquartier des Zirkels Ost protzte mit seiner glänzenden Pracht, als hätte es schon immer hier gestanden und würde noch Jahrhunderte hier verweilen.

      Ich steuerte meinen Wagen in die Tiefgarage und nahm den Aufzug direkt ins oberste Geschoss, in der Hoffnung, dass sie noch arbeiten würde ... Flirrend legte sich das Licht in den Flur und meine Schritte wurden weit voraus getragen. Meine Vermutung bestätigte sich. In ihrem sterilen, gläsernen Palast starrte sie auf die Einsatzmonitore. Der Plan zeigte eine digitalisierte Form der Ostküste. Normalerweise strotzte das Gebiet vor leuchtenden roten Punkten, dazwischen immer mal wieder blaue für die Einheiten der Hexen und Reaper. Doch nur ein Dutzend Lichter konnte ich ausmachen. Viel zu wenig.

      »Guten Abend, Madame de la Crox.«

      Die offizielle Anrede riss sie aus ihrer Lethargie. Einladend lächelte sie mich an, als wäre sie dankbar,