Jasmin, Dienerin der Walpurga.«
Ich traute meinen Augen nicht. Die Walpurga? Die einzige bekannte Hexe sechsten Grades, die vor 1.500 Jahren den Grundstein für den Zirkel legte? Ein Kloß verfestigte sich in meinem Hals. Ich musste mich schütteln, versuchte Märchen von Realität zu trennen. Zuviel war verwoben in der Welt der Magie.
Noch heute feierten wir Hexen die Walpurgisnacht am ersten Mai. Natürlich nicht mehr auf irgendwelchen Bergen mit Feuer, sondern in schicken Bars mit Cocktails. Trotzdem thronte die Statue der Walpurga in jeder Eingangshalle eines jeden Zirkels weltweit.Dies war also die Übersetzung des Tagebuchs ihrer Dienerin. Es umfasste nur einen Tag, der Rest musste zerstört worden sein. Nur diese wenigen, vergilbten Seiten waren übrig. Die Last dieser Schrift schien nun Tonnen zu wiegen. Meine Beine gaben unter dem Gewicht nach und ich setzte mich mitten in den Gang, den Rücken an den Aktenordner gelehnt. Dann begann ich zu lesen ...
30. April 770
Die Nacht ist hereingebrochen.
Angst macht sich breit. Die Bewohner des Dorfes haben bereits früh die Fensterläden geschlossen und kauern zusammen vor winzigen Feuern. Nebelschwaden schließen das Dorf in einer weißen Umarmung ein, als würden sie das drohende Unheil ankündigen wollen.
In vielen Nächten ist der Nebel nun gekommen. Immer nahm er eine arme Seele mit. Meist junge Mädchen, denen außergewöhnliche Kräfte nachgesagt werden. Ihre Schreie sind erst hell, werden dann vom Wald in die Gemeinde getragen und verlieren sich schließlich.
Doch nicht nur Nebel wütet Nacht für Nacht im Land, auch Krankheiten raffen die Seelen nieder. Es scheint, als würde die Hölle sich langsam ausbreiten, als würde die Unterwelt bald auch hier auf Erden regieren. Die Menschen dahingerafft, die Hölle auf Erden – eine Umwälzung. Der kalte Hauch ist überall zu spüren.
Auch hier bei der Abtei ist das Licht gedämmt. Walpurga sitzt am Feuer und starrt hinaus in die Finsternis. Ihren Stab hat sie fest umklammert, ihr Blick ist ungebrochen, als ob sie dem Nebel trotzen möchte.
»Hab keine Angst, mein Kind«, sagt sie zu mir, streicht eine Strähne aus meinem Gesicht und richtet den Blick erneut gegen die weiße Wand. »Es endet. Heute Nacht.«
So steht sie vor dem Fenster der Abtei. Wartend, lauernd. Als ob sie das Schicksal herausfordern möchte. Die Stunden vergehen, als in der Mitte der Nacht die Hunde zu bellen beginnen. Erst vereinzelt, dann jaulen sie schließlich alle auf. Ohrenbetäubend ist ihr helles Lied, bis einer nach dem anderen in dieser Wand aus Nebel erst ängstlich schreit und schließlich verstummt.
Mein Atem scheint zu gefrieren, meine Hände sind eiskalt. Doch Walpurga mahnt mich erneut zur Ruhe.
Ein Schrei entfährt mir, als es an der Tür zur Abtei klopft. Walpurgas Blick geht in den Innenhof. Sie dreht ihr Handgelenk und das Tor öffnet sich quietschend. »Tritt ein, Sohn des Teufels.«
Der Nebel wabert nun auch vor den Toren der Abtei. Heraus sticht eine Gestalt, sein Gesicht ist vom langen Umhang bedeckt. Mein Herz scheint auszusetzen, als er mit großen Schritten auf unseren Turm zugeht. Er ist da.
Tränen verlassen meine Augen und laufen warm über meine Wangen. Ich höre seine Schritte auf der Treppe lauter werden, bis er an unserer Tür steht. Für einen kurzen Moment ist es still, dann bricht die Tür und vom weißen Nebel umhüllt schreitet ein Mann in den Raum. Er stoppt erst wenige Fuß vor mir, als Walpurgas Stimme ertönt.
»Vielen meiner Schwestern hast du das Leben entrissen. Unheil und Tod über das Land gebracht.« Ihre Stimme ist ruhig, erst langsam wendet sie sich ihm zu. »Die Zeit der Dunkelheit ist nun vorbei. Keiner Hexe wirst du mehr habhaft werden. Bartolomé, der Dieb.«
Ein Lachen durchzieht den Raum. Dunkel, furchteinflößend, wissend. In einer Bewegung legt der Mann seinen Umhang ab. Ich bereite mich darauf vor, dass nun meine letzte Stunde anbricht. Doch was ich sehe, lässt mein Blut gefrieren.
Ich starre nicht in die flammende Fratze des Teufels, sondern in ein fein geschnittenes Gesicht. Von der Sonne gegerbt, seine Züge sind exotisch. Er hat nicht die Farbe eines Einheimischen. Seine Haut ist dunkler, fast bronzefarben. Das kurze, pechschwarze Haar steht in alle Richtungen ab und geben seiner gut gebauten Statur etwas Verwegenes. Nur seine Augen sind weich wie Seide. Ein Mann, wie ich ihn mir in meinen Träumen ausgemalt habe. Doch ihn umgibt die Aura des Todes. Er zieht die dunklen Augenbrauen zusammen und stemmt die Hände in die Hüften. »Keiner Hexe mehr etwas antun? Das wäre aber schade.« Seine Stimme ist durchzogen von Spott. Sein Blick haftet an mir, an meinem Körper, meinen Rundungen. »Sie sind so süß, wie verbotene Früchte. Ihre Haut so samten, die Augen so tief und voller Angst. Nur eine Berührungen, ein Streicheln, ein Kuss und ihre Furcht wandelt sich in Lust. Ihre Seelen zu entwenden, ist meine Essenz, mein Lebenselixier.«
Ich spüre, dass er tief auf meine Seele blickt. Mein Atem beschleunigt sich.
»Jetzt weißt du auch, warum man mich den Dieb nennt. Es wird dir gefallen«, haucht er verführerisch in meine Richtung.
Der Nebel, den er mit sich trägt, dringt mir in die Nase und erweckt etwas in mir, dass ich nicht imstande bin zu erklären. Beim nächsten Herzschlag scheinen meine Sinne wie betäubt. Dann geht ein Ruck durch meinen Körper, zieht sich in meiner empfindlichsten Stelle zusammen und lässt mich schwer atmen. Als würde der weiße Nebel mich betäuben, öffne ich meine Beine, löse die ersten Schnüre meines Kleides. Mein Busen hebt sich mit jedem Atemzug, mein Fleisch scheint jeden Herzschlag williger zu werden.
Lächelnd zieht der Blick des Teufelssohnes zu Walpurga.
»Krankheit und Tod regieren die Welt. Bald schon ist es soweit. Die Umwälzung ist nicht mehr aufzuhalten. Du wirst mir nicht im Wege stehen, Hexe. Du nicht!«
Als er diese Worte spricht, löst sich ein Feuerball aus ihrer Hand. So mächtig und voller Kraft, wie ich ihn bei ihr noch nie gesehen hatte. Doch sein Körper scheint ihn zu schlucken. Nicht die Spur einer Verletzung weist er auf. Sein Mundwinkel zieht sich nach oben, dann poltert er auf sie zu. Der Griff Bartolomés schnellt an ihre Kehle, doch sie kann ihn mit einer Druckwelle zurückstoßen. Ihr Erfolg währt nur von kurzer Dauer. Wieder prescht er heran, schneller als alles, was ich bisher gesehen habe. Diesmal schafft er es, ihre Kehle zu ergreifen. Mit gefletschten Zähnen hebt er sie in die Höhe. Sofort scheint es überall zu brennen. Die Möbel, der Raum, ja selbst die Luft fackelt im hellen Schein. Ich höre mich, wie ich ihren Namen schreie. Walpurgas Finger versuchen nicht, seinen Griff zu lösen, als wolle sie von ihm gewürgt werden. Ihre Hand wandert unter die Robe. Zwischen Nebel und Rauch erkenne ich einen Dolch blitzen, dann rammt sie ihn in seine Brust. Er taumelt kurz, lacht erneut. Seine Hände fassen den Griff. Ein tiefer Schrei durchdringt die Stille der Nacht, als er ihn aus seiner Brust herauszieht. Feurig brennt die Wunde, dann verschließt sie sich wieder.
»Denkst du wirklich, dass du mich so besiegen kannst?« Er fasst ihren Leib, wirft sie gegen die Wand. Walpurga bleibt regungslos liegen. Dann wendet er sich mir zu. Das Feuer erlischt und der Nebel dringt mir erneut in die Nase.
Er scheint meine Sinne zu betäuben, mir alles zu nehmen und nur noch Lust und Begierde zu lassen. Sofort ist er da, sieht mich aus großen, dunklen Augen an, streicht eine blonde Strähne aus meinem Gesicht. Mit jeder Bewegung, die er vollführt, dringt mir mehr Nebel in die Nase. Ich verdrehe die Augen, kann nicht mehr klar denken.
»Hab keine Angst«, flüstert er mir ins Ohr. Seine Haut lodert auf meiner. »Genieße es.«
Besonnen und voller Leidenschaft küsst er mich und mein Verstand löst sich auf. Ich streife meinen Rock herab und stehe nun völlig nackt vor ihm. Er fasst meinen Nacken, küsst mich tief. So innig und voller Verlangen, dass allein seine Zunge ausreicht, um mich auf den Höhepunkt zu treiben. Auch er ist nun nackt. Sein Anblick lässt mich glühen. Groß und stattlich ragt er aus dem Nebel heraus. Ich berühre seine muskulöse Brust und wehre mich nicht mehr, als er mich auf einen Tisch bettet. Sein Glied ruht an meinen Schenkeln und ich wünsche mir in diesem Moment nichts mehr, als dass er in mich eindringt. Noch ein weiterer Hauch des Nebels lässt mich aufschreien. Es ist zu viel. Ich will ihn, ich muss ihn haben! Meine Hände wollen ihn zu mir herabziehen, doch er kniet sich vor mich