dass ich dir nichts sage. Er möchte dich gleich persönlich informieren.«
Die Frau redete ein wenig zu schnell, sie sprach mit dem gesamten Körper und schien generell sehr aufgedreht zu sein. Laura überlegte, ob sie die attraktive junge Dame einfach niederschlagen und einen Fluchtversuch starten sollte. Dann wurde ihr schmerzlich bewusst, dass die letzte Prügelei, in die sie verwickelt gewesen war, in der ersten Klasse der High-School mit irgendeiner Cheerleader-Tussi gewesen war. Und die hatte sie auch noch verloren. Sie verfluchte sich dafür, dass sie den Selbstverteidigungskurs immer auf die lange Bank geschoben hatte. Hier war nun Diplomatie gefragt.
»Und wenn Sie sagen, dass er mich informieren will, dann meinen Sie – foltern?«
Riesengroße, dunkle Augen starrten Laura an. »Oh Gott, nein«, schoss es aus der Frau hervor. »Nun ja, zumindest nicht so, wie du denkst. Adam ist mehr der Denker, musst du wissen. Ich bin übrigens seine rechte Hand, Charly.«
»Die Kurzform für Charlotte, nehme ich an?«
»Ja, aber so nennt mich keiner mehr. Also keine Angst, er will dich nur zum Abendessen einladen.«
Wie alt war dieses Mädchen? Vierundzwanzig oder noch jünger? Langsam brachen bei Laura alle Emotionen durch ... und sie machte etwas sehr Unkluges: »Bin ich hier in einem verdammten Irrenhaus gelandet? Sagen Sie einfach, wie viel Geld Sie wollen. Die Polizei sucht nach mir und wenn sie mich findet, dann können Sie den Rest ihres Lebens im Knast verbringen.« Laura ging einen Schritt auf die junge Frau zu. »Seien Sie nicht dumm. Ich merke doch, dass diese Typen Sie irgendwie unter Kontrolle haben.« Laura tat noch einen Schritt, dann legte sie ihre Hand auf Charlys Schulter. Lauras Stimme überschlug sich beinahe: »Helfen Sie mir hier raus und wir gehen gemeinsam zur Polizei. Wir können es beenden!«
Laura sah, wie die junge Frau nachdachte. Sekunden später hatte sie das Gefühl, als würde Charly ihren Vorschlag wirklich abwägen, doch sie schmiegte sich lediglich an sie. Selbst durch den Blazer konnte Laura ihren erhitzten Körper spüren. Charly hob die Hand, ihre Fingernägel strichen mit der Außenseite zärtlich über Lauras Wangen. Mit der anderen streichelte sie vorsichtig über ihre Seite. Das Bein berührte wie zufällig das von Laura, während sie ihr ein umwerfendes Lächeln schenkte. Laura konnte ein süßliches Parfüm ausmachen. Obwohl sie es nicht wollte, bemerkte sie, wie ihr Herz schneller zu pochen begann. Charlys Finger strichen langsam über ihren Hals, fanden sich in Lauras Dekolleté wieder. Ihr Blick war unschuldig, als sie mit einem Knopf an Lauras Bluse spielte. Zwischen all der Angst und der Wut entwickelte sich etwas, dass Laura nicht für möglich hielt. Es war ein Hauch von Erregung, der sich ausbreitete.
Sie hatte im College ein wenig mit anderen Mädchen Spaß gehabt und ja, es hatte ihr auch gefallen ...
Wenige Zentimeter vor ihren Lippen stoppte Charly, drehte sich zur Seite und berührte mit ihrer Wange Lauras Ohr. Ihre Stimme war ein Band aus Leidenschaft und so weich gesprochen, dass Laura ein Schauer über den Rücken lief.
»Die Wahrheit ist, ich liebe es, hier zu sein. Vielleicht wirst du auch irgendwann so empfinden.«
Mit einem Augenzwinkern drehte sie sich um und ging zur Tür. Sie klopfte zwei Mal, sofort wurde die Stahltür aufgezogen. Noch im Türrahmen wandte sie sich an Laura: »Schau dich um, im Kleiderschrank habe ich ein paar Klamotten für dich hinterlegt. Ich hoffe, dass ich deinen Geschmack getroffen habe. Ansonsten ruh dich aus, ich werde dich in einer Stunde abholen.«
Kurz konnte sie die Silhouette eines Mannes ausmachen und erneut fielen ihr die Tattoos des Hünen auf. Plötzlich erinnerte sie sich! Sie hatte sie gestern gesehen, als sich der Fahrer des Lieferwagens halbherzig entschuldigte. Laura war sich sicher, die Entführer mussten sie beobachtet haben und irgendetwas sagte ihr, dass das schon länger so ging ...
Schließlich wurde die Tür zugezogen und sie war allein. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie in der ersten einsamen Minute zu weinen beginnen würde. Doch sie atmete tief durch, ermahnte sich zur Ruhe und begutachtete ihr Verlies, das so gar nicht wie eins aussehen wollte.
Als erstes inspizierte sie den Kleiderschrank. Tatsächlich hingen auf den Kleiderbügeln tolle Outfits. Einige klassisch, ein paar Sommerkleider, fast alle ihr Geschmack. Etwas weiter oben konnte sie einfache Jeans und Tops ausmachen, dazu Unterwäsche in allen Variationen und Formen. In den Schubladen unten standen Sportschuhe und stilvolle Pumps. Jegliche Kleidung war neu, wie zum Beweis hatte Charly die Preisschilder an den Klamotten gelassen. Als sie den Wert überschlug, kam sie auf fast 3000 Dollar. Nicht schlecht, für eine kriminelle Organisation. Gleichzeitig hieß das, dass Charly in vielen verschiedenen Läden gewesen sein musste, um diesen Kleiderschrank zu füllen. Videokameras und Aufzeichnungen würden ihr Übriges tun, um sie zu überführen. Der Gedanke schenkte Laura neue Hoffnung.
Als nächstes nahm sie sich das angrenzende Badezimmer vor. Es war zwar klein, aber sehr sauber. Als hätte man es allein für diesen Anlass einbauen lassen. Bei den Hygieneartikeln wurde sie stutzig. Lauras Blick fing sich auf einer schmalen Anrichte. Die Kosmetik kam ihr bekannt vor, sehr bekannt sogar. Es war dieselbe Seife, die sie bevorzugte, dasselbe Deodorant, sogar ihre zwei Lieblingsparfüms standen frisch verpackt vor ihr. Dieser Adam hatte sie ausspionieren lassen, minutiös ihr Leben verfolgt. Nur so war zu erklären, warum vom Ladyshaver bis zur Duschlotion eine exakte Kopie ihres Badezimmers vor ihr lag. Natürlich alles neu und originalverpackt. Die einzige Ausnahme bildete ein rotes Parfüm in der Mitte.
»Passion«, las sie laut vor und fuhr mit den Fingern über den Zerstäuber. An einer blauen Stoffschleife hing ein kleiner Zettel. »Sorry. Adam.«
Laura schüttelte ihren Kopf. Sie unterdrückte den Impuls, die Parfümflasche an die Wand zu werfen, obwohl ihre Hände vor Wut zu zittern begannen. Natürlich, sie war erschöpft, sah ein wenig mitgenommen aus und auch ihr frischer Teint war verblasst. Trotzdem erkannte sie in ihren Augen ein Feuer, das immer intensiver zu brennen schien. Egal, was diese Leute mit ihr vorhatten, ein Opfer würde sie nie sein.
Behutsam öffnete sie den Verschluss des Parfüms. Es roch mild, nicht zu aufdringlich, mit einer Spur von Jasmin. Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, dieses Duftwasser abscheulich zu finden, musste sie zugeben, dass es ihr mehr als zusagte. Leider.
Nachdem sie jede Ecke des Raums durchsucht hatte, legte sich Laura in das frischbezogene Bett. Sogar eine bequeme Hose und ein Top lagen als Schlafoutfit für sie bereit. Laura rieb sich über die Schläfen und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Ohne Frage, hier waren Profis am Werk. Sie hatten sie beobachtet, ihre Gewohnheiten untersucht und waren bestimmt nicht scharf auf die mickrige Summe, welche nach dem Hauskauf noch auf Ricks und ihrem Konto zu finden war. Sie wollten etwas anders. Doch was?
Kapitel 2 - Dinner mit dem Feind
»Wolltest du nicht duschen und dir etwas anderes anziehen?«
Laura hatte nicht bemerkt, wie Charly die Tür geöffnet hatte. Jetzt sah sie Laura mit großen Augen an, als wäre es das Normalste der Welt.
»Mir war nicht danach«, antwortete Laura knapp. In einer fließenden Bewegung erhob sie sich vom Bett und ging einen Schritt auf Charly zu. »Was wollt ihr von mir?«
Ein wenig belustigt verdrehte Charly die Augen. »Fängst du schon wieder damit an?« Sie rieb Laura aufmunternd über die Schulter. »Adam wird dir alles erklären. Komm mit.«
Sie tat gerade so, als wären sie alte Freundinnen und würden sich schon ewig kennen. Keine Handschellen, keine Augenbinde, Charly breitete einfach den Arm aus und führte sie in einen weiten Flur. Auch hier war das Interieur passend und geschmackvoll. Zwar konnte man erkennen, dass es sich hier definitiv um ein altes Fabrikgebäude handelte, jedoch hingen Bilder an den Wänden und auch Pflanzen säumten die Diele. Laura wurde weitergeführt und fand sich schließlich in einem großen Raum wieder, der von Kerzenlicht beleuchtet wurde. Ein langer Tisch bildete den Mittelpunkt des Zimmers, zusätzlich konnte sie eine Sitzecke ausmachen und im Hintergrund mehrere Schreibtische, auf denen Computer surrten. Der Raum wies eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Zigarrenzimmer eines Herrenhauses auf. Nur die mit Holz vertäfelten Wände fehlten. Dies musste ihre Kommandozentrale sein. Adam scherzte mit einem großgewachsenen Mann an der