erhob auch sein stolzer Vater keine Einwände. Was Kim bestimmte, wurde gemacht.
Frank Boyd kam zunächst gar nicht auf den Gedanken, dass seine Frau heute deprimiert wirkte. Seiner Ansicht nach gab es dafür auch nicht den geringsten Grund. Wie sollte er da auf solche Gedanken kommen, denn Florence hatte alles und bekam alles, was sie sich nur wünschte. Was Frank Boyd für seine Frau und sein Kind nicht an Zeit erübrigen konnte, machte er durch Geschenke wett.
Da Mutter und Sohn sich nicht nur äußerlich, sondern auch charakterlich ähnlich waren, gaben sie sich damit auch zufrieden.
Erst als sie zu Bett gingen, sagte Florence ihrem Mann, dass sie die Nachricht vom Tod ihrer Mutter bekommen hätte.
»So«, meinte er. »Wir müssen doch nicht etwa zur Beerdigung fahren?«
»Sie ist schon beerdigt«, erwiderte Florence.
»Was für Differenzen hat es zwischen euch eigentlich gegeben, dass ihr keinen Kontakt hattet?«, fragte er gleichmütig.
»Wahrscheinlich hat Mutter es nicht verziehen, dass ich sie erst vor unserer Heirat in Kenntnis setzte, als diese bereits vollzogen war.«
»Schwiegermütter waren mir immer ein Gräuel«, sagte Frank. »Ich bin froh, Darling, dass du alle Brücken hinter dir abgebrochen hast. Trag Sorge dafür, dass ihr Grab anständig gepflegt wird, das sind wir wohl der Öffentlichkeit schuldig.«
Damit war der Fall für ihn erledigt. Er ahnte nicht, mit welchen Sorgen seine Frau heute einschlief. Florence hatte eine höllische Angst, dass man nun doch wegen des Kindes an sie herantreten würde, und sie fürchtete um ihr sorgloses Leben, denn Frank war in einer Beziehung unberechenbar, nämlich dann, wenn es um sie ging.
*
In einer Arbeitspause sagte Daniel am nächsten Tag zu Patricia: »Bitte, geben Sie ein Telegramm an diese Adresse auf.«
Er reichte ihr die Anschrift von Dr. Rückert. Patricia sah sie sich jetzt gar nicht an.
»Welchen Text?«, fragte sie sachlich.
»Brief erhalten, komme persönlich Donnerstag.«
Erst jetzt schaute Patricia auf die Adresse, denn sie erinnerte sich an das Gespräch vom Vortag.
Ein Anwalt! Hatte der Chef einen Todesfall in der Familie? War er deshalb so zerstreut?
Sie hatte ihm ein paarmal gewaltig Hilfestellung bei der Verhandlung leisten müssen, aber dies so geschickt getan, dass niemand es merkte. Jetzt schien ihm dies bewusst zu werden, denn er sagte: »Übrigens vielen Dank, dass Sie immer so bei der Sache waren, Fräulein Rendek. Ich bin zurzeit etwas durcheinander.«
Es wunderte sie, dass er dies so schlichtweg zugab. Sie sollte sich noch über manches wundern.
Sie waren noch früher fertig geworden, als Daniel sich vorgenommen hatte.
Alles hatte bestens geklappt, was wiederum ihn in Erstaunen setzte, denn diesmal war er nur mit halbem Herzen dabei gewesen. Allerdings war er recht strapaziert und Patricia auch. Dennoch fragte er sie höflich, ob sie an diesem Abend wenigstens noch den halben Weg nach Hohenborn zurücklegen wollten. Er hatte die Autokarte bereits studiert.
Also starteten sie. An der Grenze war keine Wartezeit. Der Abend war mild und klar und die Fahrt durch die bayerischen Berge sehr romantisch.
»Sie haben eine schöne Heimat«, bemerkte Daniel.
»Wahlheimat«, berichtigte Patricia. »Eigentlich bin ich ja Dänin.«
»Aber Sie fühlen sich wohl hier?«
»Ja, sehr. Ich lebe jetzt schon acht Jahre in Deutschland.«
»Und Ihre Angehörigen?«
»Sind in Dänemark geblieben.«
»Sie sprechen sehr gut Deutsch. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie Ausländerin sind.«
Er war schon ein seltsamer Chef. Nicht mal für ihre Personalpapiere hatte er sich interessiert.
»Meine Mutter war Deutsche, und ich bin zeitweise hier in Bayern in einem Internat gewesen«, erzählte Patricia.
»Warum leben Sie hier?«, fragte er. »Verzeihung, neugierig will ich nicht sein, aber ich stelle fest, dass ich sehr wenig über Sie weiß. Wenn man schon so lange zusammenarbeitet, sollte das eigentlich anders sein.«
Patricia warf ihm einen forschenden Blick zu.
»Ich wollte selbstständig sein«, erwiderte sie offen. »Meine Eltern hatten andere Pläne mit mir, und da hielt ich es für besser, möglichst weit vom Schuss zu sein.«
Sie weiß, was sie will, dachte er. Florence hat das nie gewusst. Oder doch? Es war seltsam, dass er sich Florence gar nicht mehr so richtig vorstellen konnte, und dabei hatte er doch gemeint, sie nie vergessen zu können.
Und wie war Patricia Rendek wirklich? Er kannte sie als sehr zurückhaltende junge Dame. Sie war keines von jenen Mädchen, die auf Männerfang ausgingen. Selbst wenn sie mit ihm allein auf Reisen war, blieb sie reserviert. Sie ging auch nicht aus sich heraus, wenn sie von sich sprach.
Sie gab wohl keinem Mann eine Chance, sich Hals über Kopf in sie zu verlieben. Und ganz gewiss kam sie auch keinem entgegen.
Er rief sich zur Ordnung, denn es erschien ihm doch merkwürdig, dass er jetzt über sie statt über seine Probleme nachdachte.
Daniel verspürte das Verlangen, mit einem Menschen reden zu können. Aber würde Patricia Rendek überhaupt Verständnis für ihn aufbringen, wenn er über den kleinen Eddy sprach? Nein, der Gedanke war absurd. Er schob ihn von sich.
Sie fuhren jetzt durch ein hübsches Gebirgsdorf, und da es nun schon recht dunkel wurde, machte er kurz entschlossen den Vorschlag, sich hier ein Quartier zu suchen.
»Es ist schöner als in einer Stadt«, sagte er.
Das fand Patricia auch. Sie war gern in den Bergen, und sie erklärte ihm auch, dass das Internat, in dem sie zwei Jahre verbracht hatte, nicht weit entfernt von diesem Ort läge.
»Die Gegend ist mir sehr vertraut. Im Winter fahre ich gern zum Skilaufen her.«
»So sportlich?«, fragte er kurz.
Sie lachte leise. »Man braucht einen Ausgleich.«
»Treiben Sie sonst noch Sport?«, erkundigte er sich.
»Schwimmen, Reiten, Tennis«, erwiderte sie zögernd.
»Und Auto fahren?«, fragte Daniel.
»Dient für mich nur zur schnelleren Fortbewegung.«
»Ich war früher Rennfahrer«, bemerkte er beiläufig. »Bis zu einem schweren Unfall. Aber da sehe ich eine Pension, die recht hübsch aussieht.«
Er hielt an, und Patricia hatte das Gefühl, dass es ihm nicht behagte, überhaupt etwas über sich gesagt zu haben.
Sie bekamen zwei hübsche Zimmer mit Blick zum Wendelstein. Das Essen war sehr schmackhaft und so reichhaltig, dass Patricia danach nicht gleich schlafen gehen wollte.
Sie machte sich auf den Weg, um noch frische Luft zu schöpfen. Weit war sie nicht gekommen, als Daniel auf anderem Weg mit ihr zusammentraf.
»Es ist gut, sich ein bisschen die Füße zu vertreten«, bemerkte er. »Die Luft ist herrlich.«
»Und laufen ist gesünder als Auto fahren«, sagte Patricia lächelnd.
Sie gingen nebeneinander weiter und wunderten sich beide, wie leicht sie miteinander reden konnten. Eines ergab das andere.
Plötzlich sagte Daniel: »Darf ich Sie etwas fragen, Fräulein Rendek?«
»Bitte, wenn Sie glauben, dass ich eine Antwort darauf weiß?«
»Es ist eine sehr komplizierte Angelegenheit, die mich sehr beschäftigt. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.«
Guter