es ist besser, wenn ich Sie mit meinen Privatangelegenheiten nicht belästige«, bemerkte er leise.
Patricia spürte, wie er mit sich rang, wie etwas ihn quälte.
»Wenn ich Ihnen irgendwie helfen könnte, würde ich es gern tun«, sagte sie. »Sie brauchen nicht zu fürchten, dass ich indiskret sein werde.«
»Das weiß ich. So weit kenne ich Sie doch schon«, entgegnete Daniel. »Ich werde sehen, was sich in Hohenborn ergibt.«
Jedenfalls ist es etwas, was nicht abgeschlossen ist, sondern noch eine Entscheidung verlangt, dachte Patricia. Eine sehr schwere Entscheidung, wie es scheint.
*
Sie waren dann zurückgegangen, und am nächsten Morgen, als sie aufbrachen, war Daniel ziemlich verlegen.
»Bitte, seien Sie mir nicht böse, dass ich gestern so redete«, sagte er.
»Warum sollte ich das? Es gibt Situationen, in denen man ein Gespräch braucht.«
»Wenn man etwas aber selbst nicht begreift, wie sollte es dann ein anderer Mensch begreifen.«
»Vielleicht deshalb, weil er objektiver urteilen kann«, erwiderte Patricia.
Sie erfuhr jedoch nichts. Sie waren gegen elf Uhr in Hohenborn. Daniel war sichtlich nervös.
»Brauchen Sie mich?«, fragte Patricia.
Er schüttelte geistesabwesend den Kopf.
»Dann werde ich mir die Stadt ansehen«, sagte sie.
»Sie können meinen Wagen nehmen, wenn Sie wollen«, schlug er vor.
Patricia lächelte. »Nein, lieber nicht. Ich bummele ein bisschen herum. Wie lange werden Sie brauchen?«
»Das lässt sich noch nicht sagen. Verbleiben wir so, dass wir uns gegen ein Uhr zum Mittagessen treffen, dort in diesem Restaurant.«
Er deutete auf die »Tessiner Stuben«, in denen schon manche schicksalhafte Entscheidung getroffen worden war. Doch das wusste Daniel Batton nicht.
*
Dr. Rückert hatte das Telegramm bekommen und sich den Donnerstag für Daniel Batton reserviert.
Als ihm Daniel Batton gemeldet wurde, atmete er erleichtert auf. Dieser Mann wich wenigstens den Problemen, die auf ihn zukamen, nicht aus. Es beruhigte Dr. Rückert, dass Daniel Batton anders geartet schien als Eddys Mutter.
Sie begrüßten sich knapp und formell. Es gab ein gegenseitiges Abtasten.
»Ihr Schreiben hat mich in Bestürzung versetzt«, begann Daniel stockend. »Ich wäre sofort gekommen, hatte aber eine dringende Geschäftsreise. Missverstehen Sie mich bitte nicht, aber ich möchte doch fragen, ob kein Zweifel besteht, dass dieser Junge mein Sohn ist.«
»Nach den Unterlagen, die Frau Landell bei ihrem Tod hinterließ, bestehen kaum Zweifel«, erwiderte Dr. Rückert, »es sei denn, dass Florence Landell ihrer Mutter nicht die Wahrheit sagte. Ich verstehe Sie sehr gut, Herr Batton. Es ist eine Überraschung, wenn man plötzlich erfährt, dass man einen sechsjährigen Sohn hat. Eine Verantwortung für Eddy brauchen Sie sich unter den gegebenen Umständen nicht aufzwingen zu lassen.«
»Selbstverständlich werde ich die Verantwortung für dieses Kind übernehmen, wenn es mein Sohn ist«, sagte Daniel rasch. »Es ist mir jedoch unbegreiflich, dass Florence sich so verhalten hat.«
»Es wird am besten sein, wenn Sie die Aufzeichnung von Frau Landell lesen«, meinte Dr. Rückert nach kurzem Überlegen.
Er fühlte sich außerstande, diesem gradlinigen Mann davon zu sprechen, was Florence Landell tatsächlich zu ihrer Trennung veranlasst hatte.
Daniel brauchte einige Zeit, bis er alles gelesen hatte. Es ging ihm arg zu Herzen. Dr. Rückert hatte ihn glücklicherweise allein gelassen, sodass er seinen Empfindungen mit einem Stöhnen freien Lauf lassen konnte.
Diese Frau, diese Florence, hatte er geliebt? Herrgott, konnte es denn möglich sein, dass man sich so sehr in einem Menschen täuschte? Dass sie ihn im Stich gelassen hatte, gut! Er hatte sich hundertmal gesagt, dass sie zu jung gewesen sei, um eine solche Bürde mit ihm zu tragen. Er hatte ihr Verhalten immer zu entschuldigen versucht. Dass sie aber diesem Kind gegenüber so hartherzig sein konnte, wollte ihm nicht in den Sinn.
Es war schon kurz vor ein Uhr, als er sich so weit wieder gefasst hatte, dass er noch ein paar Worte mit Dr. Rückert wechseln konnte.
Er wollte Eddy sehen, und dann musste er Pläne machen für eine Zukunft mit dem Kind. Die Zweifel mussten schweigen. Eddy musste wenigstens einen Vater haben.
*
Er kam mit einer Viertelstunde Verspätung in den »Tessiner Stuben« an. Fast hätte er die Verabredung mit Patricia ganz vergessen, doch sie wartete geduldig und winkte lächelnd ab, als er sich überstürzt entschuldigte. Dass er dann aber keinerlei Appetit zeigte, befremdete sie doch.
»Sorgen?«, fragte sie spontan.
»Mächtige Sorgen«, erwiderte er. »Ich werde meinen Sohn zu mir nehmen müssen, weiß aber nicht, wie ich das bewerkstelligen soll und mit meinem Beruf in Einklang bringen kann.«
Er hatte einen Sohn! Patricia war verblüfft, hatte sich aber so unter Kontrolle, dass sie ihr Befremden nicht zeigte.
»Wie alt ist er denn?«, fragte sie beiläufig.
»Sechs Jahre«, antwortete Daniel gedankenverloren. »Ich werde ihn heute Nachmittag besuchen.«
Patricias Gedanken überstürzten sich.
Daniel Batton hatte sich erkundigt, wo Hohenborn liegt.
Also hatte er bis zu diesem Tag keine Ahnung gehabt, in welcher Gegend sein Sohn sich aufhielt.
Es war alles ein bisschen merkwürdig, aber schließlich war das nicht ihre Angelegenheit.
»Ich habe bis vor ein paar Tagen nicht gewusst, dass ich einen Sohn habe«, erklärte Daniel nun, die Serviette in seiner Hand zerknüllend »Verzeihen Sie mein merkwürdiges Benehmen, Fräulein Rendek.«
»Sie brauchen sich nicht dauernd zu entschuldigen«, sagte Patricia verständnisvoll.
»Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Mein Gott, welche Vorstellung muss dieses Kind von seinem Vater haben.«
Es war wohl mehr ein Selbstgespräch, das er führte, und er sah so hilflos aus, dass ein warmes Mitgefühl Patricia ergriff.
»Ich kenne die Zusammenhänge nicht«, bemerkte sie, »aber nun wird Ihr Sohn sich ja bald eine Vorstellung von Ihnen machen können.«
»Ich habe nichts von ihm gewusst«, äußerte er wieder geistesabwesend. »Ich habe ihn nie gesehen. Was sagt man zu einem Kind, das allein ist auf der Welt? Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme und mich um dich kümmere, aber man hat mir gerade erst mitgeteilt, dass es dich gibt?«
»Nein, das werden Sie gewiss nicht sagen«, meinte Patricia.
»Aber wie soll man es ihm denn erklären? Liebe Güte, wieso sage ich Ihnen dies alles?«
Ernsthaft sah Patricia ihn an.
»Wollten Sie nicht schon gestern Abend darüber sprechen? Dann hat Sie wohl der Mut verlassen. Ich kann mir vorstellen, dass man sich nicht gleich in eine solche Situation hineinfinden kann, aber die erste Überlegung sollte doch dahin gehen, ob Sie das Kind überhaupt mögen?«
»Ob es mich mögen wird?«, fragte Daniel heiser.
»Zumindest kann er doch mit seinem Vater ganz zufrieden sein«, sagte Patricia aufmunternd.
Daniel starrte sie an.
»Meinen Sie das ehrlich?«
Sie errötete unwillkürlich. »Aber gewiss.«
»Ich bin für ihn ein Fremder«, fuhr Daniel mit schwerer Stimme fort. »Er hat