Christiane von Torris

Mami Bestseller 56 – Familienroman


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er faßte sich rasch. Es hatte ja alles keinen Sinn, was er unternahm. Er schaffte es nicht, gegen den Strom zu schwimmen. Dumonts Einfluß war zu mächtig, und die Hallberg-Werke waren von ihm abhängig. Thorsten wußte, daß er sich eigentlich freuen mußte, so gänzlich ohne jede Anstrengung eines Tages in den Besitz des Kapitals der Dumonts zu kommen. Warum wehrte er sich dagegen? Alle meinten es doch so grenzenlos gut mit ihm! Seine Mutter Henriette, die ihn von klein auf verwöhnt und verhätschelt hatte, Elena, die zwar launisch war, aber ohne ihn offensichtlich nicht zu leben bereit war, was paßte ihm eigentlich nicht?

      »Du sagst ja gar nichts, Thorsten«, fragte Elena, jetzt doch etwas kleinlaut.

      »Weil ich überwältigt von deiner Großmut bin, Liebes! Also dir habe ich das Geschäft mit dem Wildrosenmuster zu verdanken!«

      »Du sagst das so komisch; was ist los?«

      »Nichts Besonderes. Ich habe nur eben von der Idee Abschied genommen, jemals einen wirklich eigenen Gedanken zu verwirklichen. Mir wird ja doch alles vorgeschrieben, alles wird bestimmt!«

      »Freu dich doch darüber, nicht jeder zieht das große Los so wie du«, meinte Elena. »Unser Leben ist doch das aufregendste, was es gibt. Ich möchte nur wissen, was dir daran nicht paßt! Wir haben Geld, mehr, als wir jemals ausgeben können, und wenn wir hundert Jahre alt werden˛ wir sind jung und gesund, anerkannt und beneidet von allen, das macht doch Spaß, oder?«

      »Ja, es macht Spaß, das muß ich zugeben. Vielleicht bin ich nur in einer depressiven, nachdenklichen Phase. Verzeih mir, wenn ich kein guter Gesellschafter bin.«

      Da schlang Elena ihre Arme um Thorstens Nacken und legte ihre Wange an die seine. Sie duftete nach Chanel˛ ihre immer weiße Haut war glatt und warm, und ihr Mund lag verlockend nah an seinem. Thorsten küßte Elena, und sie erwiderte seinen Kuß mit einer Leidenschaft, die die seine bei weitem übertraf. Als sie wieder zu sich fand, glitzerte Triumph in ihren Augen, wieder einmal Thorstens kurzen Widerstand gebrochen zu haben.

      »Also abgemacht, dann fahren wir zusammen nach Paris?« fragte er, als sie sich voneinander gelöst hatten.

      Elena zog eine Zigarette aus ihrer Tasche, Thorsten gab ihr Feuer. Sie schüttelte den Kopf, stieß den Rauch aus und schaute den kleinen Rauchwölkchen nach.

      »Nein, ich kann wirklich nicht, Liebling. Ich muß auf die Bermudas fliegen. Papa will uns dort doch ein Ferienhaus kaufen, dir und mir, ich muß es mir ansehen. Bis zum Vierten reserviert es der Makler für uns. Wann ist deine Modenschau in Paris?«

      »Am Zweiten, Elena.«

      »Dann fliegst du eben zwei Tage nach mir, und wir treffen uns auf den Bermudas, in Hamilton, einverstanden?« Elena rieb ihre Nase an Thorstens Wange und schnurrte wie ein zufriedenes Kätzchen. »Dort am Atlantik werden wir das Paradies finden!«

      »Ich hoffe, daß es sich machen läßt. Vater hat da gerade schwierige Verhandlungen, und ich muß mich vorher durch die Kalkulationen arbeiten, ob ich will oder nicht.«

      »Bah, dein Vater!« rief Elena verächtlich.

      »Wetten, daß ich ihn rumkriege und du mitkommen kannst?«

      »Wir werden ja sehen«, schränkte Thorsten ein, der nicht so rasch ja sagen wollte. Aber auch er wußte, daß geschah, was Elena sich in ihrem eigensinnigen, kleinen bildschönen Kopf setzte. Immerhin kannten sie sich von Kindesbeinen an, und Thorsten Hallberg konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, daß Elena jemals ein Wunsch nicht erfüllt worden wäre!

      »Thorsten, mein Schatz, denk dir, Papa will das Haus am Atlantik dir und mir schenken; weißt du, was das bedeutet?« fragte Elena sanft.

      Er wußte, daß sie endlich einen Termin für die Hochzeit von ihm hören wollte.

      Aber er brachte es einfach nicht fertig, sich endgültig festzulegen.

      Eine Sternschnuppe, deutlich sichtbar am allmählich samtdunklen Abendhimmel, fiel vom Himmel und verlor sich hinter den Wipfeln der hohen Tannen.

      »Na, hast du dir etwas gewünscht?« fragte Elena. »Ich brauche mir nichts zu wünschen, ich habe alles, vor allem dich«, setzte sie hinzu.

      Thorsten gab keine Antwort. O doch, er wünschte sich etwas, aber er konnte es nicht beim Namen nennen. Es war eine unbestimmbare Sehnsucht, die an ihm zehrte und ihn unzufrieden sein ließ.

      *

      Vierzehn Tage später reiste Thorsten allein nach Paris. Elena Dumont war ein paar Tage vor ihm auf die Bermudas geflogen und erwartete ihn dort.

      Die Modenschau im kleinen Palais von Monsieur Verrin am Luxemburg Park war ein Erlebnis. Atemlos saßen die Journalisten aus aller Herren Länder und viele Prominente, die geladen worden waren, in dem großen Saal. In dem Licht, von Myriaden von Kerzen, das aus den venezianischen Leuchtern auf das spiegelnde Parkett und die dicken, weichen Teppiche fiel, standen mit roter Seide bezogene zierliche Stühlchen. Ein Laufsteg zog sich in Form eines S durch den eleganten Saal, dessen Wände mit eierschalenfarbenem Samt bespannt waren. Herrliche Blumenarrangements in weißen, blauen und zartrosa Tönen hingen von der Decke, und über allem lag ein feiner Duft und die prickelnde Atmosphäre, wie sie meist bei einem außergewöhnlichen Ereignis herrscht.

      Monsieur Verrin, zierlich und lebhaft, in einem eleganten Anzug aus weißer Wildseide, war ganz in seinem Element. Er hatte für seine Modeschöpfungen die schönsten Mannequins, den vornehmsten Rahmen und immer die zeitlosesten Modelle. Auch jetzt wurde er von Beifall überschüttet für seine großartigen Einfälle, die doch immer schlicht waren und dadurch um so vornehmer und kostbarer wirkten.

      »Sie werden überrascht sein, lieber Hallberg«, sagte Verrin zu Thorsten, nachdem er ihn begrüßt hatte, »mein Lieblingsmodell ist aus einem Ihrer Stoffe. Ihre beiden anderen laufen so mit, aber das eine ist phantastisch. Wahrscheinlich, weil ich die richtige Trägerin dafür gefunden habe. Nun, Sie werden ja sehen. Hinterher gehören Sie selbstverständlich zu den Gästen, die dann noch privat bei mir bleiben. Einverstanden?«

      »Nur zu gern, Monsieur Verrin. Jetzt bin ich aber wirklich gespannt«, sagte Thorsten und suchte dann seinen Platz in einer der mittleren Reihen auf.

      Die Mannequins waren alle ganz blaß geschminkt, sie hatten den tiefroten, herzförmig gemalten Mund und die Lockenfrisuren, die in diesem Jahr von der Mode diktiert wurden. Alle hatten, wenn auch in verschiedenen Farbtönen, die gleichen Perücken auf, und man konnte sich kaum vorstellen, wie die gutgewachsenen jungen Damen wirklich aussahen.

      Thorsten Hallberg war niedergeschlagen, als er die Kleider sah, die aus den Stoffen, die er entworfen hatte, gefertigt worden waren. Sie wirkten fad und verschwommen, auf dem Papier waren sie zweifellos ansprechender gewesen. Ich habe doch nicht genug Talent, dachte Thorsten bekümmert, mein Vater hat schon recht, wenn er diese Arbeit als Larifari bezeichnet.

      Doch dann kündigte Monsieur Verrin die letzten Modelle an. Verwandelt erschienen die Mannequins nun auf dem Laufsteg. Jede mit ihrer natürlichen Frisur und fast ohne Make-up. Beifällige Bemerkungen schwirrten durch den Raum, und eifrig notierten die Berichterstatter und Journalistinnen, was sie da an Schönem sahen.

      Wie ein Dirigent wies André Verrin die schönen Damen an, sich im Hintergrund zu halten. Dann schaute er in die Runde.

      »Nun kommt die Krönung der diesjährigen Schau, mein Modell Sonnenkönigin, voilá«, rief Verrin.

      Der schwere eierschalenfarbene Samtvorhang öffnete sich, und heraus trat ein wunderschönes Mädchen mit langem bernsteinfarbenem Haar, das über die gebräunten Schultern fiel. Es trug ein in seiner Einfachheit raffiniert geschnittenes Gewand, dessen alt­ägyptisches Muster in den Farben Rost, Türkis, Smaragd und allen Schattierungen von Sonnengold gehalten war.

      »Phantastisch, einfach hinreißend!« rief die Herzogin, die neben Thorsten Hallberg saß, und gleich ihr sprangen viele der begeisterten Zuschauer auf und drängten zum Laufsteg.

      Wie gebannt hing Thorstens Blick an der herrlichen Erscheinung. Langsam ging nun auch er näher. Die ›Sonnenkönigin‹ trug ihren Namen zu recht. Sie war von strahlender