ist vertraglich festgelegt, aber ich fahre mit dem Zug. Das ist billiger, und ich kann die Differenz auf die hohe Kante legen. Oh, entschuldigen Sie, das kann Sie aber wirklich nicht interessieren«, sagte sie und wurde ganz verlegen.
Thorsten legte seine Hand auf ihre schmalen Finger. »Doch, es interessiert mich. Alles, was Sie angeht, interessiert mich, Andrea.«
Als er sie beim Vornamen nannte, zog sie ihre Hand zurück. Sie knöpfte ihre Jacke über der cremefarbenen Chiffonbluse zu und griff nach ihrer Handtasche.
»Wenn Sie nicht zu müde sind, möchte ich mit Ihnen noch auf den Montmartre hinauf«, sagte Thorsten. Er winkte dem Kellner, bezahlte und stand auch auf.
Andrea ging ein paar Schritte voraus, wieder trank er ihr zauberhaftes Bild mit seinen nimmersatten Augen, wie sie so im Schein der schmiedeeisernen Kandelaber zurück zum Taxi ging, das Thorsten hatte warten lassen.
Er faßte sie am Ellenbogen, sehr behutsam, um sie nicht zu erschrecken. »Wie ist es, fahren wir noch hinauf und lassen uns Paris zu Füßen legen?«
»Gern, ein, zwei Stunden werde ich schon noch durchhalten«, sagte Andrea.
Aber aus diesen ein, zwei Stunden wurden viel mehr. Sie blieben zusammen, bis der Morgen dämmerte. Sie tanzten in einem hübschen kleinen Lokal, in dem es viele fröhliche und zärtliche Paare gab. Andrea trank wenig, und auch Thorsten hielt sich zurück. Er wollte jede Sekunde dieses Zusammenseins mit wachem Verstand erleben und festhalten für immer.
»Sind Sie mit dem Wagen aus Deutschland gekommen?« fragte Andrea einmal.
»Nein, per Flugzeug. Ich fliege morgen abend weiter nach Hamilton.«
»Wohin?«
»Auf die Bermudas«, erklärte Thorsten. Dann jedoch schüttelte er energisch den Kopf und lachte. »Nein, ich fliege nicht auf die Bermudas. Ich habe umdisponiert. Endgültig!«
»Was haben Sie umdisponiert?«
»Alles, Andrea, alles!« rief er und griff stürmisch nach ihren Händen.
Dann beugte sich Thorsten zu dem Mädchen mit dem bernsteinfarbenen Haar und küßte es ganz zart auf die Wange. Andrea sah ihn mit großen Augen an, sie zitterte ein wenig und hatte Angst, daß er es merken könnte. Er würde sie für eine dumme Gans halten, die einem hübschen Abend zu Zweit und seiner offenen Anbetung zuviel an Tiefe beimaß.
»Es klingt vielleicht verwegen oder verrückt, aber ich muß Sie etwas fragen, Andrea!«
»Fragen Sie nur, Thorsten«, erwiderte sie und nannte ihn zum erstenmal bei seinem Vornamen.
Wieder nahm er ihre Hände, hielt sie ganz fest und sah ihr zwingend in die Augen. »Würden Sie mich heiraten, wenn ich Sie darum bitten würde, Andrea?«
Da zuckte sie richtig zusammen und schüttelte den Kopf. »Bitte machen Sie nicht solche Späße, bitte«, sagte sie flehentlich und schluckte.
»Es ist mir Ernst, heiliger Ernst!«
»Aber das ist doch unmöglich, ganz und gar unmöglich!«
»Und warum?« fragte Thorsten Hallberg.
»Sie kennen mich doch gar nicht, wir wissen nichts voneinander, nicht das geringste, es ist eine absurde Idee!« Andreas lange tiefschwarze Wimpern zitterten; sie zog ihre Hände zurück und machte eine hilflose Gebärde.
»Andrea, wärst du mit jedem, der dich darum gebeten hätte, von der Modenschau und Monsieur Verrin heute abend weggegangen?«
»Aber wie kommen Sie darauf, selbstverständlich nicht«, empörte sie sich.
»Und warum dann mit mir?« fragte er leise und mit vibrierender Stimme, die einschmeichelnd und überaus zärtlich war.
Sie hob die Schultern. »Das kann ich nicht erklären. Da war etwas, was ich nicht beschreiben kann. Und ganz bestimmt nicht wegen des kostbaren Geschenkes, Thorsten. Ich weiß es selbst nicht.«
»Ich weiß es aber! Der Hauch der Liebe hat uns berührt, Andrea, dich und mich; wir haben gefühlt, daß es
etwas anderes ist als alle vorangegangenen Begegnungen. Stimmt es nicht?«
Sie lächelte, nickte ganz leicht, sagte aber nichts. Dann seufzte sie. »Das haben Sie schon hundertmal irgend jemandem gesagt; es klingt gut.«
Thorstens Lippen preßten sich zu einem dünnen Strich zusammen, er schüttelte den Kopf. »Nein. Noch nie. Natürlich habe ich da und dort einen Flirt gehabt, ich bin vierundzwanzig, und man macht es mir nicht gerade furchtbar schwer – aber so etwas habe ich noch nie zu einer Frau gesagt und, was noch wichtiger ist, noch nie in meinem Leben empfunden!«
Andrea sah ihn mit großen Augen an, ihr Herz klopfte wie verrückt, sie war ganz durcheinander. Und sie glaubte ihm, was er sagte! Sie spürte, daß es die Wahrheit war.
Plötzlich stiegen ihr die Tränen in die Augen, sie wandte den Kopf ab, damit er es nicht sah. Dann nahm sie ihre Tasche und stand rasch auf, um hinauszugehen.
Draußen lehnte sie an der Balustrade vor dem Lokal und sah auf die erwachende Stadt im Morgendunst hinunter. Thorsten trat hinter sie und legte seinen Arm um ihre Schulter. Sie lehnte den Kopf an seine Brust, und er streichelte ihr seidiges Haar.
»Ich liebe dich, Andrea«, sagte er leise.
Da sah sie zu ihm auf, und er las in ihren Augen die Antwort.
»Aber wir wissen doch gar nichts voneinander«, hauchte sie.
»Was sind schon Äußerlichkeiten und Daten! Ich weiß, daß du wunderbar bist und daß ich noch nie im Leben für jemanden so viel empfunden habe, das genügt mir.«
»Du kommst aus einer ganz anderen Welt, Thorsten. Ich bin ein armes Mädchen und komme aus einfachen Verhältnissen. Ich habe medizinisch-technische Assistentin werden wollen und stand vor dem Abschluß, als meine Mutter schwer erkrankte. Zufällig wurde ich mit André Verrin bekannt. Er engagierte mich vom Fleck weg. Ich bekam viel Geld von den Magazinen, die mich groß herausbrachten, die Fotografen rissen sich um mich. Damit konnte ich meiner Mutter eine gute Zeit bereiten. Ihre letzte. Es half alles gar nichts, sie mußte diese Erde frühzeitig verlassen.«
Thorsten streichelte sie sanft. »Ich werde dich für alles Leid entschädigen, Andrea!«
Sie lächelte ihn mit feuchten Augen an. Da riß die Nebeldecke auf, und die silbrig-zarten Strahlen der Morgensonne tauchten alles in funkelndes Licht.
»Nur eines paßt mir nicht, das mit den Fotografen«, sagte Thorsten dann nachdenklich.
»Aber ich bitte dich, es war doch immer alles ganz harmlos, wirklich!«
»Ich kenne diesen Beruf, ich weiß, wie es da zugeht!«
»Siehst du, ich habe dir ja gesagt, wir wissen zuwenig voneinander«, sagte Andrea traurig.
Da riß Thorsten sie in die Arme und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen, atemlos und leidenschaftlich. Sie stand ganz still und wie benommen, dann legte sie die Arme weich um seinen Hals, und ihre Lippen fanden sich.
»Verzeih mir, ich weiß gar nicht, was mit mir los ist, Eifersucht kenne ich sonst gar nicht«, sagte Thorsten.
»Es ist und es war niemand da, auf den du eifersüchtig sein müßtest, Thorsten. Ich glaube, einfach deshalb, weil ich überhaupt keine Zeit hatte. Ich mußte meine Mutter jahrelang pflegen, dann die Ausbildung, ah, es ging alles so schnell vorüber.«
»Ich kann nicht behaupten, daß bei mir niemand in meinem Leben eine Rolle spielt. Aber das muß ich in Ordnung bringen, offen und rückhaltlos. Dann komme ich zu dir, Andrea, und es soll nichts mehr zwischen uns stehen.«
»Thorsten«, sagte sie weich, »es war ein schöner Abend, eine verzauberte Nacht. Ich glaube, es ist besser, wir trennen uns und sehen uns nie mehr wieder. Noch geht es, glaube ich. Aber ich möchte nicht, daß du meinetwegen irgend jemandem weh tust, wirklich nicht!«
»Nicht